So ticken Trump und Erdoğan Impulsiver Tycoon trifft kalkulierten Provokateur

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Alles dreht sich um Geld

Donald Trump hält sich für überlegen. Angetrieben von seinem Erfolg als Immobilientycoon, ist der US-Präsident fest davon überzeugt, schlauer, gewiefter und besser zu sein als sein Umfeld. Kritik sieht es deswegen auch als Majestätsbeleidigung an, die mit harten Gegenangriffen gekontert werden muss. „Donald Trump glaubt, er ist unfehlbar“, sagt Johnston. Die problematische Folge: Trump hört nicht auf Berater, er lässt sich politische Zusammenhänge nicht erklären, er bildet sich nicht fort. Deswegen ist er auch nach mehr als 100 Tagen im Amt noch immer in wichtigen außenpolitischen Fragen nicht im Bilde, und unterschätzt sowohl das Problem Nordkorea als auch die Schwierigkeit, Frieden im Nahen Osten zu schaffen.

„Trump ist in seinem Weltbild die Nummer Eins – und er würde entsetzt sein, dass Sie das nicht erkennen“, weiß Johnston. Bei Widerspruch würde Trump seine Kritiker „ungläubig anschauen und als „Verlierer“ bezeichnen“. Wer dann nicht spurt, muss damit rechnen, verklagt zu werden.

Erdoğan hat weder internationale Erfahrung noch wirtschaftliche Sachkompetenz. Der Mann aus dem Armenviertel Istanbuls spricht kein Englisch oder eine andere Fremdsprache. Seine Ausbildung verdankt er einer konservativen Imam-Hatip-Schule. Dafür spricht der die Sprache des einfachen Volkes und weiß - wie kaum ein anderer türkische Politiker -, wie die Menschen denken.

Einwandererkind, Häftling, Staatspräsident
Vom Häftling zum StaatspräsidentenRecep Tayyip Erdogan ist seit dem 28. August 2014 Staatspräsident der Türkei. Zuvor war er von 2003 bis 2014 Ministerpräsident. Seine politische Laufbahn begann im Jahr 1994, als er zum Oberbürgermeister von Istanbul gewählt wurde. Im Vorfeld bekleidete er bereits mehrere Parteiämter in der „Wohlfahrtspartei“. Im Jahr 1998 wurde er wegen „Missbrauchs der Grundrechte und -freiheiten“ zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, allerdings bereits nach vier Monaten wieder entlassen. Im Jahr 2001 gründete er die Gerechtigkeits- und Aufschwungpartei „AKP“, mit der er im Jahr 2002 überraschend den Wahlsieg holte. Quelle: REUTERS
Familie stammt aus GeorgienErdogan wurde am 26. Februar 1954 in Istanbul als Sohn eines Seemanns geboren. Die Familie stammt ursprünglich aus Georgien und war in die Türkei eingewandert. Er hat eine Schwester und drei Brüder. Mit seiner Frau Emine ist Recep Erdogan seit 1978 verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne und zwei Töchter. Das Bild zeigt Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak, seine Tochter Esra Albayrak sowie Ehefrau Emine (v. l.). Quelle: dpa
„Vater der Türken“In seiner Anfangszeit als Ministerpräsident war Erdogan noch ein Hoffnungsträger des Westens und galt als reformwilliger und moderner Politiker. Mehr und mehr zeichnete sich jedoch ein autokratischer Führungsstil ab. Erdogan inszeniert sich als eine Art „Vater der Türken“ und will das Bild eines mächtigen Staatslenkers vermitteln. Dabei macht er nicht Halt vor einem harten Durchgreifen gegen politische Gegner, freie Journalisten und Kritiker seiner Politik. Quelle: REUTERS
Zeichen der MachtDer neue Präsidentenpalast in Ankara unterstreicht die imperialistischen Züge der Politik Erdogans. Das Gebäude hat eine Grundfläche von etwa 40.000 Quadratmetern und verfügt über circa 1000 Zimmer. Die Baukosten beliefen sich auf mehr als 490 Millionen Euro. Offiziell handelt es sich bei dem Palast um einen Schwarzbau, da dieser in einem Naturschutzgebiet errichtet wurde. Mehrere Gerichte hoben die Baugenehmigung auf und ordneten einen Baustopp an. Auch das oberste Verwaltungsgericht der Türkei erklärte den Bau für rechtswidrig. Der damalige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ignorierte diese Urteile und ließ den Palast weiterbauen. Quelle: dpa
Ziemlich beste Freunde?Das Verhältnis zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin ist seit dem Syrien-Konflikt angespannt. Zwischen Moskau und Ankara herrschte zwischenzeitlich diplomatische Eiszeit, mittlerweile haben sich die Beziehungen wieder etwas normalisiert. In Syrien verfolgen beide jedoch verschiedene Ziele: Putin gilt als Unterstützer des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Erdogan will das Regime in Damaskus stürzen. Die Türkei galt lange als Stabilitätsanker in der unruhigen Region des Nahen Ostens, mittlerweile bekommt dieses Bild allerdings erste Risse – nicht zuletzt durch den Putschversuch im Juli. Quelle: AP
Dubioser FlüchtlingsdealAuch das Verhältnis zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Staatschef ist mehr als mittlerweile angespannt. Im Frühjahr 2016 einigen sich die beiden auf einen umstrittenen Deal, um die Flüchtlingskrise zu lösen: Jeder Hilfesuchende, der auf den griechischen Inseln ankommt, muss damit rechnen, wieder in die Türkei zurückgebracht zu werden. Im Gegenzug verspricht Deutschland, für jeden Syrer, der sich unter den Bootsankömmlingen befindet, einen syrischen Flüchtling direkt aus der Türkei aufzunehmen. Angela Merkel ist sich sicher: So wird das Geschäftsmodell der Schlepper zerstört und das Flüchtlingsproblem in der EU gelöst. Gleichzeitig begibt sich die Bundeskanzlerin mit dem Abkommen weiter in Erdogans Abhängigkeit, der diese geschickt zu nutzen weiß: Bereits mehrfach drohte Erdogan damit, den Flüchtlingsdeal platzen zu lassen, sollte es beispielsweise keine Fortschritte bei den Verhandlungen zur Visafreiheit geben. Zuletzt verschlechterte sich das Verhältnis durch die Inhaftierung zweier deutscher Journalisten sowie das Verbot von Bundestagsabgeordneten Bundeswehr-Soldaten in Incirlik zu besuchen. Quelle: dpa
Gescheiterter PutschversuchIm Juli 2016 eskalierte die Lage in der Türkei: Teile des türkischen Militärs versuchten am 15. und 16. Juli, die türkische Regierung mit Präsident Erdogan und seinem AKP-Kabinett zu stürzen. Der Versuch scheiterte jedoch, nach wenigen Stunden hatte die türkische Regierung wieder die Kontrolle über das Land. Die Bilanz des gescheiterten Putschversuchs: Beinahe 300 Menschen wurden getötet und mehr als 2000 weitere verletzt. Außerdem kam es zu Massenverhaftungen und Massenentlassungen von Tausenden Staatsbürgern – besonders Soldaten, Beamte und Akademiker sowie Journalisten waren betroffen von der „Säuberungsaktion“. Quelle: dpa

Erdoğan ist kein Islamist. Er strebt nicht die Einführung der Scharia an. Aber er ist fromm, und glaubt damit, über die Hälfte der türkischen Bevölkerung zu repräsentieren. Immer wieder nutzt er die religiösen Gefühle und Befindlichkeiten, um Wähler zu mobilisieren. Der Islam ist für ihn nicht Ziel, sondern Vehikel zur Macht, das er bedenkenlos ausnutzt.

Von Wirtschaft scheint der Mann wenig Ahnung zu haben. Trotz einer immer stärker anziehenden Inflation fordert Erdoğan zum Beispiel von der türkischen Zentralbank die Zinsen zu senken. Das ist zwar eine absurde Verdrehung ökonomischer Kausalrelationen. Bei vielen seiner Wähler aber kommt es gut an, wenn er gegen die „internationale Zinslobby“ wettert.

Denken im Freund-Feind-Schema

Donald Trump stellt klare Kosten-Nutzen-Rechnungen an – und teilt Menschen in zwei Lager auf. Die, die ihn nützen. Und jene, die ihm schaden. Loyalität ist dem US-Präsidenten wichtiger als Fachwissen. Und so umgibt er sich im Weißen Haus mit Familienmitgliedern und langjährigen Weggefährten. Interne Kritik kann er so fast vollkommen verhindern. Neue Ideen – oder auch der nötige Widerspruch an der einen oder anderen Stelle – werden so aber auch nicht ins Weiße Haus getragen.

"Ihr werdet nie wieder ignoriert werden"
„Dieser Moment ist euer Moment. Er gehört euch. Das ist euer Tag, das ist eure Feier.“Die vollständige Antrittsrede Trumps können Sie >> hier noch einmal im Wortlaut nachlesen. Quelle: REUTERS
"Vom heutigen Tag an wird eine neue Vision unser Land regieren. Vom heutigen Tag an wird es nur noch Amerika zuerst heißen, Amerika zuerst." Quelle: REUTERS
„Wenn Amerika vereint ist, ist es absolut nicht aufzuhalten. Gemeinsam werden wir für viele, viele Jahre den Kurs Amerikas und der Welt bestimmen.“ Quelle: dpa
Zehn Millionen von Amerikanern seien Teil einer historischen Bewegung, „die die Welt noch nie gesehen hat“. Quelle: AP
„Wenn man sein Herz für Patriotismus öffnet, gibt es keinen Platz für Vorurteile.“ Quelle: REUTERS
„An alle Amerikaner (...), hört diese Worte: Ihr werdet nie wieder ignoriert werden.“ Quelle: REUTERS
Trump versprach, den radikalislamischen Terrorismus weltweit auszulöschen: „Wir werden die zivilisierte Welt gegen den radikal-islamistischen Terrorismus vereinen, der völlig vom Antlitz der Erde verschwinden wird“ Quelle: REUTERS

Wer das Trump’sche Vertrauen verspielt, ist ein für alle Mal untendurch. „Das Prinzip ,Auge um Auge‘ gehört zum festen Bestandteil der Gedankenwelt des US-Präsidenten“, sagt Johnston. Trump habe ihm gegenüber einst offen bekannt, dass man „umso härter zurückschlagen muss“, wenn man angegriffen werde. Und so teilt der Präsident auch heute wild aus: gegen die Medien, gegen Politiker aus der Opposition, aber auch aus den eigenen Reihen – und natürlich auch gegen Leute wie David Johnston, der Trumps Denken und Handeln in der Öffentlichkeit erklärt. Gleich mehrmals drohte der Milliardär den Journalisten, von dessen Buchprojekt er einst angetan war, ihn zu verklagen.

Erdoğan hingegen hatte nie Probleme, Allianzen zu wechseln, wenn er es für nötig hielt. Jahrelang machte er gemeinsame Sache mit den Anhängern des Predigers Gülen, um die kemalistischen Eliten zu bekämpfen. Heute verfolgt er die ehemaligen Verbündeten erbittert.

Zu Beginn der AKP-Regierung war erklärtes Ziel des damaligen Premierministers die EU-Mitgliedschaft. Den Rückenwind aus der EU nutzte er, um das Militär zu entmachten. Heute erwägt er selbst die Wiedereinführung der Todesstrafe, wohlwissend, dass diese die Beitrittsverhandlungen mit einem Male beenden würde.

Als klar wurde, dass die pro-kurdische HDP seinen Kurs zur Verfassungsänderung nicht mittragen würde, ließ er den Kurdenkonflikt wiederaufflammen. Heute sitzt fast die gesamte Führung der Partei im Gefängnis. Dabei hatte Erdoğan in den Anfangsjahren seiner Regierung die Aussöhnung gesucht, und der kurdischen Minderheit viele Freiheiten gewährt.

Nirgendwo deutlicher aber zeugt sich Erdoğans Pragmatismus im Umgang mit Russland. Nachdem die türkische Luftabwehr im November 2015 einen russischen Kampfjet abgeschossen hatte, war der mächtige Nachbar im Norden zum Staatsfeind geworden. Die russischen Sanktionen aber schmerzten derart, dass Erdoğan nach Moskau flog, um um Entschuldigung zu bitten. Heute zelebrieren die beiden Staatsoberhäupter wieder ihre Männerfreundschaft.

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