Afrika und arabische Welt Warum die Hungerhilfe in der Krise steckt

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Nigeria und Somalia zeigen zumindest Engagement


Während es in Südsudan und Jemen von Seiten des Staates kaum oder gar keine Bereitschaft gibt, der Hungerkrise Herr zu werden, zeigen die Regierungen im Nigeria und Somalia zumindest Lösungsbereitschaft. Und tatsächlich gibt es erste Lösungsmodelle für plötzlich eintretende klimabedingte Nahrungsengpässe, die allerdings deutlich ausgebaut werden müssten.

So haben einige afrikanische Staaten, darunter Nigeria, gemeinsame Notfallreserven gebildet, die bei unvorhergesehenen Naturereignissen wie Dürren, Überschwemmungen oder Erdbeben schnelle Nahrungshilfe vor Ort gewährleistet. Seit dem Krisenjahr 2011 unterstützt die G20 entsprechende Initiativen in Westafrika finanziell. Eine bereits etablierte ist die an die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS angegliederte „West Africa Regional Food Security Reserve“. Die gemeinsam koordinierten nationalen Reserven senken die Kosten einzelner Staaten für die meist teure Lagerhaltung und gleichen Risiken zwischen Ländern mit unterschiedlichen Anfälligkeiten für Naturereignisse aus.

Ein weiterer Lösungsansatz für durch plötzlich eintretende Naturereignisse verursachte Hungerkrisen sind gemeinsame Versicherungen wie die „African Risk Capacity“ (ARC). Neben den beteiligten Staaten aus der Region leisten auch Deutschland und Großbritannien einen Beitrag. Im Krisenfall erfolgt die Auszahlung an die betroffenen Staaten, wie etwa 2015 nach der Saheldürre an Mauretanien, Niger und Senegal.

Noch sind diese Ansätze auf wenige Länder oder auch Risiken wie Dürren begrenzt, zudem werden die Hilfen nur selten abgerufen. Problematisch ist darüber hinaus, dass ärmere Länder sich nicht beteiligen können; denkbar sind daher Modelle, die es erlauben, sich nicht nur finanziell, sondern auch mit Arbeitskraft einzubringen. Sollten sich diese prinzipiell schnell wirkenden und von den Betroffenen selbst getragenen Ansätze als erfolgreich erweisen, könnten die EU und ihre Mitgliedstaaten sowie die G20 ihren Ausbau – gerade im Zuge neuer europäischer und deutscher Maßnahmen für Afrika – unterstützen. Für Länder wie Somalia, die nicht der ECOWAS angehören, müssten vergleichbare Initiativen auf den Weg gebracht werden.

Für Hungerkrisen wie in Jemen und Südsudan bedarf es vor allem konflikttransformativer Ansätze. Direkte Angriffe auf Zivilisten und die Verhinderung von Hilfslieferungen sind Kriegsverbrechen und sollten als solche geahndet werden. Auch Maßnahmen wie Waffenstillstandsvereinbarungen zur Versorgung von Hungernden, Sanktionen oder Waffenembargos können helfen. In Jemen ist die Beendigung des Bombardements ziviler Ziele von äußerster Dringlichkeit; auch hier gilt es, politisch Verantwortliche zu benennen und zu belangen.

Da die Bedeutung von Konflikten als Hungerursache erkennbar zunimmt, sollte Hungerbekämpfung künftig in allen Stabilisierungsstrategien eine Rolle spielen. Eventuell wäre auch eine Reservelösung in benachbarten Ländern hilfreich, um zumindest schneller Akuthilfe leisten zu können, wenn die von Konflikten betroffenen Staaten selbst nicht willens oder in der Lage sind, Reserven aufzubauen.

Dr. Bettina Rudloff forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu internationalen Agrarmärkten und Entwicklungsländern. Dr. Annette Weber forscht, ebenfalls an der SWP, u.a. zu regionalen und innerstaatlichen Konflikten am Horn von Afrika. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik „Kurz gesagt“.

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