Design Im Vollbad der Gefühle

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Die Wiederentdeckung des Weichen

Villeroy & Boch hat nicht zufällig einen Möbeldesigner mit dem Entwurf der Kollektion Finion beauftragt. Sie ist der demonstrative Versuch, die Stilbarrieren zwischen Wohn-, Schlaf- und Badezimmer zu überwinden, die Wärme des Kamins, die Weichheit eines Sofas mit der hart, glatt und kühl wirkenden Anmutung von Keramik zu versöhnen. „Das Bad soll Geborgenheit ausstrahlen“, so Frey, „soll Behaglichkeit vermitteln.“ Um die „weiche Seite der Keramik“ herauszuarbeiten, hat er am Vorbild der Natur Maß genommen und das Wechselspiel von feinen Linien und weiten Schwüngen, wie man es von Dünen kennt, auf TitanCeram übertragen: Der Mineralwerkstoff erlaubt ihm, scharfe Kanten mit weich auslaufenden Flächen zu verbinden. Eine Kontrastidee, auf der die gesamte Kollektion beruht. Frey sucht die beruhigende Balance von hellen und dunklen Tönen: Die Regalfächer sind als Rahmen gestaltet, mit Gold und Bronze ausgekleidet und warm hinterleuchtet, ein dezenter Luxuseffekt.

Kein Zweifel, Patrick Frey bietet dem Badenden ein bergendes, dekorativ ausgekleidetes Gehäuse. Der Berliner Designer Werner Aisslinger hingegen schickt ihn auf eine Vergnügungsreise. Zwei „kunterbunte Dampfer“ nennt er seine für die Marke Kaldewei entwickelten Kollektionen: Die Badewanne Tricolore tritt mit mehrfarbig emaillierten, horizontal gestaffelten Streifen auf, ihre Füße zitieren die Löwentatzen der Belle Époque, den Archetyp der frei stehenden Wanne. Ein hybrides Gebilde, ebenso wie sein Pendant, die Kollektion Grid, für die Aisslinger mit seiner Partnerin Tina Bunyaprasit Wanne und Waschtisch in ein rotes Gittergerüst gestellt hat, eine Aufforderung zum Spiel, zur Improvisation: Hier dürfen Shampoo-Ablagen, Handtücher oder Pflanzenschalen eingehängt werden.

Das Bad als Allerheiligstes, in dem Körper und Geist gehuldigt wird, mit Waschschalen, die an Taufsteine erinnern? Ach was! Baden soll vor allem Spaß machen, ein Vergnügen sein. Kein Wunder, dass man bei Aisslingers Entwürfen immer auch die Quietschente hört und die Wärme dicker Frottiertücher auf der Haut spürt. Mit dem Armaturenhersteller Hansgrohe hat er Anfang des Jahres ein textiles Bad entwickelt: ein Plädoyer für die Wiederentdeckung des Weichen. „Das Bad ist der einzige Raum, wo wir im wahrsten Sinne des Wortes nackt sind“, sagt Aisslinger, „trotzdem umgeben wir uns gerade hier mit den härtesten, aggressivsten Materialien, mit Fliesen und Keramikbecken – was für ein Unding! Das Bad müsste der weichste Raum sein.“

Schmeichelnde Formen, wärmender Ton: Die Armaturen von Phoenix Design für die Marke Axor nehmen Anleihen bei der Tradition des Grandhotels... Quelle: Presse

Das Unternehmen Bette hat ihn anscheinend beim Wort genommen und dieses Frühjahr die von Dominik Tesseraux entworfene Linie Lux Oval Couture vorgestellt: Wanne und Waschtisch sind mit wasserresistentem, gepolstertem Outdoor-Stoff in Anthrazit, Weiß oder Moosgrün ummantelt. Wer an ein Sofa denkt, liegt durchaus richtig. Den Ostwestfalen ist mit der Wanne ein Coup gelungen. „Sie polarisiert“, so Marketingchef Sven Rensinghoff, „die einen schütteln den Kopf, die anderen sind begeistert.“ Wenn offenporiger Sandstein mit Muscheleinschlüssen oder schwarzer Marmor als Wandverkleidung gehen, warum soll man dann nicht auch mit ornamentierten Flächen an der Wanne spielen können, wie die Linie Bette Loft es tut, deren Wannenumwandung an kassettierte Wände erinnert? Ein schöner, architektonischer Effekt, vor allem im Kontrast zum weichen, mediterran wirkenden Holzboden.

Von diesem Wechselspiel lebt nicht zuletzt auch das Design der Armaturen. So präsentiert das Stuttgarter Designbüro Phoenix Design seinen für die Marke Axor entworfenen Waschtischmischer Uno neuerdings auch in Gold statt Chrom: Die aus zwei Rohren zusammengesteckte, asketische Armatur erhält, wie Phoenix-Designer Tom Schönherr sagt, einen „ganz neuen ästhetischen Reiz: Sie wirkt sehr viel wärmer, erscheint pur in der Form und zugleich luxuriös in der Oberfläche“, kurz: wie „purer Luxus“. Das „wollen die Menschen heute“, so Schönherr, „formale Klarheit und zugleich Emotionalität“.

...oder verleihen puristischem Design durch goldene Oberflächen einen Hauch von Luxus. Quelle: Presse

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