Emirat am Persischen Golf Katar trotzt der Wirtschaftsblockade

Seit mehr als vier Wochen wird Katar von vier arabischen Nachbarn wirtschaftlich isoliert. Doch das reiche Emirat lebt weiter auf großem Fuß – und Emir al-Thani freut sich über wachsenden Rückhalt aus der Bevölkerung.

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Auch in der Hauptstadt Doha ist von der Wirtschaftsblockade der Nachbarstaaten des Emirats kaum etwas zu spüren. Quelle: dpa

Doha Mehr als vier Wochen schon dauert die Blockade Katars durch vier arabische Nachbarstaaten, doch in den schillernden Einkaufspassagen und Luxushotels des energiereichen Emirats am Golf ist von Mangel keine Spur: Exklusive Boutiquen offerieren die neuesten Modetrends für den Sommer, die Lebensmittelläden sind gefüllt mit Fleisch und Käse aus Europa und der Türkei, und im Juni kamen am Port Hamad, dem Hafen der Hauptstadt Doha, 4300 Autos an.

Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten kappten Anfang Juni ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar und sperrten Luftraum und Schiffsrouten, weil das winzige Golfemirat islamistische Gruppen in der Region unterstützt, die viele seiner Rivalen als Terroristen einstufen.

Katar weist die Vorwürfe zurück und verurteilte die Blockaden als Angriff auf seine Souveränität.

„Wir merken keinen Unterschied“, sagt der Katarer Badr Dscheran beim Einkaufen in der Mall. „Überall wird gefeiert.“ Wenn die arabischen Nachbarstaaten mit der Isolierung Katars einen Regierungswechsel in Doha erzwingen wollten, so haben sich diese Hoffnungen wohl zerschlagen: Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, der 37-jährige Emir Katars, kann sich über eine Solidaritätswelle in der Bevölkerung freuen – auf Autos und Werbetafeln prangt der Slogan: „Wir alle sind Tamim. Wir alle sind Katar.“

Nachdem Saudi-Arabien die einzige Landgrenze Katars dicht gemacht hatte, stürmten besorgte Einwohner zunächst die Läden und kauften bei Milchprodukten und anderen importierten Nahrungsmitteln die Regale leer, doch waren diese schnell wieder aufgefüllt. In Luxushotels wie dem St. Regis in Doha kann rund um die Uhr fürstlich gespeist werden, und für Besucher fließt nach wie vor der Alkohol. 2022 will Doha die Fußballweltmeisterschaft ausrichten, in der vergangenen Woche trafen sich die Fußballstars Gerard Piqué, Sergio Busquets und Jordi Alba aus Barcelona mit Fans in einem Einkaufszentrum.


Strategisches Investment und Erdgas als Schlüssel zum Erfolg

Dass Katar die Blockade wegsteckt, liegt vor allem an vier Faktoren:

Geld

Fast von Beginn an dokumentiert ein Twitter-Account namens „DohaUnderSiege“ den Alltag während der Blockade. Ein Post zeigt ein gut bestücktes Hotelbuffet und kommentiert augenzwinkernd: „Die Leute stehen schon Schlange nach Brot. Ich habe persönlich gesehen, wie einige Männer mittleren Alters sich beim Frühstück ums letzte Baguette gerauft haben.“

Die ironischen Posts richten den Blick auf den sagenhaften Reichtum Katars. Laut Pro-Kopf-Vermögen ist der Wüstenstaat eine der reichsten Nationen der Welt, seine Bürger sind im Durchschnitt sogar vermögender als die der benachbarten Golfstaaten.

Bei einer Bevölkerung von rund zwei Millionen Menschen sind nur etwas mehr als eine Viertelmillion katarische Bürger, auf die der Staat seinen Reichtum großzügig verteilen kann. Katar hat rund 340 Milliarden Dollar (297 Milliarden Euro) Reserven, rund 40 Milliarden Dollar nach Angaben des Gouverneurs der Zentralbank Scheich Abdullah Saud Al-Thani als Bargeld plus Gold und 300 Milliarden Dollar bei der Qatar Investment Authority.

Der Staatsfonds investierte über die Jahre strategisch in internationale Luxusmarken und Immobilien in Weltstädten wie New York und London.

Energie

Katars wichtigste Einkommensquelle ist sein Erdgas, das weiterhin ununterbrochen strömt. Katar ist der größte Produzent von Flüssiggas, das es mit Gastankern in alle Welt exportiert. Eine Unterwasser-Pipeline versorgt Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate mit Gas. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind auf Katars Gas angewiesen, obwohl sie die diplomatischen Beziehungen zu Doha einstellten.

Die Krise habe den Katarern als „eine gute Art Probelauf“ gedient, um einzuschätzen, wie sie ihre Wirtschaft im Notfall managen können, glaubt Noha Abueldahab, Gastwissenschaftlerin an der Denkfabrik Brookings Doha Center. Zwar koste es die Behörden mehr, Nahrungsmittel und andere Güter auf Umwegen per Schiff oder Flugzeug ins Land zu holen, doch die Verbraucher spürten davon noch nichts.

Nach eigenen Angaben puffert der Staat im Moment ums Zehnfache gestiegene Transportkosten für Nahrungsmittel und Medikamente ab.


Tomaten und Gurken aus der Wüste

Hilfe von Freunden

Die Türkei als Katars Verbündete, Nachbar Iran und Marokko sind in die Bresche gesprungen, um Versorgungslücken zu schließen. Statt Milch der saudi-arabischen Marke Almarai stehen jetzt Molkereiprodukte aus der Türkei in den Regalen.

Einer der Gründe für die Blockade sind die Beziehungen Katars zum Iran, mit dem es ein riesiges Erdgasfeld im Persischen Golf teilt. Doch auch hier wirken die Sanktionen anders als geplant: Der Iran hielt seinen Luftraum offen, so dass Qatar Airways und andere Fluggesellschaften die gesperrten Luftsektoren umfliegen können.

Außerdem haben frühere Investitionen in Wüsten-Landwirtschaftsprojekte geholfen, eine Nahrungsmittelkrise in Katar zu verhindern: Trotz des heißen, trockenen Klimas bauen katarische Landwirte Bio-Gemüse wie Tomaten, Gurken, Zucchini, Auberginen und Champignons in Gewächshäusern an.

Neue Verkehrsverbindungen

Seit Bekanntgabe der Blockade am 5. Juni eröffnete Katar fünf neue Schiffsrouten – zwei nach Oman, zwei nach Indien und eine in die Türkei. Der Reederei-Gigant Mærsk Line, der zuvor den Großteil seiner für Katar bestimmten Fracht über den Dubaier Hafen Dschabal Ali in den Vereinigten Arabischen Emiraten abwickelte, versorgt Katar jetzt via Oman.

Dohas nagelneuer Hafen Port Hamad südlich der Hauptstadt arbeite mit „voller Kapazität“, betont Hafendirektor Abdelasis Nasser Al-Jafei. Die Anlage ist Teil eines 7,4 Milliarden-Dollar-Infrastrukturprojektes und erst seit Anfang Dezember voll in Betrieb. Im Juni landeten 212 Schiffe in Port Hamad 24.000 Container, 4300 Autos, 61.000 Stück Vieh und 6400 Tonnen Baumaterial an. An einem Abend im Juli entluden fünf große Schiffe Schafe aus Australien, Nahrungsmittel aus der Türkei und Autos aus Südkorea.

Die Versorgung per Luftfracht erledigt unter anderem die nationale Fluglinie Qatar Airways, die als eine der größten Fluggesellschaften der Region 200 Flugzeuge betreibt, darunter 21 Frachtmaschinen.

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