Dass Donald Trump im Moment einen Lauf hat, kann man nicht ohne Weiteres behaupten. Sein Versuch einer Gesundheitsreform ist bei den eigenen Leuten schwer unter Beschuss. Mit seinen Vorwürfen, Vorgänger Barack Obama haben ihn abhören lassen, steht er alleine da. Und dann dies: Ein Bundesrichter im weit entfernten Hawaii torpedierte auf Antrag des Generalstaatsanwaltes des Bundesstaates sowie eines Imams Trumps zweiten Versuch eines Einreiseverbots - sein Kollege in Maryland folgte auf dem Fuß. Der große Fechter für sichere Grenzen und eine harte Hand bei der Einwanderung steht blamiert da.
„Diese Entscheidung lässt uns schwach aussehen“, analysierte der Präsident am Mittwochabend bei einer Kundgebung in Nashville (Tennessee) zutreffend. Vier Wochen hatte sich das Weiße Haus Zeit genommen, um nach der Niederlage vor Gericht Anfang Februar in San Francisco eine neue Version für ein Einreiseverbot für Flüchtlinge und Menschen aus sechs vorwiegend islamischen Ländern vorzulegen. Vor allem „kleine technische Änderungen“ seien notwendig, um die Juristen zu besänftigen, resümierte Trumps jugendlicher Berater und angeblicher Hauptautor des Einreisestopps, Stephen Miller. Nur Stunden vor dem geplanten Inkrafttreten am Donnerstag sagte das Gericht: Halt!
Viel mehr kann man sich nicht täuschen. Richter Derrick Watson vom US-District Court in Honolulu hatte sehr Grundsätzliches auszusetzen am dem, was Donald Trump als abgemilderte und den juristischen Erfordernissen des Berufungsgerichtes in San Francisco angepasste Version des Einreisestopps bezeichnete. Dieses Einreiseverbot richte sich sehr wohl gegen den Islam als Religion, weil die Menschen in den betroffenen sechs Ländern Iran, Jemen, Somalia, Sudan, Libyen und Syrien zu über 90 Prozent Muslime seien, erklärte Watson.
Donald Trump und seine „große, schöne Mauer“
Trump will auf dem gesamten Verlauf der 3200 Kilometer langen Grenze eine massive Mauer errichten. „Es wird kein Zaun, sondern eine Mauer“, bekräftigte er bei der Pressekonferenz am Mittwoch in New York. Sie soll bis zu 15 Meter hoch sein und aus Stahl und Beton errichtet werden. Nach einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) wären dafür 9,7 Millionen Kubikmeter Beton und 2,3 Millionen Tonnen Stahl nötig.
Experten rechnen mit Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe. Die bisherigen Grenzanlagen auf rund einem Drittel des Grenzverlaufs haben damals 2,5 Milliarden Dollar gekostet. Dabei handelt es sich überwiegend um Zäune an leichter zugänglichen Stellen. Das MIT rechnet mit Kosten von bis zu 40 Milliarden US-Dollar.
Zahlen muss zumindest zunächst einmal der US-Steuerzahler. Die Republikaner-Mehrheit im US-Kongress hat vermutlich die Möglichkeit, den Bau auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 2006 zu genehmigen und auch die Finanzierung freizugeben, ohne dass die Demokraten dies blockieren können. Trump hat allerdings immer wieder versprochen, er werde Mexiko dazu zwingen, für die Mauer zu bezahlen.
Bei der Pressekonferenz in New York sagte Trump, es gebe verschiedene Möglichkeiten, wie Mexiko die USA für die Baukosten entschädigen könnte. „Es könnte eine Steuer oder eine Zahlung sein.“ Denkbar wäre, dass die US-Regierung die Überweisungen von in den Vereinigten Staaten arbeitenden Mexikanern an ihre Familien in Mexiko mit hohen Abgaben belegt. Rund 25 Milliarden Dollar fließen pro Jahr über die sogenannten Remesas nach Mexiko - mehr als die Erdöleinnahmen.
Die mexikanische Regierung will nicht für die Kosten der Mauer aufkommen. „Natürlich wird Mexiko nicht für die Mauer zahlen“, sagte Präsident Enrique Peña Nieto nach Trumps Pressekonferenz. Auch Finanzminister José Antonio Meade betonte bereits: „Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass sie nicht im Budget steht.“
Zumindest in einigen Abschnitten lauern juristische Fallstricke. Teile des Grenzgebiets stehen unter Naturschutz, andere sind in Privatbesitz. Ein 75 Meilen langer Abschnitt zwischen dem US-Bundesstaat Arizona und Mexiko wird von dem Indianerstamm Tohono O'odham verwaltet. Nur der Kongress könnte das Gebiet aus dem Trust herauslösen - das gilt als so gut wie unmöglich.
Auf rund 1000 Kilometern wird die Grenze bereits mit einem Grenzzaun geschützt. Zudem gibt es Kameras, Drohnen und Tausende Grenzschutzbeamte, die an der Grenze patrouillieren. Hinzu kommen natürliche Barrieren wie große Wüstengebiete, der Rio Grande oder der Nationalpark Big Bend in Texas.
Sie soll die illegale Einwanderung in die USA verhindern. „Mexiko schickt uns nicht seine Besten. Es sind Drogenhändler und Vergewaltiger“, sagte Trump im Wahlkampf. Tatsächlich ist die Netto-Einwanderung aus Mexiko in die USA wegen der sinkenden Geburtenquote, besserer Chancen in Mexiko und der schleppenden US-Wirtschaft bereits seit 2012 negativ.
Experten bezweifeln das. „Eine stärkere Grenzsicherung erhöht die Kosten eines illegalen Grenzübertritts, was dazu führt, dass die Menschen länger in den USA bleiben müssen, um die Reise profitabel zu machen“, sagt der Soziologe Douglas Massey von der Universität Princeton. Während Saisonarbeiter früher nur für die Ernte in die USA kamen und danach wieder nach Mexiko zurückkehrten, bleiben sie heute meist in den Vereinigten Staaten, weil sie befürchten müssen, es in der nächsten Saison nicht wieder in die USA zu schaffen.
Und Trump hat es zumindest zum Teil sich - oder besser gesagt seinem losen Mundwerk - zuzuschreiben, dass es so kommen musste. Der Richter warf Trump in der schriftlichen Begründung seiner Entscheidung vor, im Wahlkampf nicht zwischen unbescholtenen Muslimen und radikalen Islamisten unterschieden zu haben. Er habe offen von einem „Muslim-Bann“ gesprochen. Und noch mehr: Seinen Berater Rudy Giuliani habe er angewiesen, einen solchen rechtlich so wasserdicht zu machen, dass er einer Klage standhalten würde.
Donald Trump ist nun schon fast 60 Tage Präsident der Vereinigten Staaten. Wenn ein temporäres Einreiseverbot noch irgendeinen Sinn haben soll, dann muss er es nun schnell durchsetzen. Kritiker seiner Migrationspolitik halten ihm vor, das Land sei bisher ganz gut gefahren, auch ohne das Inkrafttreten seines umstrittenen Dekrets - egal in welcher Version.
Und: Wenn die Regierung prüfen will, ob ihre Methoden zur Überprüfung von Einwanderern noch die richtigen sind, dann möge sie das doch bitteschön tun. Einen Einreisestopp brauche es dafür jedoch nicht, argumentiert Alexander Vershbow vom Think Tank Atlantic Council.
Die Wahlversprechen Donald Trumps
- Schaffung von 25 Millionen Jobs in der ersten Amtszeit
- Bau einer Mauer auf der kompletten Grenze zu Mexiko, für die Mexiko bezahlt
- Abschiebung von zwei Millionen illegalen Immigranten
- „Extreme Überprüfung“ aller Einreisenden
- Einstellung von Visa an Angehörige von Staaten, die „kriminelle illegale Einwanderer“ nicht „zurücknehmen“
- Verschärfung der Visa-Regeln
- Die Gesundheitsversicherung Obamacare soll abgeschafft und ersetzt werden
- Das Handelsabkommen Nafta soll neu verhandelt werden
- Rückzug aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP
- Auswahl eines Richters von einer Vorschlagsliste mit 20 Namen
- Für jede neue Regulierung sollen zwei alte abgeschafft werden
- Reduzierung der Steuerklassen von sieben auf drei
- Runterfahren der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent
- Aufhebung der „Begrenzungen“ für Jobs in der Energiebranche
- Wiederbelebung gestoppter Energie-Infrastrukturprojekte wie der Keystone-Pipeline
- Einstellung der Zahlungen an UN-Klimaprogramme
- Strafzölle für Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlegen
- Ausweitung des Militäretats
- Die US-Wirtschaft soll um vier Prozent wachsen
Je mehr Zeit vergeht, desto mehr droht Trumps Prestigeprojekt als Schaufensterpolitik enttarnt zu werden. „Die Regierung hat keinen Beweis vorgelegt, dass irgendein Migrant aus einem der betroffenen Länder die Absicht verfolgt hat, in den Vereinigten Staaten eine Terrorattacke durchzuführen“, heißt es in dem Urteil des Berufungsgerichtes aus San Francisco.
Das Innenministerium selbst hat Studien vorliegen, die sehr stark nahelegen, ein Einreiseverbot für sechs Länder mache keinen Sinn. Die Nationalität von Migranten gebe keine Auskunft über die Möglichkeit ihrer späteren Radikalisierung. Das Justizministerium spricht zwar von rund 300 Flüchtlingen, gegen die wegen möglicher terroristischer Pläne Untersuchungen laufen. Es sagt aber weder, wo diese herkommen, noch, ob es je zu einer Anklage gekommen ist.
Trump sind jetzt bei der Migrationsfrage die Wege verstellt - auch wegen seiner aggressiven Rhetorik. Er hat nicht nur Richterschelte betrieben, sondern auch trotzig erklärt, er wolle jetzt zur ersten, schärferen Version seines Dekrets zurück. Der Pfad, den er juristisch beschreiten kann, wird schmaler.
Geht er gegen die Entscheidung in Hawaii in Berufung, landet er wieder vor demselben Gericht in San Francisco, wo er schon einmal verloren hatte. Außerdem riskiert er, dass seine Juristen an mehreren Fronten kämpfen müssen. Das Beispiel Einreisestopp scheint ihm auch die Grenzen seines Anti-Establishments-Feldzuges aufzuzeigen: Allein gegen das gesamte System geht auf Dauer auch für Trump nicht.
Im Bundesstaat Washington droht in Kürze ein weiteres Urteil, das durchaus ähnlich wie in Hawaii und Maryland ausfallen könnte. Notfalls werde er vor den Supreme Court ziehen, den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, kündigte Trump an. Das Justizministerium, geführt von seinem engen Vertrauten Jeff Sessions, sicherte ihm Unterstützung zu. Ein Spiel mit hohem Einsatz. Trumps Zustimmungswerte sind weiter historisch schlecht.