Gestern begann der diesjährige G7-Gipfel in Japan, genauer gesagt auf der Halbinsel in Ise Shima, einer religiösen Kultstätte Japans. Passend zur dezentralen Lage hat die Weltöffentlichkeit diesen Gipfel im Vorfeld weitgehend ignoriert. Zu unwichtig erscheint das Treffen der Staatschefs bzw. Chefin der bedeutendsten Industrienationen vor dem Hintergrund der zahlreichen Krisen, die es zur Zeit weltweit zu konstatieren gilt. Offenbar traut man den Führungskräften der Industrieländer nicht viel zu.
Dabei gibt es viel zu besprechen und zu regeln. Stichworte sind Flüchtlingsprobleme und desintegrative Bestrebungen in Europa, Streitigkeiten der Europäischen Union mit den Autokraten in Russland und in der Türkei, Krieg in Syrien, Territorialkonflikte in Asien, die Umsetzung der Klimabeschlüsse und eine immer noch recht lahme Weltwirtschaft. Nun lässt sich nicht alles auf einmal regeln, doch gibt es durchaus starke Signale, die der G7-Gipfel aussenden kann und die zum neudeutsch formuliert “Game-changer“ werden könnten.
Schneller schlau: Die G7
Die Weltwirtschaftskrise brachte 1975 Bundeskanzler Helmut Schmidt und den französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing auf die Idee eines Gipfeltreffens der größten Industrienationen. Das Ziel: Die Erörterung der weltwirtschaftlichen Lage und die Suche nach Lösungsansätzen für globale Probleme.
Beim ersten Gipfeltreffen auf Schloss Rambouillet bei Paris trafen sich die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, der USA, Großbritannien, Japan und Italien. Ein Jahr später kam Kanada hinzu. Aus der „Gruppe der Sechs“ wurde die G7.
Russland erhielt 2002 die Vollmitgliedschaft, die G8 existierte aber nur bis 2013. Wegen der russischen Annexion der Krim platzte 2014 der Gipfel im russischen Sotschi am Schwarzen Meer. Die G7 tagte stattdessen ohne Russland in Brüssel. Eine Rückkehr zur G8 ist derzeit kein Thema.
Stand: August 2023
In der Anfangszeit ging es bei den jährlichen Gipfeln vor allem um Wirtschaftsthemen. Die Treffen wurden deswegen auch Weltwirtschaftsgipfel genannt. Heute stehen meist internationale Krisen im Vordergrund.
Die G7 trifft keine verbindlichen Beschlüsse. Das Abschlussdokument hat keinen verbindlichen Charakter. Es geht bei den Treffen vor allem um einen Gedankenaustausch über die wichtigsten Themen dieser Welt.
Der Vorsitz der Gruppe rotiert. Jedes Jahr finden die Gipfel in einem anderen Mitgliedsland statt.
Da wäre zunächst das Flüchtlingsproblem, das nicht nur in den Herkunftsländern der vielen Flüchtenden ein Drama bezeugt, sondern auch in den Zielländern für interne Probleme sorgt. Es wird offenkundig, dass sich das Problem nicht an der türkisch-griechischen Grenze lösen lässt. Dazu scheint gerade beim türkischen Präsidenten keine Bereitschaft zu bestehen. Das Problem besteht weltweit, darauf hat die Europäische Union (EU) gestern verwiesen und entsprechende Forderungen gestellt, weltweit und hat seine Ursachen in den Entwicklungsländern und dem Krisenherd in Nordafrika.
Und in der Tat zeigt ein Blick in den von der G7 veröffentlichten Fortschrittsbericht zu den auf dem Gipfel 2009 in Italien eingegangenen Verpflichtungen, dass das Entwicklungsproblem weiterhin im Zentrum der Arbeit der G7 steht und ernst genommen wird. Allerdings zeigt sich auch, dass die Strategie konventionell bleibt. Es werden Output-Größen (Zugang zu Bildung, Gesundheit und Wasser etc.) definiert und Zwischenergebnisse auf dem Weg dorthin präsentiert (zumeist mit positivem Urteil). Es ist unbestritten, dass viele Entwicklungsländer sich zum Positiven verändern, der Anteil der G7 daran ist jedoch bislang eher bescheiden.
In Europa droht darüber hinaus eine Desintegration, wenn es nicht gelingt, Großbritannien in der EU zu halten, und wenn die Geldpolitik weiterhin, d.h. über einen längeren Zeitraum dazu missbraucht wird, Reformen zu verhindern. Der erste Fall ist klar und für alle Beobachter offensichtlich, während das Problem der durch Geldpolitik unterstützten Reformunwilligkeit bislang kaum wahrgenommen wird.
Man könnte die Sorgen der Bürger und ihre Hinwendung zu Anti-Establishment-Parteien mit simplen, aber unzureichenden Lösungen, bei gleichzeitiger tiefer Krise der meisten Regierungsparteien, aber durchaus als Indiz dafür betrachten. Denn es ist naiv zu glauben, mit einer Beendigung der Flüchtlingskrise verschwänden die AfD oder der Front National wieder.