Viel Lob hat Donald Trump seit seinem Amtsantritt nicht bekommen. Eine der wenigen Ausnahmen: die Nominierung von Neil Gorsuch als Richter für den Obersten Gerichtshof. Die Waffenlobby lobt den Vorschlag ebenso überschwänglich wie die Trump-Kritiker aus den eigenen Reihen, Jeb Bush und John McCain. Selbst die US-Handelskammer stimmt in den Jubel mit ein, und spricht von einer „fantastischen Nominierung“. Das ist ganz anders als vor einem Jahr. Da schwieg die Kammer zu dem Vorschlag von Ex-Präsident Barack Obama, den freien Sitz im Supreme Court mit Merrick Garland zu besetzen.
Der Grund für die nun fehlende Zurückhaltung der Handelskammer: Gorsuch, der 49-jährige Harvard-Absolvent aus Colorado, ist nicht nur gegen Einschränkungen beim Waffenrecht und gegen die Sterbehilfe. Er neigt dazu, in Rechtstreitigkeiten im Zweifel für die Wirtschaft zu entscheiden.
Seit Montag beschäftigt sich der Kongress mit der Nachfolge des konservativen Richters Antonin Scalia, der vor über einem Jahr gestorben ist. Seitdem gibt es im Supreme Court eine Patt-Situation. Von den acht Richterposten sind vier von eher konservativen und vier von eher progressiven Richtern besetzt. Gorsuch wird – sofern vom Kongress bestätigt – den Unterschied machen.
„Der Oberste Gerichtshof hat in den vergangenen Jahren zunehmend zugunsten von Arbeitgebern und Konzernen entschieden. Dieser Trend wird durch Gorsuch verstärkt und zementiert“, sagt Michael Gebhardt, Rechts-Professor und an der University of North Carolina. Die Unternehmen können laut Gebhardt in den kommenden Jahren vor allem auf zwei Punkte hoffen: auf mehr Schutz vor Sammelklagen und staatlichen Regulierungen.
Denn Gorsuch gilt als entschiedener Gegner des so genannten Chevron-Urteils aus dem Jahre 1984. Demnach haben Verwaltungsbehörden einen großen Spielraum bei der Auslegung von Gesetzen. Ist nicht eindeutig geregelt, wie die Behörden zu agieren haben, liegt das letzte Wort bei ihnen. Selbst die Justiz kann kaum eingreifen – und zum Beispiel nicht verhindern, dass Behörden die Wirtschaft an die Leine nehmen und strenge Umweltvorlagen machen. Das sei doch recht fragwürdig und nicht im Sinne der Verfassungsväter, findet Gorsuch. Sein Fazit zum dem richtungsweisenden Urteil: „ein Ungetüm“.
Wie die Richterposten am Supreme Court besetzt werden
Seit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika hat der Senat 124 Richter für den Obersten Gerichtshof bestätigt. Der 49-jährige Neil Gorsuch soll nun auf Wunsch von US-Präsident Donald Trump das neueste Mitglied in der relativ kleinen Gruppe von neun Männern und Frauen werden, die die Justiz der Nation leitet.
Der Bestätigungsprozess heutzutage ist mühsam, mit Dutzenden Eins-zu-Eins-Gesprächen zwischen den Kandidaten und Senatoren in den vergangenen Wochen und einer Anhörung, die am (heutigen) Montag mit Eröffnungserklärungen beginnt. Am Dienstag und Mittwoch wird Gorsuch vor dem Senat befragt, andere Zeugen sind am Donnerstag vorgesehen. Die eigentliche Abstimmung über seine Ernennung dürfte dann Anfang April erfolgen.
Quelle: AP
Nur mit wenigen Worten regelt die Verfassung die Entscheidung: Sie stellt fest, dass der Präsident den Kandidaten „mit dem Rat und der Zustimmung des Senats“ nominieren soll. Die Vorschriften und Traditionen des Gremiums regeln den Rest. Präsident Donald Trump nominierte den in Denver ansässigen Gorsuch, der derzeit am zehnten Bundesberufungsgericht als Richter arbeitet. Mit der Bekanntgabe am 31. Januar setzte Trump das Bestätigungsverfahren in Gang.
Seitdem hat Gorsuch sich mit 72 von 100 Senatoren getroffen und an von der Trump-Regierung gestalteten, intensiven Probebefragungen teilgenommen, die ihm die eigentliche Anhörung erleichtern sollen. Am Montag muss Gorsuch nun zunächst jeweils zehnminütige Ansprachen von den 20 Mitgliedern des Justizausschusses hören, was insgesamt mehrere Stunden dauern wird. Danach wird er schließlich eine Rede halten - ebenfalls zehn Minuten lang.
In früheren Anhörungen haben die Fragen auf die Qualifikation des Kandidaten, seine Entscheidungen als Richter, politische Standpunkte, Interpretationen der Verfassung und allgemeine juristische Richtlinien sowie aktuelle Kontroversen abgezielt. Das Risiko ist bei jeder Richterwahl hoch, besonders aber jetzt, da eine Bestätigung Gorsuchs einen Vorteil für die Konservativen am Supreme Court sichern würde. Er selbst wird dem Dilemma ausgesetzt sein, das bereits viele vor ihm ertragen mussten: Wie soll man klar und präzise auf Fragen antworten, ohne seine Meinung zu Themen zu äußern, die vor Gericht landen oder ihm politischen Ärger einhandeln könnten? Demokraten dürften versuchen, ihn zu provozieren, falls er sich zurückhaltend gibt. Der Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, kritisierte Gorsuch bereits für sein Verhalten bei ihrem Eins-zu-Eins-Treffen: Er habe ausweichend auf die Frage geantwortet, ob Trumps Einreiseverbot verfassungsgemäß sei.
Am Donnerstag, dem vierten und letzten Tag der Anhörung, kommen Zeugen von außen zu Wort - für gewöhnlich frühere Kollegen und Interessensvertretungen, die für oder gegen den Kandidaten aussagen. In der Vergangenheit war einer der ersten Zeugen oft ein Vertreter des amerikanischen Verbands von Rechtsanwälten und Richtern, ABA. Die Gruppe hat Gorsuch bereits eine einstimmige Empfehlung gegeben.
Traditionell ist vorgesehen, dass der Justizausschuss des Senats die Abstimmung an den Senat weitergibt, auch wenn er zuvor mehrheitlich gegen den Kandidaten gestimmt hat. Damit soll der gesamte Senat die abschließende Entscheidung treffen. Statt den Kandidaten also zu billigen oder abzulehnen, verweist der Ausschuss lediglich mit einer positiven Empfehlung, einer Negativ-Empfehlung oder neutral - ohne Empfehlung - weiter. Von den vergangenen 15 Kandidaten wurden 13 mit Empfehlung zur Abstimmung an den Senat weitergegeben. Robert Bork, dessen Nominierung später durch den Senat abgelehnt wurde, bekam 1987 eine Negativ-Empfehlung. Clarence Thomas, der sich im Bestätigungsprozess 1991 durchsetzte, war zuvor ohne Empfehlung vom Ausschuss an den Senat gereicht worden. In dem von Republikanern dominierten Ausschuss dürfte Gorsuch empfohlen werden.
Der Senat dürfte Gorsuch eigentlich mit mehr als der Hälfte aller Stimmen unterstützen, doch bei der Abstimmung werden mehrere taktische Manöver nötig sein. Einige Demokraten haben nämlich bereits angekündigt, das Verfahren durch lange Debattenbeiträge - so genannten Filibuster - verzögern und damit aufschieben zu wollen. Dies kann der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, nur verhindern, wenn er 60 Stimmen findet, die dagegen votieren - damit die Abstimmung fortgesetzt und abgeschlossen werden kann. Da die Republikaner nur eine Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen im Senat haben, müssten mindestens acht Demokraten und Unabhängige mit ihnen stimmen. Es ist unklar, ob die Republikaner dies erreichen. Was im Umkehrschluss heißt: Die Demokraten hätten tatsächlich die Fähigkeit, die Abstimmung zu blockieren. Dann könnte McConnell als weitere Option eine Abstimmung darüber abhalten, ob die Zahl der benötigten Stimmen für eine Bestätigung Gorsuchs auf eine einfache Mehrheit (51 Stimmen) herabgesenkt wird. Der frühere demokratische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Harry Reid, machte 2013 etwas Ähnliches, um eine Nominierung für eine niedrigere Gerichtsinstanz durchzusetzen. McConnell sah diesen Schritt extrem kritisch, doch könnte er ihn nun vielleicht selbst als notwendig erachten, wenn es seine letzte Möglichkeit wäre, Gorsuch zum Richter des Supreme Courts zu machen.
Ist der Senat einmal durch die formellen Abstimmungen durch, kann er Gorsuch mit einfacher Mehrheit für den Posten bestätigen. In jüngeren Jahren saßen die Senatoren bei der Abstimmung für den Supreme Court an ihren Tischen und erhoben sich jeweils einzeln für ihr Votum. Über die Jahre hinweg ist dieses immer parteiischer ausgefallen: Die letzte einstimmige Wahl von Republikanern und Demokraten gab es 1987 für Richter Anthony Kennedy.
Ebenso kritisch sieht der angesehene Jurist die Masse an Sammelklagen von Investoren gegen Konzerne in den USA. Das Prozedere sei ein Weg für Anwälte, „schnell zu Reichtum zu kommen“. Unternehmen müssten vor solch Missbrauch geschützt werden. Künftig sollten geschädigte Anleger mehr als bisher den Eintritt eines tatsächlichen Vermögensschadens darlegen müssen. Eine Reform sei nötig, sagt auch Reinhard von Hennigs, Rechtsanwalt und Büroleiter von BridgehouseLaw in Charlotte, North Carolina: „Die Angst von Unternehmen, amerikanischen wie deutschen, in Rechtsstreitigkeiten in den USA verwickelt zu werden, lähmt die Wirtschaft.“
Die Demokraten fürchten gleichwohl, dass mit Gorsuch auch die Rechte der Verbraucher und Arbeitnehmer ausgehöhlt werden. So hat der Jurist kaum Klagen von gefeuerten Mitarbeitern gegen ihren Ex-Arbeitgeber zugestimmt. Und: Auch bei Streitigkeiten zu Pensionszahlungen und Sonderleistungen hat Gorsuch eine klaren Haltung. In 21 von 23 Fällen stimmte Gorsuch für die Arbeitgeber.
Im Senat aber, der Gorsuch bestätigen muss, sind die Demokraten in der Minderheit. Und die Republikaner sind bekanntlich voll des Lobes für ihren Kandidaten.