Design "Deutsch, pur, aber mit sexy Optik"

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"Als Steve meine ersten Entwürfe für den Apple 2 sah, fragte er: Bist du verrückt?"

Ist das nicht in allen Konzernen so?
Wagener: Alle großen Konzerne haben diese Konsens-Herausforderung. Es muss immer regelkonform sein. Bei Mercedes-Benz zum Teil ja auch. Unzählige Abstimmungsprozesse stehen aber konträr zu einem disruptiven Kreativprozess. Gutes Design zu machen ist das eine. Es aber durch die Konzernstrukturen zu bekommen ist eine ganz andere Herausforderung.

Das waren noch Zeiten: Hartmut Esslinger entwarf den Sony Walkman WM-2. Quelle: Frog Design Europe GmbH

Sind Sie deswegen der erste Autodesigner mit Vorstandsrang geworden – um sich besser durchsetzen zu können?
Wagener: Wir hatten auch vorher schon eine starke Position. Aber durch den offiziellen Titel bekam es noch einmal eine höhere Aufmerksamkeit. Und: Auch wenn wir eigentlich gerade Hierarchien abbauen wollen – eine solche Position ist eben doch wichtig. Und wir sind auch nicht der erste Hersteller, der das Design in den Vorstand geholt hat, andere haben dessen Kraft auch erkannt.

Wie passt das in die moderne Arbeitswelt, in der immer alle mitreden wollen?
Wagener: Einer meiner ehemaligen Chefs hat immer gesagt: Wir sind demokratisch – bis zu einem gewissen Punkt. Irgendwann muss jemand sagen, rechts oder links. Das mache ich den ganzen Tag. Design ist überhaupt nicht demokratisch. Je mehr Leute mitreden, je mehr man in Gruppen diskutiert, desto mehr wird das Design verwässert. Bei uns entwickeln Schwärme von intelligenten Menschen tolle Sachen, aber irgendwann muss ich einen Entwurf davon auswählen.

Woran erkennen Sie das Richtige?
Esslinger: Wenn man das Richtige hat, weiß man, dass es das Richtige ist. Und wenn es zunächst auf Ablehnung trifft, ist man meist auf dem richtigen Weg.

Wagener: Genau, neue Entwürfe dürfen nicht sofort gefallen.

Esslinger: Als Steve meine ersten Entwürfe für den Mac und Apple 2 sah, fragte er: Bist du verrückt?

Da wussten Sie, es war richtig?
Esslinger: Genau. Aber Steve war skeptisch – bis es verkauft wurde. Als er sah, dass es funktionierte, war es dann ein Dogma. Das ist dann wieder ein anderes Problem. Es hat zwei Jahre gedauert, bis er verstanden hat: Design ist ständiger Fortschritt. Und was dabei nicht hilft, ist die ständige Mitarbeiterbeteiligung. Die sollen sich einbringen, uns provozieren – aber nicht darauf hoffen, dass jeder mitreden kann. In Gesprächskreisen betreiben sie nur Gleichmacherei. Wir brauchen aber Farbe, Polarisierung. Es wird immer so getan, als ob es harmonisch geht.

Wagener: Das geht leider nicht.

Esslinger: Wirtschaft ist Kampf, immer am Abgrund. Müde rumsegeln kann jeder.

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