Neuer Präsident in Italien gewählt Renzis großer Triumph, Berlusconis große Niederlage

Italien lässt die unrühmliche Berlusconi-Ära einen Schritt weiter hinter sich. Mit der Wahl von Sergio Mattarella zum neuen Staatspräsidenten hat Regierungschef Matteo Renzi seinen Machtanspruch gefestigt.

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Italiens Premier Matteo Renzi: Mattarella ist sein Wunschkandidat gewesen. Quelle: dpa

Ein Chaos wurde befürchtet, Horrorszenarien und gefährliche Instabilität nach griechischem Muster. Am Samstag bewies Italiens Regierungschef Matteo Renzi allerdings, dass er die Zügel fest in der Hand hält. Bei der Präsidentenwahl brachte er seinen Kandidaten Sergio Mattarella mit großer Mehrheit durch.

Renzis Plan, den Verfassungsrichter im vierten Durchgang wählen zu lassen, ist aufgegangen. Weder seine Demokratische Partei PD fiel ihm in den Rücken. Noch konnte der entmachtete Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi viel gegen die Wahl des Kandidaten ausrichten, den er ablehnte. Für das krisengeschüttelte Italien kann das nur gut sein.

„Matteo Renzi hat in diesen Tagen einen der größten und kreativsten politischen Coups in der Geschichte der italienischen Republik vollbracht“, schrieb das Online-Portal „ilpost.it“ und verglich den Erfolg mit dem 7:1-Sieg der Deutschen gegen Brasilien bei der Fußball-WM 2014.

Denn Renzi war schlau: Er hat seine eigenen Leute und andere Parteien überzeugen können, den erfahrenen, aber wenig bekannten Polit-Dinosaurier Mattarella zu unterstützen. Vor allem versöhnte er auch die Parteilinken, denen er mit der Kür Mattarellas einen Gefallen tat.

Und er hat einen Kandidaten gewählt, der ihm in punkto Öffentlichkeitspräsenz keine Konkurrenz macht. Mattarella soll den Zahnarztbesuch den Fragen von Reportern vorziehen, am liebsten vertieft er sich in die Lektüre. Renzi dagegen flirtet gerne mit den Kameras, hat Twitter fest im Griff und scheut Selfie-Porträts nicht.

„Wir brauchen keinen Präsidenten, der eine TV-Show macht. Er braucht kein Megafon, um in Erscheinung zu treten“, sagte die PD-Abgeordnete Laura Garavini der Deutschen Presse-Agentur. Auch andere waren voll des Lobes: „Er ist ein starker Charakter, der moralischen Integrität, er wird kein rein zeremonieller Präsident sein wie in Deutschland“, sagte Ex-Europaminister Rocco Buttiglione.


Berlusconi, eine „lächerliche Illusion“

Mattarella gilt zwar als scheu. Weniger rigoros und standfest ist er deshalb aber nicht. Weil sein Bruder von der Mafia getötet wurde, hat er sich auch den Kampf gegen das organisierte Verbrechen auf die Fahnen geschrieben. Prinzipientreue bewies er, als er 1990 als Bildungsminister aus Protest gegen ein Gesetz, das Berlusconis Medienimperium begünstigte, zurücktrat. Allein deshalb war Mattarellas Wahl ein Affront für Berlusconi.
Berlusconi, eine „lächerliche Illusion“

Der Ex-Premier und seine oppositionelle Partei Forza Italia (FI) sind die Verlierer dieser Präsidentenwahl. Der 78-Jährige hatte auch darauf geschielt, dass ein neuer Staatschef ihm nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs Begnadigung gewährt und er damit politisch rehabilitiert wäre. Zu allem Überfluss stimmte auch noch Berlusconis früherer politischer Ziehsohn Angelino Alfano mit seiner Partei in letzter Sekunde für Mattarella.

Berlusconi glaube immer noch, dass er in einer künftigen Wahl gegen Renzi antreten könne, sagte Politikprofessor Giovanni Orsina der dpa. „Es ist eine dramatische und lächerliche Illusion eines Mannes, der die Dinge nicht sehen kann, wie sie sind.“

„Nichts wird mehr so sein wie vorher“

Hinzu kommt die Schmach, dass sich Renzi einfach über seine Meinung hinweggesetzt hatte und Mattarella im Alleingang auserkoren hatte. Denn bisher waren die Beziehungen zwischen Berlusconi und Renzi gut, die beiden kooperierten bei wichtigen Reformen. „Nichts wird mehr so sein wie vorher“, kündigte der FI-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Renato Brunetta, nun an. Sein Parteikollege Giovanni Toti sprach davon, dass sich „das Klima“ nun ändere – gleichzeitig sollte jedoch die Kooperation mit Renzi bei großen Reformen weitergehen.

Das ist wichtig für Italien. Das Land steckt seit Jahren in der Krise, die Wirtschaft will nicht in Gang kommen. Das Alptraumszenario in Italien - aber vor allem in der EU - war, dass sich bei der Präsidentenwahl wieder so ein unwürdiges Spektakel abspielt, wie vor knapp zwei Jahren, als zwei Kandidaten scheiterten und das Land vollkommen abzugleiten drohte. Damals musste Mattarellas Vorgänger Giorgio Napolitano zwischen den Fronten vermitteln.

Auch wenn sich die politischen Verhältnisse mittlerweile gefestigt haben: Mattarella steht nun vor der Herkulesaufgabe, das Land aus der Krise zu führen. Renzis Machtanspruch hat sich nach dem erfolgreichen Polit-Poker ausgeweitet, Feinde hat der 40-Jährige sich damit aber auch gemacht.

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