Malaysia Die Saudis und das 680-Millionen-Dollar-Rätsel

Malaysische Behörden behaupten, ihr Ministerpräsident habe von Saudi-Arabien Hunderte Millionen Dollar auf sein Privatkonto erhalten. Finanziert die Königsfamilie im großen Stil ausländische Regierungschefs?

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Ist es in Ordnung, wenn ein Regierungschef fast 700 Millionen Dollar von saudischen Adeligen auf sein Privatkonto überwiesen bekommt? Quelle: dpa

Bangkok Ist es in Ordnung, wenn ein Regierungschef fast 700 Millionen Dollar von saudischen Adeligen auf sein Privatkonto überwiesen bekommt? In Malaysia gibt es dagegen offenbar zumindest juristisch nichts auszusetzen. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte der Generalstaatsanwalt des südostasiatischen Landes am Dienstag die Vorwürfe gegen Ministerpräsident Najib Razak im Zusammenhang mit der dubiosen Zahlung für unbegründet. „Ich bin überzeugt, das keine Straftat begannen wurde“, teilte Mohamed Apandi Ali im Regierungsbezirk Putrajaya mit.

Wenn es nach Malaysias oberstem Strafverfolger geht, den Najibs Regierung vor einem halben Jahr nach dem überraschenden Abgang seines Vorgängers einsetzte, ist die seit Monaten andauernde Affäre rund um den umstrittenen Regierungschef damit beendet. Apandi ordnete den staatlichen Korruptionswächtern an, den Fall zu schließen. Doch die knappen Ausführungen des Behördenleiters lassen den Fall nur noch mysteriöser erscheinen.

Im Zentrum steht der Staatsfonds 1MDB, den Najib 2009 gegründet hatte, um Malaysias wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Doch viele Investitionen scheiterten. Fünf Jahre nach seinem Start hatte der Fonds, der das Land eigentlich wohlhabender machen sollte, 42 Milliarden Ringgit – fast zehn Milliarden Euro – an Verlust angehäuft und stand kurz vor dem Bankrott.

Bei dem Versuch, das wirtschaftliche Desaster aufzuklären, fiel der dubiose Zahlungseingang von 681 Millionen Dollar auf Najibs Konten auf, wie das „Wall Street Journal“ im vergangenen Juli unter Berufung auf Ermittlungsbehörden berichtete. Ursprung der Gelder seien Banken und Unternehmen mit Verbindungen zu 1MDB gewesen, hieß es in dem Bericht.

Die Erklärung, die Generalstaatsanwalt Apandi nun vorlegte, lautet anders: Bei dem Geld, das 2013 in der heißen Phase des malaysischen Wahlkampfs auf Najibs Konto eintraf, habe es sich um eine "persönliche Spende der saudischen Königsfamilie" gehandelt. Von einer Spende war schon früher die Rede gewesen. Dass die Familie, die in Saudi-Arabien eine absolutistische Monarchie anführt, dahinter stecken soll, ist neu. Das Geld sei laut Apandi ohne jede Gegenleistung geflossen. Anhaltspunkte für Korruption könne er daher nicht erkennen.


„Weil es nicht verwendet wurde“

Unbeantwortet bleibt, warum die Saudis dem malaysischen Regierungschef so viel Geld überlassen haben soll. Ein Großteil davon – 620 Millionen Dollar – seien allerdings bereits im August 2013 wieder an die Königsfamilie zurückgezahlt worden, „weil es nicht verwendet wurde“, sagte Apandi. Auch was mit den 61 Millionen Dollar, die nicht zurückgeflossen sind, geschehen sein soll, wurde zunächst nicht bekannt.

Im Zuge der Debatte um den verlustreichen Staatsfonds 1MDB hatten Verbindungen nach Saudi-Arabien schon länger eine Rolle gespielt. Mehrere Medien äußerten im vergangenen Jahr den Verdacht, dass bei einem milliardenschweren Joint Venture zwischen 1MDB und dem saudi-arabischen Öl-Unternehmen PetroSaudi Gelder in der Höhe von 700 Millionen Dollar veruntreut wurden. Beide Unternehmen wiesen die Anschuldigungen zurück.

Dass das Geld auf seinen Konten nichts mit den Geschäften von 1MDB zu tun habe, ist seit Beginn der Affäre die offizielle Linie Najibs. Persönlich bereichert habe er sich nicht. Stattdessen erklärten Najibs Verbündete, dass die Zahlungen unter anderem in den Wahlkampf geflossen seien.

Najibs schärfster Kritiker, sein Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten und Parteifreund Mahathir Mohamad, hatte die Erklärung als „absurd“ zurückgewiesen. Aus seiner Sicht sei es nicht nachvollziehbar, weshalb in einem Wahlkampf derart hohe Summen im Spiel sein sollen. „Ging es darum Politiker und Beamte zu bestechen oder darum, die Wahl zu manipulieren?“, fragte er vor wenigen Monaten in einem Blogpost.

Der Oppositionspolitiker Rafizi Ramli reagierte am Dienstag mit Sarkasmus auf die Kommentare des Generalstaatsanwalts. Ministerpräsident Najib sei offenbar einer der glücklichsten und einer der großzügigsten Menschen. Glücklich, weil man ihm bedingungslos so viel Geld gegeben habe – und großzügig, weil er davon so viel wieder zurückgezahlt haben soll. Er fügte hinzu: „Die Sache wird von Tag zu Tag immer lächerlicher.“

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