Einblick

Radikal unsicher

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Rationalität zählt wenig, wenn die Welt aus den Fugen gerät. Deshalb kann auch ein Donald Trump Präsident werden.

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Donald Trump. Quelle: REUTERS

Vor dem Brexit hat es auch kaum einer geglaubt. „Nein, die Briten, sie werden doch nicht, kann nicht, darf nicht sein.“ Und dann: Überraschung. Schock. Jetzt schaut die britische Industrie mit Sorgen in die Zukunft, und Frankfurt macht sich Hoffnung auf viele neue Banker-Jobs.

Der Überraschungseffekt könnte sich wiederholen. „Die Amerikaner, sie werden doch nicht, die Frauen, die Schwarzen, die Latinos, sie können doch nicht Donald Trump wählen.“ Doch, sie können. Der US-Sender CNN sah Trump zuletzt drei Prozentpunkte vor Mitbewerberin Hillary Clinton. Autsch.

Die Eliten in ihrer Meinungsblase, die Berufspolitiker, Berater, die ganzen Thinktanks und, ja, auch viele Journalisten fahren zu selten U-Bahn. Zu weit weg vom Normalbürger, vom durchschnittlichen Wähler, als dass dessen Stimmung, abseits von dem, was er in Meinungsumfragen sagt, noch registriert würde. International orientierte und mobile Globalisierungsgewinner, in deren Altbauvierteln Philippinas putzen, Polen die Wände streichen und syrische Flüchtlinge höchstens mal zu Sprach-Nachhilfekursen erscheinen, bevor sie wieder in ihre Container am Stadtrand verschwinden, schotten sich ab und blenden aus, was nicht sein darf.

„Wir werden eine große Mauer bauen!“
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat sich seinen Landsleuten als Garant für "Recht und Ordnung" präsentiert. Quelle: dpa
In der Rede nahm der 70-Jährige die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten förmlich an. Quelle: AP
Trump Quelle: dpa
Donald Trump: Quelle: AP
Donald Trump: Quelle: REUTERS
Szene von der Republican National Convention Quelle: REUTERS
Trump sprach gezielt sozial Benachteiligte an. Quelle: dpa

Ist der Schock dann da, wird eben die direkte Demokratie dämonisiert und das Prinzip der Repräsentation hochgehalten: So sensible Fragen wie den EU-Austritt solle doch besser nicht das Volk entscheiden. Kein Wunder, dass dieses Volk sich dann nicht gerade bei den Eliten bedankt.

Und so könnte ein Donald Trump obsiegen, nach oben getrieben von der Wut über das Establishment, das seine Gegenkandidatin Hillary Clinton so perfekt verkörpert, und dem Wunsch nach Abschottung von all den Gefahren dieser unübersichtlichen Welt. Terrornachrichten aus Würzburg, Ansbach, Reutlingen, Nizza oder Rouen werden diesen Wunsch nach Sicherheit und Abschottung noch verstärken. Desgleichen weltpolitische Krisen: Die autoritäre Revolution des Recep Tayyip Erdoğan, der Ukrainekrieg des Wladimir Putin, der Massenmord des Baschar al-Assad, das Säbelrasseln Chinas im Südchinesischen Meer.

Rationaler wäre es, in solchen Situationen die erfahrene Außenpolitikerin Clinton zu wählen, so wie es rationaler wäre, als Industriearbeiter die Kandidatin zu wählen, die allen eine Krankenversicherung verschaffen will. So wie es rationaler gewesen wäre, gegen den Brexit zu stimmen.

Sieben Punkte, in denen Donald Trump Recht hat
Eine Hand mit Geldscheinen Quelle: dpa
Schwarzgeld
Ted Cruz Quelle: dpa
Vor dem Capitol in Washington D.C. weht die US-Fahne. Quelle: dpa
Die USA und China sind Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: REUTERS
Einwanderungsland USA Quelle: imago images

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Wer die Welt aus den Fugen geraten sieht, der möchte keine rationalen, auch keine materiellen Argumente. Der möchte Lösungen, vor allem aber: ernst genommen werden. Wir leben in einer Phase „radikaler Unsicherheit“, hat der ehemalige britische Notenbankgouverneur Lord Mervyn King festgestellt. Wenn dem so ist, erübrigen sich Prognosen, es gibt keine Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse zu identifizieren.

Politische Überraschungen wie der Brexit oder die mögliche Wahl von Donald Trump sind Ausprägungen dieser maximalen Unsicherheit. Solche politischen Variablen fließen nicht in ökonomische Prognosen ein, können Weltwirtschaft und Finanzmärkte aber massiv erschüttern. Politiker wie Investoren tun gut daran, diesem Phänomen mit Demut zu begegnen.

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