IHS-Chefökonom in Davos "Meine größte Angst: Hohe Inflation – und zwar schon bald!"

Davos: der Schauplatz des World Economic Forum (WEF). Quelle: REUTERS

Der Chefökonom des Analyseunternehmens IHS, Nariman Behravesh, rechnet mit rascher Geldentwertung, einer baldigen Entzauberung des Trump'schen Steuerfeuerwerks – und einem Handelskrieg zwischen den USA und China.

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WirtschaftsWoche: Herr Behravesh, Sie haben hier in Davos verfolgt, wie der Internationale Währungsfonds zwei Jahre voll üppigen Wirtschaftswachstums auf der Welt ankündigte. Dennoch werden beim Weltwirtschaftsforum in Davos überall Krisen diskutiert. Was stimmt denn nun?
Nariman Behravesh: Ich würde die Lage der Weltwirtschaft differenzierter sehen als der IWF. Wenn die Wirtschaft ungestört von der Politik bleibt, kann das schon klappen mit zwei Jahren weltweiten Wachstums.

Was heißt denn „ungestört“?
Genau das ist der Punkt. Es darf etwa keine Protektionismustendenzen geben, keine Handelskriege, aber auch keinen Fehler im Umgang mit der hohen Verschuldung in China zum Beispiel.

Wie wahrscheinlich ist es, dass kein einziges politisches Störfeuer die Weltwirtschaft erwischt?
Wer weiß das schon. Was mich aber ohnehin viel mehr sorgt: Ich rechne mit hoher Inflation, schon bald. Angesichts des starken Wachstums in der Weltwirtschaft kann das eigentlich nicht anders sein.

Zur Person

Inflationswarnungen hören wir schon, seitdem die Notenbanken der Welt die Märkte mit billigem Geld fluten. Schließlich hätte das laut Theorie längst zur Geldentwertung führen müssen. Passiert ist bisher nichts in dieser Hinsicht. Warum sollte das jetzt anders sein?
Wir haben in den vergangenen Jahren Effizienzgewinne aus Technologie und Globalisierung gesehen, die die Inflation niedrig gehalten haben. Aber wir sind nun in einer anderen Welt, was Inflation angeht. In den USA, Japan und Deutschland haben wir jetzt annähernd Vollbeschäftigung. Das geht nicht ohne Ende so weiter, ohne dass dort die Löhne steigen. Man kann ökonomisch nicht auf Dauer einen so heißen Reifen fahren, wie Deutschland oder die USA das tun, ohne dass es irgendwann höhere Inflation gibt. Ich denke, bis Ende des Jahres werden wir deutliche Inflationssignale sehen.

Das muss aber ja nicht sofort das Wachstum abwürgen.
Ich denke, bis Ende 2019 haben wir eine gute Chance, dass es erstmal gut weitergeht.

Und danach?
Drohen neben Inflation ganz schön viele weitere Risiken. Das größte ist das fortgesetzte schwache Produktivitätswachstum. Es gibt zwar, gerade in den USA, Japan und Deutschland erste Besserungszeichen, aber wir brauchen da einen Durchbruch. Ein weiteres Risiko ist die Ungleichheit von Einkommen. Die ist im Aufschwung sogar noch größer geworden als vor diesem Aufschwung. Eigentlich absurd.

Seit Jahren wird auf Treffen wie diesem hier in Davos die Gefahr großer Ungleichheit beschworen. Geändert hat sich nichts.
Die ultimative Lösung dafür wäre Wachstum, das schlägt sich immer durch die Einkommenspyramide nach unten durch. Nun hatten wir lange kein Wachstum. Ich hoffe nun, dass das gerade angefachte Wachstum da hilft, das Problem anzugehen. Aber wir müssen der Sache auch mehr auf den Grund gehen: Und dann stellen wir fest, wir müssen in Menschen investieren. In ihre Bildung, ihre technologischen Fähigkeiten. Denn Ungleichheit entsteht vor allem, weil Qualifikationen immer besser bezahlt werden und keine Qualifikation heute gar nicht mehr bezahlt wird. Es gibt immer mehr Unternehmen, die nicht die richtigen Leute finden. Wenn sie diese fänden, würden sie ihnen aber hohe Gehälter zahlen.

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