Schafft sie es oder schafft sie es nicht? Die Bundesrepublik schaut gespannt auf die Bekanntgabe des Trägers des Friedensnobelpreises 2015. Sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel es schaffen, wäre dies das erste Mal nach Willy Brandt 1971, dass der Preis nach Deutschland geht. Merkel gilt mittlerweile als Geheimfavoritin. Sie wurde von einem CDU-Kollegen nominiert, aufgrund ihres Engagements in der Flüchtlingspolitik Europas. Experten attestieren ihr moralische Führungsstärke in einer kritischen Zeit, in der sich andere Politiker eher wegduckten. Einer, der auf Merkel setzt, ist Kristian Berg Harpviken, Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio. Allerdings sind seine Voraussagen, die er jedes Jahr zum Friedensnobelpreis tätigt, alles andere als zuverlässig. In der Vergangenheit lag er mit seinen Prognosen meist daneben.
Wettbegeisterte Briten heizen die Gerüchte an
Dann gibt es da noch die wettbegeisterten Briten. Sie räumen der Kanzlerin ebenfalls beste Chancen ein. Das bestätigt der aktuelle Wettkurs bei zwei der bekanntesten britischen Online-Wettbüros Ladbrokes und William Hill. Dort führt sie die Liste der Nominierten mit einer Quote von 2:1 mit einigem Abstand an. Ihre Mitkandidaten, der kongolesische Arzt und Menschenrechtler Denis Mukwege, der schweizerische Priester Mussie Zerai, die russische Investigativzeitung Nowaja Gaseta und Papst Franziskus folgen mit einigem Abstand mit Kursen von 5:1 beziehungsweise 6:1. Wer also auf Angela Merkel wettet, der gewinnt für einen Euro Einsatz nur einen weiteren Euro. Je geringer die Quote, desto wahrscheinlicher erscheint es den Wettanbietern, dass die Person wirklich gewinnt. So zumindest die Theorie.
Zehn Mythen über den Nobelpreis
Richtig. Adolf Hitler wurde 1939 von dem schwedischen Abgeordneten E.G.C. Brandt für den Preis nominiert, der „Brüderlichkeit unter den Nationen“ und weltweite Abrüstung vorantreiben soll. Brandt zog die Nominierung später zurück und erklärte, sie sei satirisch gemeint gewesen. Die Episode zeigt, dass praktisch jedermann nominiert werden kann. Über die Aussichten, den Preis tatsächlich zu bekommen, sagt eine Nominierung nichts aus.
Falsch. Der Friedensnobelpreis wird, wie von Alfred Nobel verfügt, in Oslo verkündet und verliehen. Warum Nobel das so wünschte, ist nicht bekannt.
Richtig. Der Preis für Wirtschaftswissenschaften zählte nicht zu den fünf Auszeichnungen, die Alfred Nobel in seinem Testament für die Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden forderte. Er wurde 1968 zu Ehren Nobels von der schwedischen Zentralbank gestiftet. Er wird gemeinsam mit den anderen Preisen bekanntgegeben, ist mit demselben Preisgeld in Höhe von acht Millionen schwedischen Kronen (878.000 Euro) dotiert und wird bei der jährlichen Nobelpreiszeremonie im Dezember verliehen. Doch formal ist er kein Nobelpreis. Der offizielle Name lautet „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank“.
Richtig. Das Geschlecht spiele bei ihrer Entscheidung über die Preisträger jedoch keine Rolle, sagen die Nobel-Juroren. Das Verhältnis spiegele nur die historische Dominanz von Männern in vielen Forschungsbereichen wider.
Falsch. Seit 1974 werden von den Preiskomitees nur lebende Personen berücksichtigt. 2011 machte die Nobelstiftung allerdings eine Ausnahme: Erst unmittelbar nach der Bekanntgabe des Preises für Medizin hatte sich herausgestellt, dass einer der Geehrten, der kanadische Immunforscher Ralph Steinman, wenige Tage zuvor gestorben war. Die Stiftung beließ es bei der Entscheidung, Steinmans Anteil am Preisgeld ging an seine Hinterbliebenen.
Falsch. Die Französin Marie Curie gewann 1903 den Preis für Physik und 1911 den für Chemie. Der US-Chemiker und Friedensaktivist Linus Pauling erhielt 1954 den Nobelpreis für Chemie, acht Jahre später wurde er mit dem Friedensnobelpreis geehrt.
Falsch. Der redegewandte, konservative britische Politiker Winston Churchill erhielt zwar einen Nobelpreis, allerdings in der Kategorie Literatur. Er wurde damit 1953 „für seine meisterlichen historischen und biografischen Schilderungen sowie für brillante Rhetorik bei der Verteidigung erhabener menschlicher Werte“ ausgezeichnet.
Falsch. Die Nobelstatuten besagen, dass die Auszeichnungen unter mehreren Preisträgern aufgeteilt werden können, doch in keinem Fall „darf eine Preissumme unter mehr als drei Personen aufgeteilt werden“.
Richtig. Die Nobelstatuten sind diesbezüglich eindeutig. Wer einen Nobelpreis bekommen hat, behält ihn für immer. Paragraf 10 lautet: „Gegen die Entscheidung eines Preisgremiums dürfen keine Einsprüche bezüglich der Zuerkennung eines Preises erhoben werden.“ Online-Petitionen, die zum Entzug eines bestimmten Preises aufrufen, sind daher wirkungslos.
Falsch. Es gibt keine Obergrenze, wie oft jemand mit einem Nobelpreis geehrt werden kann. Der US-Wissenschaftler John Bardeen gewann den Preis für Physik zweimal, 1956 und 1972. Der britische Biochemiker Frederick Sanger erhielt zwei Preise für Chemie, 1958 und 1980.
Komisch jedoch, dass die Quoten beim Wettanbieter Paddy Power ganz anders aussehen. Hier liegt Merkels Quote bei 12:1 und die bereits genannten Kandidaten liegen alle mit weitaus niedrigeren Quoten vor ihr. „Die Berechnung von Wettquoten erfolgt bei uns immer auf Basis von zwei Komponenten, die Nachfrage der Wettenden und die Aussagen von Meinungsführern und Experten in der bestimmten Kategorie“, erklärt Joe Crilly, Sprecher von William Hill.
Es bleibt ein Glücksspiel
Die großen Unterschiede lassen sich relativ einfach erklären. Denn: Wahrscheinlichkeiten für den Nobelpreis zu errechnen, gestaltet sich vergleichsweise schwierig. Entsprechend unpräzise sind die Ergebnisse. Hier zieht William Hill Aussagen in Foren und von Experten mit in die Berechnung, die jedoch keine große Aussagekraft haben.
Anders als beim Fußball oder bei Pferderennen, wo man auf große Datenmengen und Erfahrungswerte wie Leistungen oder Verletzungen aus der Vergangenheit zurückgreifen kann, hängt der Erfolg beim Nobelpreis alleine von der Entscheidung des fünf-köpfigen norwegischen Nobel-Komitees ab.
Dieses Komitee wird vom Norwegischen Parlament ernannt, analog zur Sitzverteilung der politischen Parteien. Beraten wird das Komitee von zusätzlich nominierten Experten. Die Entscheidung fällt durch Mehrheitsbeschluss. Die Sitzungen sind nicht öffentlich und es dringt nichts nach außen. So fehlt ganz einfach die notwendige Datenbasis, um Wahrscheinlichkeiten verlässlich berechnen zu können. Das gibt auch Crilly offen zu: „Über den Friedensnobelpreis verfügen wir über vergleichsweise wenig Wissen.“ Bedeutet somit, dass die Wettquoten hauptsächlich auf Spekulationen aus dem Netz basieren sowie der Meinung der Wettenden.
Je mehr Menschen also auf Merkel setzen, desto geringer werden ihre Auszahlungsquoten, aber natürlich steigert das nicht Merkels Chancen. Denn dass das Komitee sich davon in irgendeiner Weise beeinflussen lässt, darf bezweifelt werden.
Selbst in den Augen des Wettbüros William Hill sind die Nobelpreiswetten eher ein Glücksspiel: „Die Trefferquote bei den Nobelpreiswetten in den vergangenen 15 Jahren liegt bei ungefähr 30 Prozent“, sagt Crilly. Immerhin.