Sierens Welt China klotzt im Ausland

Terroranschläge, Brexit und wachsender Populismus: Trotz steigender Risiken investieren die Chinesen im Westen so viel wie nie zuvor. Chinas Unternehmen wissen, was sie tun, meint Frank Sieren.

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Der deutsche Roboterbauer Kuka steht vor der Übernahme durch den chinesischen Hausgerätehersteller Midea. Quelle: dpa

Peking Wo wären Volkswagen, Siemens und BASF heute, wenn sie nicht im Ausland investiert hätten? Wahrscheinlich wären sie längst Geschichte. Die Marktanteile weltweit stetig zu vergrößern, war und ist gut für die Unternehmen und gut für Deutschland.
Nun beginnen chinesische Unternehmen auch damit. Im ersten Halbjahr diesen Jahres haben sie in Europa einen neuen Weltrekord aufgestellt. Gut 35 Milliarden Dollar haben sie investiert, so viel wie im gesamten vergangenen Jahr. In den USA sind es mit 29 Millionen etwas weniger. Allerdings ist die Steigerungsrate ebenso beeindruckend. In dem bisherigen Rekordjahr 2014 waren es erst 18 Milliarden.

Die Reaktionen im Westen werden von zwei Gefühlen bestimmt. Das erste Gefühl: Die chinesischen Unternehmen nehmen uns etwas weg. Es lässt sich gar nicht mehr so recht feststellen, ob populistische Journalisten und Politiker dieses Gefühl nur aufgreifen und verstärken, oder ob sie das Gefühl auf dem Grund einer diffusen Unzufriedenheit erst säen. Angemessen ist dieses Gefühl jedenfalls nicht. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Unternehmen ausschwärmen, selbstverständlich auch chinesische. Im Übrigen wird kein westlicher Unternehmer gezwungen, an Chinesen zu verkaufen.
Das zweite Gefühl ist ebenso hintertrieben. Es lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Die Ratten verlassen China, das sinkende Schiff. Noch knapper bringt es das Stichwort Kapitalflucht auf den Punkt.
Nun besteht jedoch das Wesen der Kapitalflucht darin, dass das Kapital in der Krise gegen den Willen des Staates flieht. In China hingegen will der Staat das so. Insofern kann von Flucht keine Rede sein. Nicht einmal Fluchtgefahr besteht. Jedes Unternehmen, ob staatlich oder privat, muss sich größere Auslandsinvestitionen genehmigen lassen.
Die chinesischen Unternehmer investieren natürlich nicht nur aus Weitsicht. Keiner verlässt seinen Heimatmarkt leichten Herzens, um in einem fremden Land, in einer fremden Sprache, mit fremden Gesetzen sein Geld zu investieren. Vielmehr ist es der Druck – der Markt in China – und die Anreize der Regierung, die es ihnen erleichtern, sich auf den Weg zu machen.
Es ist zwar völlig überzogen, von China als einem sinkenden Schiff zu sprechen. Der Druck für chinesische Unternehmen ist jedoch zweifellos größer denn je: Weil die internationale Nachfrage sinkt, haben sie Überkapazitäten aufgehäuft, die sie kurzfristig nicht abbauen können. Deshalb müssen sie international expandieren.
Dieser Trend wird durch Anreize der Regierung verstärkt. Zum Beispiel in Form von günstigen Krediten von den staatlichen Banken. Die werden gegeben, obwohl die volkswirtschaftlichen Folgen kurzfristig negativ sind: Die privaten Investitionen in Fixed Assets – also in Grundstücke, Fabriken oder Maschinen – waren in China im ersten Halbjahr 2016 um 3,6 Prozent niedriger als in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres. Sie haben sich auf 2,8 Prozent mehr als halbiert.

Die Regierung nimmt diese Durststrecke offensichtlich in Kauf, damit Chinas Wirtschaft langfristig besser dasteht. Politiker einer Volkswirtschaft, die mit dem Rücken zur Wand steht handeln anders. Sie müssen ihre Assets verkaufen, wie der russische Präsident Vladimir Putin oder die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff. Für Peking hingegen gilt: Die Globalisierung ist für alle da.

Unser Korrespondent, der Bestseller-Autor Frank Sieren („Geldmacht China“), gilt als einer der führenden deutschen China-Spezialisten. Er lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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