Sandstrände, Korallenriffe – und ein drohender Militärschlag: Das Postkartenidyll Guam steht im Zentrum einer Auseinandersetzung, deren Dramatik manch ein Beobachter schon mit der Kuba-Krise vergleicht. Damals, im Oktober 1962, schien es, als würde der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion zu einem heißen werden. Heute droht US-Präsident Donald Trump dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un mit „Feuer, Wut und Macht“ begegnen zu wollen – worauf der prompt pariert, man ziehe einen Angriff auf Guam „ernsthaft in Erwägung“.
Das winzige US-Außengebiet im Westpazifik, 3400 Kilometer von der Koreanischen Halbinsel entfernt, ist von militärischer Bedeutung: Hier haben die amerikanischen Streitkräfte mehrere Stützpunkte, die sich insgesamt fast über ein Drittel der Insel erstrecken. Zugleich aber ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig auf Guam: Allein im Juni dieses Jahres waren mehr als 120 000 Gäste auf der Insel, wie das Tourismusbüro stolz verkündet. Ein Besucherrekord. Die Gäste bestaunen die unberührten Korallenriffe, die seltenen Fische im warmen Wasser – und derzeit auch die Gelassenheit der Einheimischen.
„Sie rufen an, weil Sie ein Zimmer gebucht haben und sich sorgen wegen der Meldungen aus Nordkorea?“, antwortet eine Frau, die im gut gebuchten Hilton-Hotel ans Telefon geht. Ein Gespür haben sie hier durchaus für die neue Bedrohungslage. Aber eben auch eines dafür, wie wichtig es ist, nur niemanden zu verschrecken. Meldungen über einen drohenden Militärschlag passen so gar nicht in dieses Idyll. Allzu viele Fragen zur Weltpolitik will die Dame im Hilton deshalb nicht beantworten.
Guam
Guam ist völkerrechtlich gesehen seit 1946 ein amerikanisches Hoheitsgebiet ohne Selbstverwaltung, das heisst, die Insel gilt zwar als amerikanische Territorium, wird aber autonom verwaltet. Kritische Stimmen sagen bis heute, es sei eine amerikanische Kolonie, da die Amerikaner die Insel 1898 eroberten.
Auf rund einem Viertel der Inselfläche sind amerikanische Militärbasen. Im Süden liegen vier Atom-U-Boote der amerikanischen Marine. Im Norden befindet sich ein Luftwaffenstützpunkt, wo neben Helikoptern auch Bomber, so etwa sechs vom Typ B52 stationiert sind. Auf der Insel ist außerdem das als THAAD bekannte US-Raketenabwehrsystem stationiert, das auch in Südkorea installiert wurde. Rund 6000 Angehörige der amerikanischen Armee sind auf Guan, damit ist das amerikanische Militär neben dem Tourismus die größte Einnahmequelle.
Guam ist eine Insel im Westpazifik. Das US-Außengebiet liegt rund 3400 Kilometer von der Koreanischen Halbinsel entfernt. Bis nach Hawaii sind es 6300 Kilometer und 2000 Kilometer bis zur philippinischen Insel Mindanao. Sie gehört zu der Gruppe der Marianen, deren insgesamt 17 Inseln zu Mikronesien gehören.
Auf der Pazifik-Insel Guam leben rund 163 000 Menschen, die allerdings gelassen bleiben. Bereits vor einigen Jahren hatte Nordkorea eine ähnliche Drohung ausgestoßen. Damals habe man darüber gelacht: „Aber ich habe darüber gelacht, weil ich dachte, dass kühle Köpfe in Washington sich durchsetzen würden, es war nur eine leere Drohung“, sagt einer der Einwohner. „Meine Sorge ist, dass sich Dinge in Washington geändert haben und wer weiß, was passieren wird?“
Guams Offizielle sind derweil bemüht, Bevölkerung wie Besucher zu beruhigen. „Für Panik besteht kein Anlass“, betonte der republikanische Gouverneur Eddie Calvo auf einer Pressekonferenz. Die Sicherheitslage sei unverändert. Die amerikanische Regierung in der fernen US-Hauptstadt Washington habe versichert, die als ständige Militärbasis genutzte Insel gegen einen Angriff zu verteidigen.
Vor einigen Jahren hatte Nordkorea schon mal eine ähnliche Drohkulisse aufgebaut. Damals haben sie auf Guam noch darüber gelacht. Aber damals saß eben auch nicht Donald Trump im Weißen Haus.
Mehr als 20 000 der gerade einmal 160 000 Bewohner leben in Guam vom Tourismus. Im Pazifik, wo das Wasser türkisblau schimmert und Palmen die Strände säumen, wird nur Hawaii noch häufiger bereist. Vor allem für Japaner ist ein Flug nach Guam kürzer. Und natürlich möchte man auf der Insel keinesfalls, dass sie ihren Urlaub nun anderswo verbringen.
Anruf im Reef & Olive Spa, einem Vier-Sterne-Hotel an der Westflanke. Von dort ist es nicht weit bis zum Luftwaffenstützpunkt Andersen im äußeren Nordosten der Insel, auf den die nordkoreanischen Drohgebärden abzielen. Besorgt sei sie schon, sagt eine Managerin des edlen Hotels. Aber nein, von Anrufen verunsicherter Touristen oder gar Stornierungen sei ihr bisher nichts bekannt. Im Verona Resort & Spa sagt die Dame am Empfang: Ja, manche Gäste haben ihre Buchung storniert. Doch sie beeilt sich hinzufügen, dass es aber auch neue Buchungen gab.
Besucher und Bewohner bleiben auf der Insel. Trotz des verbalen Wettrüstens zwischen Donald Trump und Kim Jong Un. Eine höhere Nachfrage nach Flügen aus Guam gebe es nicht, berichtet der Reiseanbieter bei Golden Dragon Travel: Auf Guam sei ein „normaler Geschäftstag“ zu Ende gegangen.