Tourismus Die Reise zum Film

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Mehr als ein Hype

Dass das Setting von Filmen und Serien Sogwirkung entfaltet, ist nicht neu, auch nicht, dass Produktionen von „Magnum“ (Hawaii) bis „Donna Leon“ (Venedig) buchstäblich vom Ort des Geschehens leben. Heute allerdings ist das sogenannte „bingewatching“, also der exzessive Konsum von Serien, so populär geworden, dass manche Menschen nicht einfach nur einschalten, um abzuschalten. Stattdessen nähern sie sich ihrer Lieblingsserie mental und körperlich regelrecht an. Der globale Erfolg von mehrstaffeligen Produktionen, die auf Plattformen wie Amazon Prime oder Netflix laufen, befeuert das Phänomen. Das britische Marktforschungsunternehmen TCI Research/Travelsat geht davon aus, dass 40 Millionen Menschen weltweit ihre Reiseziele vor allem aufgrund ihrer Film- und Fernsehfavoriten aussuchen.

„Filmtourismus ist mehr als ein Hype“, sagt Anton Escher, er ist „ein Massenphänomen“. Der 62-Jährige ist Professor für Geografie an der Universität Mainz und spezialisiert auf die Wechselwirkungen von Fiktion, Imagination und Realität. Vor ein paar Jahren wurde er von Kollegen noch ausgelacht, wenn er mit seinen Studenten nach Arizona oder Irland aufbrach, um vor Ort mit verkleideten Cyberkriegern oder Harry-Potter-Fans zu sprechen. Doch das Kichern ist den Kollegen längst vergangen.

Tatsächlich profitiert die Reisebranche vom Boom des Filmtourismus. Schauplätze-Hotels zum Beispiel sind besonders beliebt, da hier die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion am leichtesten zu verwischen sind: Anders als in Filmstudios braucht es wenig Fantasie, sich vorzustellen, wie der Hauptdarsteller durch dieselbe Lobby schreitet wie vor ein paar Jahren auf der Leinwand. Und wenn nicht, reicht das schöne Gefühl, ein nachholender Komparse am Set zu sein.

Diese Reise-Irrtümer können richtig teuer werden
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Nach dem Erfolg von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ war das britische Crown Hotel im idyllischen Amersham drei Jahre lang ausgebucht. Ähnlich erging es dem Park Hyatt Hotel in Tokio, nachdem „Lost in Translation“ 2003 den Oscar gewann. Auf den Florida Keys gelangte das Moorings Village and Spa durch die Netflix-Serie „Bloodline“ zu Ruhm. In Zermatt treffen dank der BBC-Spionageserie „The Night Manager“ Gut und Böse im Chalet Hotel Schönegg aufeinander. Und das Hotel Timberline Lodge im US-Bundestaat Oregon wird bereits seit 1980 von Gruselpilgern und Stanley-Kubrick-Fans besucht – wegen der Verfilmung des Horrorstreifens „The Shining“. Zimmer 217 dürfe er unter keinen Umständen betreten, wird dem kleinen Danny im Film eingetrichtert; als er es nicht lassen kann, attackiert ihn der Geist einer Selbstmörderin. Wer heute in Room 217 schlafen möchte, muss jahrelang warten.

Aber auch kleine Heimathäuser erfahren aufgrund der Serieneuphorie plötzlich, was Massentourismus heißt. Das Romantik-Hotel Bergström in Lüneburg etwa, ein bisschen plüschig, ein bisschen piefig und zentraler Dreh- und Angelpunkt der ARD-Telenovela „Rote Rosen“, weiß kaum wohin mit den vielen Anfragen, seit das Herzschmerzspektakel 2006 hier seinen Anfang nahm.

Kai Hillmann ist Geschäftsführer von Entertain Tours, dem ersten deutschen Reiseveranstalter für Filmtourismus. Er entwickelt Reisen und Touren zu Film- und Themenparks, für Gruppen oder Einzelpersonen. Für alle Fans des Kultfilms „Und täglich grüßt das Murmeltier“ geht es ins amerikanische 6000-Einwohner-Städtchen Punxsutawney im US-Bundesstaat Pennsylvania. „Rocky“-Fans können Drehorte in Philadelphia besuchen, etwa die Steintreppe mit 72 Stufen.

Besonders beliebt ist derzeit eine Reise nach Dubrovnik. Die Kleinstadt an der Adria ist bereits für sich ein Touristenmagnet. Doch in den vergangenen Jahren erfreute sie sich ungeahnter Popularität – wegen der HBO-Serie „Game of Thrones“. Das kroatische 44 000Einwohner-Örtchen dient in der Serie als Kulisse von Königsmund, ein zentraler Schauplatz der Serie. „Als wir Dubrovnik das erste Mal sahen, war das ein Schock“, sagte einst David Benioff, einer der Autoren und Produzenten, „weil die ganze Stadt genau so aussah, wir wir uns das ausgemalt hatten.“ Für Dubrovnik selbst ist die neue Beliebtheit Fluch und Segen zugleich. Bürgermeister Mato Franković kündigte kürzlich an, die Zahl der pro Tag erlaubten Besucher an der berühmten Stadtmauer künftig auf 4000 zu beschränken.

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