Gemeinsame Verteidigung Pesco - Die militärische Union Europas

Der Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion kommt in großen Schritten voran. Die EU will sich in militärischen Belangen nicht mehr auf die USA verlassen müssen. Lässt sich dieses Ziel erreichen?

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Berlin Am Montag haben sich die Außen- und Verteidigungsminister Deutschlands und 22 anderer EU-Staaten zu einer Verteidigungsunion verpflichtet. Bei einer feierlichen Zeremonie in Brüssel unterschrieben die EU-Staaten ein Dokument, das sie zu einer weitgehenden militärischen Zusammenarbeit verpflichtet. Sie soll die EU unabhängiger von den USA machen und zu einer engen Kooperation bei Rüstungsprojekten führen.

„Es war für uns wichtig – gerade nach der Wahl des amerikanischen Präsidenten – uns eigenständig aufzustellen“, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Wenn es eine Krise gibt in unserer Nachbarschaft, müssen wir handlungsfähig sein.“ Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sprach von einem „Meilenstein der europäischen Entwicklung“. Die geplante Zusammenarbeit sei ein „großer Schritt in Richtung Selbstständigkeit und Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU“.

Die ständige strukturierte Zusammenarbeit soll offiziell im Dezember starten. Erste konkrete Projekte könnten der Aufbau eines europäischen Sanitätskommandos oder die Einrichtung von gemeinsamen Logistikdrehscheiben für den Transport von Truppen und Ausrüstung sein. Etwa zur gleichen Zeit sollen sie sich auf die Details des neuen, voraussichtlich fünf Milliarden Euro schweren Verteidigungsfonds verständigen. Dieser soll die gemeinsame Entwicklung neuer Rüstungstechnologien erleichtern. Parallel dazu beginnt die Europäische Verteidigungsagentur (EDA), mit den zuständigen Ministerien die nationale Fähigkeitsplanung durchzusprechen. Die Agentur will ein Bild davon bekommen, was die EU militärisch leisten kann – und vor allem: was nicht.

Mehr als 60 Jahre nachdem die Nachkriegspläne für eine europäischen Verteidigungsgemeinschaft an Frankreich gescheitert sind, ist nun der erste Grundstein gelegt. Es sind vor allem Berlin und Paris, die aufs Tempo drücken. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Eckpunkte für die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (englisch abgekürzt Pesco) noch in der letzten Sitzung der schwarz-roten Regierung im Oktober beschließen lassen.

Unter Führung von Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sind Deutschland und Frankreich bereit, ihre über Jahrzehnte gepflegten strategischen Unterschiede zurückzustellen: Während Paris oft kurz entschlossen militärisch in Konflikte eingriff, vor allem in Afrika, übten sich erst Bonn und dann Berlin historisch bedingt in Zurückhaltung und bevorzugten die Diplomatie.

Die unterschiedliche Kultur bremste bis zuletzt die Verhandlungen um die Pesco. Frankreich drängte auf möglichst ambitionierte Vorgaben für die Teilnahme, um die Schlagkraft gemeinsamer Missionen zu erhöhen. Deutschland bremste mit dem Argument, dann blieben viele kleinere Mitgliedstaaten wegen fehlender Ausrüstung ihrer Streitkräfte außen vor. Inzwischen hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt, berichten EU-Diplomaten: 23 EU-Staaten verpflichten sich mit der Unterschreibung des Dokuments auch zur Einhaltung von 20 konkreten Teilnahmebedingungen. Dazu gehören eine regelmäßige Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die Beteiligung an gemeinsamen Rüstungsprojekten und die Bereitstellung von Soldaten für die Krisenreaktionskräfte der EU. Letztere wurden 2007 als EU-Battlegroups aufgestellt, kamen bislang aber noch nie zum Einsatz.

Zu den Ländern, die sicher nicht bei der ständigen strukturierten Zusammenarbeit dabei sein werden, zählen Dänemark und Großbritannien. Dänemark beteiligt sich traditionell nicht an der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Großbritannien will 2019 aus der EU ausgetreten sein. Irland, Malta und Portugal hatten sich bis Montag noch nicht entschieden.

Deutschland verpflichtet sich laut Kabinettsbeschluss, die Bundeswehr besser auszurüsten, dafür die Verteidigungsausgaben zu erhöhen sowie Geld für den europäischen Verteidigungsfonds bereitzustellen. Außerdem ist die Regierung bereit, sich mit anderen Staaten auf gemeinsame Standards für die Fähigkeiten der Bundeswehr, neue Rüstungsgüter, die IT-Systeme sowie die schnelle Verlegefähigkeit von Streitkräften zu verständigen. Die Einhaltung dieser Pflichten darf die EU jährlich prüfen.

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