Proteste im Iran Wo die wirtschaftliche Lage Menschen auf die Straße treibt

Proteste gegen die Regierung in Irans Hauptstadt Teheran am Samstag. Quelle: AP

Die iranische Führung wollte mit ihrem Atomdeal die Wirtschaft des Landes stärken. Doch viele Iraner spüren davon nichts - und gehen auf die Straße.

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Die Demonstrationen im Iran begannen am Donnerstag in Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Landes. Die Teilnehmer der Proteste hatten sich anfänglich auf die schwächelnde Wirtschaft konzentriert. Obwohl der Iran seit dem Atomabkommen von 2015 Öl am internationalen Markt verkaufen kann, ächzt das Land unter steigender Inflation und hoher Arbeitslosigkeit.

Mit der Aufhebung der Sanktionen infolge des Atomdeals witterte auch die deutsche Wirtschaft Riesengeschäfte. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes stammen rund 30 Prozent der iranischen Infrastruktur aus deutscher Produktion. 2016 stiegen der bilaterale Warenaustausch gegenüber dem Jahr zuvor um 22 Prozent. Die Germany Trade and Invest - Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH - erwartet aktuell eine Konjunkturbelegung in dem Land „auf breiterer Basis“.

Der Großteil des iranischen Volks profitiert von derart positiven Wirtschaftsentwicklungen bislang jedoch scheinbar nicht. Obwohl sich die Wirtschaft des Irans seit 2015 verbesserte, kommt das Wachstum nur selten direkt beim durchschnittlichen Iraner an. Ein Auslöser der Demonstrationen war deshalb offenbar auch der jüngste Anstieg der Preise für Eier und Geflügel um etwa 40 Prozent.

Mehrere Tote bei Protesten im Iran

Die Kritik der Demonstranten richtet sich sowohl gegen Ruhani als auch gegen den Obersten geistlichen Führer Ajatollah Ali Chamenei. Der hat bei allen wichtigen politischen Entscheidungen das letzte Wort.

Analysten halten es für möglich, dass konservative Kräfte die Proteste in Maschad gestartet haben, um Druck auf Ruhani auszuüben, einen relativ gemäßigten Geistlichen innerhalb der theokratischen Führungsriege in Teheran. Die Proteste weiteten sich anschließend auf das gesamte Land mit seinen 80 Millionen Einwohnern aus.

Tote bei Demonstrationen und Soziale Netzwerke abgeschaltet

Berichten zufolge wurden bislang mindestens 20 Menschen getötet. Das iranische Staatsfernsehen berichtete am Montag, Sicherheitskräfte hätten bewaffnete Demonstranten abgewehrt, die Polizeiwachen und Militärstützpunkte hätten einnehmen wollen.

Auf von halbamtlichen Nachrichtagenturen veröffentlichten Fotos ist zu sehen, wie gegen Protestteilnehmer in Teheran Wasserwerfer eingesetzt wurden. Auch von Demonstranten verursachte Schäden an öffentlichem Eigentum wurden gezeigt. Hunderte Menschen wurden laut Berichten festgenommen, nach Angaben der Polizei sind allerdings viele wieder auf freiem Fuß. In Videos ist zu sehen, wie Kundgebungsteilnehmer Polizisten freundlich begrüßen und friedlich demonstrieren.

Die Regierung hat nach eigenen Angaben vorübergehend den Zugang zu Telegram und zur Foto-App Instagram gesperrt, um „Frieden zu bewahren“. Damit sind die Möglichkeiten der Demonstranten begrenzt, Fotos zu teilen und zu Kundgebungen aufzurufen. Facebook und Twitter sind bereits verboten.

In den Straßen patrouillieren Polizisten in Uniform und Zivil sowie Mitglieder der Basidsch-Miliz, einer freiwilligen Hilfspolizei auf Motorrädern unter Führung der Revolutionsgarden, die die Niederschlagung der Proteste 2009 unterstützt hatte. Ruhani selbst hat erklärt, dass der Iran Protestaktionen zulasse. Häufig tolerieren die Behörden kleinere Demonstrationen und Streiks. Aber der Präsident und andere Regierungsvertreter haben betont, dass keine Gesetzesverstöße geduldet würden.

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