Sternekoch Jens Rittmeyer "Restaurantkritiken müssen nachvollziehbar sein"

Der Sternekoch Jens Rittmeyer beklagte nach dem Erscheinen des Gault&Millau seine Bewertung. Er bemängelt die Transparenz in den Urteilen – und erkennt Tester an ihren Ausreden.

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Der Sternekoch Jens Rittmeyer beklagte nach dem Erscheinen des Gault&Millau seine Bewertung. Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Rittmeyer, Sie sind seit Anfang des Jahres Chefkoch im Restaurant No. 4 in Buxtehude. Zuvor waren Sie in gleicher Position im Kai 3 im Hotel Budersand und wurden dort von den führenden Restaurantführern hoch bewertet. Nun wurde das No. 4 mit einem Michelinstern  ausgezeichnet und auch andere Führer loben Ihre Arbeit. Dennoch haben Sie sich über das jüngste Ergebnis im nun erschienenen Gault&Millau öffentlich beschwert. Sie haben dort 15 von 20 Punkten. Ist das eine überhaupt so eine schlechte Bewertung?
Jens Rittmeyer: Es kamen sicher viele Dinge zusammen – im Feinschmecker stand auf Grund eines Druckfehlers erst eine Bewertung von 3,0 von 5, nun wurde das in 3,5 korrigiert, denn Fehler passieren – auch uns und bestimmt tagtäglich. Ich kann diese Bewertung sehr gut akzeptieren. Nun die 15 Punkte – nein, damit bin ich nicht zufrieden.  Wenn man weiß, wo man herkommt, dann ist das eine Enttäuschung. Das ist für viele Restaurant dennoch zurecht eine gute Bewertung.

Zur Person

Was hatten Sie denn zuvor?
17 Punkte. Und mit 16 Punkten wäre ich einverstanden gewesen. Dann hätte ich gesagt, okay, für den Anfang ist das gut. Es hat mich vor allem deswegen überrascht, da der Tester, der da war, sich sehr angetan gezeigt hatte. Ich kenne ihn durch vorangegangene Tests, damals noch bei einem anderen Restaurantführer. Auch der Text, der zu der Note erschienen ist, gibt mir keinen Hinweis, was diese Einordnung erklären würde – ich koche schließlich nicht grundsätzlich anders als früher. Auch meine Sous-Chefin ist vom Kai3 mitgekommen ins No. 4. Wir Köche diskutieren immer wieder, ob die Benotungen der Tests und auch die Texte später von der Chefredaktion verändert oder gar umgeschrieben werden, so dass das Urteil anders ausfällt, als es der Tester vor Ort vielleicht wahrgenommen hat.

Wie kommen Sie darauf?
Ich erkenne zum Beispiel eindeutig, dass dort etwas nicht stimmen kann, da zweimal Blaubeere im Menü vorgekommen sein soll. Und nein, der Tester hatte eben nicht das Dessert mit Blaubeere, Topinambur und Anis-Agastache – es ist eines unserer absoluten "signature dishes", also eines, das wir über lange Zeit gerne servieren. Dieses Dessert aber gibt es nie zur Spargelzeit, sondern immer erst ab August, wenn ich auch frische Blaubeeren habe.

Jetzt wird es detailliert…
Ja. Und der im Text erwähnte Blaubeerschaum wurde ausschließlich von Blaubeer-Muttersaft hergestellt und diesen süßen Abschluss gab es in der Tat zu der Zeit, als der Tester des GM bei uns war. Das heißt für mich, hier wurde nachträglich ohne auch nur ansatzweise nachzudenken, etwas aus einer unserer späteren Speisekarten mit eingebracht, ohne es zu probieren. Ich vermute die Chefredaktion dahinter, da diese Gemüsesorten in Desserts nicht mag.

Warum sollte sie das tun?
Keine Ahnung. Aber ich habe nach meinem öffentlichen Post auf Facebook von gut 80 Kollegen Nachrichten bekommen, die sich wunderten. So gut wie keiner will das aber öffentlich sagen.

Aus Angst, beim nächsten Mal dafür abgestraft zu werden?
Das müssten Sie die Kollegen fragen. Ich zumindest möchte das einfach so nicht stehen lassen. Wir brauchen eine Diskussion und Transparenz darüber, wie und mit welchen Kriterien diese Noten in den Führern zustande kommen. Und vor allem möchte ich eine Fairness für mein Team und mich.

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