Es gibt viel zu besprechen beim Nato-Gipfel in Brüssel. Der Kampf gegen den Terror, der Syrien-Konflikt, Afghanistan, das Verhältnis zu Russland. Doch die Staats- und Regierungschef der Mitgliedsstaaten treffen sich laut Protokoll gerade einmal drei Stunden. Länger trauen sich die Parteien wohl nicht zu, den Schein von Einigkeit wahren zu können.
Es ist der erste Besuch von Donald Trump bei der Nato. Jenes Verteidigungsbündnis, das er im Wahlkampf noch „obsolet“ nannte. Inzwischen ist der US-Präsident davon abgerückt, nicht aber von seiner Forderung, dass die Lasten geteilt werden müssten – und die Europäer darum mehr für Verteidigung ausgeben sollen. Auch ist er bislang der einzige US-Präsident seit der Gründung des Militärbündnis, der Artikel 5 der Nato-Charta, also die gegenseitige Beistandsverpflichtung, zumindest implizit in Frage stellte.
Wie wichtig die USA für die deutsche Wirtschaft sind
2015 wurden die USA der wichtigste Exportkunde der deutschen Unternehmen, nachdem über mehr als sechs Jahrzehnte Frankreich diese Position innehielt. 2016 behaupteten die Vereinigten Staaten ihre Spitzenposition: Waren im Wert von rund 107 Milliarden Euro wurden damals dorthin verkauft - vor allem Fahrzeuge, Maschinen und chemische Produkte. Das entspricht einem Anteil von etwa zehn Prozent an den gesamten Ausfuhren. Umgekehrt importierte Deutschland Waren im Wert von knapp 58 Milliarden Euro aus den USA, was sechs Prozent aller deutschen Einfuhren entspricht.
Mehr als eine Million Jobs in Deutschland hängen direkt oder indirekt von den Exporten in die USA ab. Weitere 630.000 Arbeitsplätze gibt es in Betrieben, die von US-Firmen kontrolliert werden. Allein McDonald's Deutschland zählt etwa 58.000 Mitarbeiter, der Personaldienstleister Manpower 27.000 und die Ford-Werke gut 25.000.
Umgekehrt schaffen deutsche Unternehmen in den USA ebenfalls Hunderttausende Stellen. Zu den größten deutschen Arbeitgebern dort gehören die Deutsche-Post-Tochter DHL mit rund 77.000 Beschäftigten, Siemens (50.000) und Volkswagen (60.000).
Die deutschen Unternehmen haben mehr als 271 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in den USA - etwa Fabriken und Immobilien. Mehr als 3700 Unternehmen sind in den Vereinigten Staaten tätig. Allein die 50 größten deutschen Firmen dort kommen auf einen Jahresumsatz von 400 Milliarden Dollar.
Auch US-Unternehmen haben erhebliche Beträge in Deutschland investiert: Der Bestand summiert sich auf rund 27 Milliarden Euro. 2015 wurden 252 neue Projekte hierzulande von US-Firmen gestartet, von Neuansiedlungen auf der grünen Wiese über Erweiterungen bis hin zu Standortwechseln. Nur chinesische Unternehmen waren aktiver. Die 50 größten US-Unternehmen kommen in Deutschland auf einen Jahresumsatz von rund 170 Milliarden Euro.
Und so rechnet man im US-Außenministerium mit einem frostigen Empfang für den Präsidenten in Brüssel. „Trump hat sich bisher ungeschickt angestellt. Er hat die Freunde in Europa mit seiner Kritik verprellt und Zweifel an der Haltung der USA in Nato-Fragen gesät“, sagt ein ranghoher Mitarbeiter des US State Department im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Dass die Europäer nun erstmal reserviert seien und sich anhören würden, was Trump ihnen anzubieten hat, „kann ich ihnen nicht verübeln“. Sein Haus versuche Trump klarzumachen, dass die Partnerschaften mit Nato und Europa elementar seien; dass sich die USA weiter in der Welt einmischen müssten; und dass zu den westlichen Werten auch der freie Warenaustausch gehöre.
Doch im Weißen Haus ist der Widerstand gegen diese Positionen stark. Die Nationalisten in der Regierung appellieren an Trump, am eingeschlagenen Weg festzuhalten. Und der lautet „America first“. Und dann lange nichts. Aus dem Pariser Klimaabkommen will die US-Regierung raus, aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP sowieso.
Die Ukraine-Krise hat der US-Präsident kaum auf dem Schirm, und um Nordkorea sollen sich doch bitte die Chinesen kümmern. Die Zeit der USA als Anführer der freien Welt, als Weltpolizist, als Freihandelschampion scheinen vorbei. Das registriert man auch im US-Außenministerium, dessen Budget Trump um fast 30 Prozent gekürzt hat. „Wir versuchen schon, uns weltweit einzubringen und unsere Werte zu verteidigen“, so der Top-Diplomat. Aber mit Trump als Präsident, diesen impulsiven, egoistischen und an die eigenen persönlichen Interessen denken Führer, „haben wir ein Glaubwürdigkeitsproblem.“ Trumps Vorgänger Barack Obama habe viel besser als Vorbild der westlichen Welt getaugt.