Asylbewerber in Deutschland Sammelabschiebung im Morgengrauen

Nachts klingeln Polizisten an Dutzenden Wohnungstüren: Abgelehnte Asylbewerber müssen zurück in die serbische Heimat. Die Aktion läuft in drei Ländern gleichzeitig – und soll künftig konsequent weitergeführt werden.

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Polizisten holen abgelehnte Asylbewerber am frühen Morgen in Leipzig ab. Sie werden in ihre Heimat abgeschoben. Quelle: dpa

Schkeuditz Um kurz vor sieben Uhr betreten vier Polizisten den Aufgang eines Mehrfamilienhauses im Leipziger Osten. Im Dachgeschoss überbringen sie den drei Bewohnern die Nachricht: Abschiebung, jetzt. Eine halbe Stunde später tragen die drei Serben ihre Habseligkeiten in drei Taschen im Morgengrauen zum Streifenwagen. Der 58 Jahre alte Mann, seine 54-jährige Frau und der 17 Jahre alte Sohn sind drei von 123 Menschen, die am Dienstag vom Leipziger Flughafen aus nach Belgrad zurückgeflogen werden.

Dass die Polizei gerade an diesem Morgen an ihrer Tür klingen würde, wusste keiner der abgelehnten Asylbewerber. Dass es theoretisch jederzeit passieren kann, schon, wie ein Sprecher des sächsischen Innenministeriums sagt. Alle hätten vorher Post mit der Ablehnung bekommen – mit der Aufforderung, das Land zu verlassen.

Die Regierungen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hingegen hatten den Termin genau abgestimmt, um gemeinsam eine gecharterte Maschine nach Serbien zu füllen. Die Länder organisierten bereits in den vergangenen Monaten mehrfach Sammelabschiebungen, etwa in das Kosovo oder nach Albanien.

 „Wir werden auch zukünftig unser Recht gegen all jene durchsetzen, deren Asylanträge bei uns abgelehnt wurden, die vollziehbar ausreisepflichtig sind und der Aufforderung zur Ausreise nicht freiwillig nachkommen“, erklärt der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU). „Dieses konsequente Handeln ist dringend notwendig, weil wir nur so Flüchtlingen, die tatsächlich unseren Schutz benötigen, langfristig helfen und erfolgreich integrieren können.“

Sachsen und Sachsen-Anhalt wollen künftig verstärkt gemeinsame Abschiebeaktionen organisieren, wie die Landesregierungen am Dienstag nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Merseburg verkünden. 1300 abgelehnte Asylbewerber hat Sachsen in diesem Jahr bisher abgeschoben, Sachsen-Anhalt knapp 900, in Thüringen sind es 200.


Im Transporter zum Flughafen

Bis die erfolglosen Asylbewerber aus Serbien am Dienstag gegen 12 Uhr mittags in den Flieger steigen, müssen sie noch einige Stationen durchlaufen. Der 58-Jährige und seine Familie aus dem Leipziger Osten werden zunächst in die Abteilung Zentraler Polizeigewahrsam in der Innenstadt gebracht – und warten dort, bis auch die anderen Serben aus Leipzig eintreffen.

Er sei krank, erzählt der Mann, und zeigt auf sein Knie. „Nicht gut“, das ist einer der wenigen Sätze, die er auf Deutsch sagt. Er habe sich ein besseres Leben erhofft – in Serbien habe seine Familie gar nichts. Später geht es im Transporter weiter zum Flughafen. Dort warten bereits Familien mit kleinen Kindern in Bussen. Sie sind aus Sachsen-Anhalt zum Flughafen in Schkeuditz gefahren worden.

Um 4 Uhr morgens begannen Dutzende Polizisten dort mit dem unangekündigten Klingeln und Abholen. 94 Menschen standen auf der Liste, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagt. 78 sind da und reisefähig. In Sachsen werden von 53 Menschen 32 abgeschoben. Aus Thüringen werden 13 Asylbewerber aus Serbien nach Schkeuditz gebracht.

In einer großen Halle, die früher von der US-Armee genutzt wurde, übernimmt die Bundespolizei die Asylbewerber. Identitäten werden kontrolliert, Reisepässe mit dem „Abgeschoben“-Stempel versehen, Gepäck überprüft.

Das Prozedere laufe wie bei anderen Flugreisen in Länder außerhalb des Schengenraums auch, erklärt Bernd Förster, Sprecher der Bundespolizei in Pirna. Eine Ausnahme: Handgepäck ist nicht erlaubt, aus Sicherheitsgründen. Nacheinander passieren die Serben die Personenkontrolle. Einige Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm haben verweinte Augen.

Dann kommt der Bus, die Gangway, der Flieger. Mit an Bord sind auch speziell geschulte Bundespolizisten, sogenannte Personenbegleiter Luft. 600 Beamte haben bundesweit die Zusatzausbildung, wie Sprecher Förster berichtet.

Sie seien für die englischen Verhandlungen mit den ausländischen Behörden geschult – und darin, was in schwierigen Situationen in den engen Kabinen zu tun sei. Zudem fliegen zwei Dolmetscher und zwei Ärzte sowie ein Seelsorger mit nach Belgrad – zurück in die Heimat.

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