Argentiniens Präsidentin Regierungskrise nach Tod von Staatsanwalt Nisman

Der Tod von Staatsanwalt Alberto Nisman wirft viele Fragen auf, er hatte schwere Vorwürfe gegen die argentinische Präsidentin erhoben. Cristina Fernández de Kirchner droht die wohl größte Krise ihrer Amtszeit.

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80 Prozent der Argentinier glauben, der Fall Nisman werde dem Image von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchners schaden. Quelle: dpa

Buenos Aires Inmitten einer der größten Krisen ihrer Amtszeit gibt die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner ihrem Volk Rätsel auf. Zum mysteriösen Tod eines Staatsanwalts, der schwere Beschuldigungen gegen sie erhob, äußerte sie sich widersprüchlich. Zunächst schien sie der These eines Selbstmords von Alberto Nisman zu folgen, später sprach sie von einem ausgeklügelten Mordkomplott mit dem Ziel, ihre Regierung zu untergraben.

Nisman wurde am 18. Januar in seiner Wohnung in Buenos Aires tot mit einer Kugel im Kopf aufgefunden, neben ihm lag eine Pistole. Wenige Stunden später hatte der 51-Jährige vor dem Kongress seine Beschuldigungen gegen Kirchner erläutern wollen. Nisman ermittelte im Zusammenhang mit dem schwersten Terroranschlag in der Geschichte des südamerikanischen Landes.

Bei dem Sprengstoffattentat auf das größte jüdische Gemeindezentrum Argentiniens kamen 1994 insgesamt 85 Menschen ums Leben, mehr als 200 wurden verletzt. Nisman warf Kirchner vor, die Ermittlungen behindert und ein Geheimabkommen mit dem Iran geschlossen zu haben, um Beschuldigte zu schützen.

Erstmals in ihrer Amtszeit scheint Kirchner nun die Kontrolle zu entgleiten. „Es ist wohl der politisch schwierigste Moment in den zehn Jahren, die die Regierungspartei an der Macht ist“, sagt Rosendo Fraga, ein politischer Berater am soziopolitischen Studienzentrum Nueva Mayoría. „Cristinas letztes Amtsjahr wird nicht einfach sein.“

Viele Argentinier sagen, dass der mysteriöse Todesfall mit einer Erosion des Vertrauens in die Institutionen des Landes und in Kirchner zusammenfällt. „Ich bin deprimiert“, sagt Manuela Luís Dia, eine 54-Jährige, die Kirchner bei der letzten Wahl unterstützt hatte. „Wir wissen nicht, wem wir noch vertrauen können.“

Kirchner trat seit dem Tod Nismans nicht öffentlich auf, doch sie reagierte in sozialen Medien. In zwei längeren Postings wies sie die Beschuldigungen des Staatsanwalts scharf zurück und suggerierte, Nisman sei eine Schachfigur von Kräften, die ihrer Regierung schaden wollten – von Oppositionsparteien über eine kritische Zeitung bis hin zu abtrünnigen Geheimdienstagenten.

In einem ersten Brief vom Montag vergangener Woche deutete Kirchner zunächst an, dass sich Nisman das Leben genommen habe. Später brachte sie die Möglichkeit ins Spiel, dass ihn jemand manipuliert haben könnte, um die Beschuldigungen zu erheben. Drei Tage später erklärte sie, dass sie nicht länger an einen Suizid glaube. Vielmehr sei Nisman womöglich getötet worden. Von wem, ließ sie offen.

Zudem erklärte sie, Nisman habe vom früheren Chef der Geheimdienste falsche Informationen erhalten. „Sie benutzten ihn zu Lebzeiten, und dann brauchten sie ihn tot. Es ist so traurig und schrecklich“, schrieb die Präsidentin.

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