Staatssanierung IWF sieht Kern-Europa durch Schuldenkrise bedroht

Griechenland, Portugal, Irland: Europas Schuldensünder halten die Politik in Atem. Jetzt schlägt auch der IWF angesichts der Probleme Alarm und warnt vor einem Übergreifen der Krise auf Länder wie Deutschland.

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In der Europäischen Union Quelle: dapd

Der Internationale Währungsfonds (IWF) drängt die Europäer zu einer besseren Absprache in Finanz- und Wirtschaftsfragen, um Krisengefahren zu bannen. Der Fonds warnte in seinem heute veröffentlichten Regionalausblick, die Schuldenkrise einiger Euro-Länder stelle das größte Risiko dar. Eine Ansteckung von Kernstaaten der Euro-Zone und anderer europäischer Länder könne noch nicht ausgeschlossen werden. Es bleibe ein „handfestes Abwärtsrisiko“. Zu Kerneuropa werden Staaten wie Deutschland, Frankreich und die Beneluxländer gezählt. Genannt werden aber auch Italien sowie Spanien und Großbritannien. Insgesamt stellten die Finanzprobleme im Euro-Raum das größte Risiko dar. In seiner Analyse warnte der Fonds, gerade für die hoch entwickelten Länder des Kontinents hingen die Wachstumsaussichten wesentlich davon ab, dass und wie die Schuldenprobleme im Euro-Raum sowie die fortdauernden Schwächen im Finanzsystem gelöst und behoben werden.

„Von der finanzpolitischen Integration abzugehen, wäre falsch“, warnte der Fonds angesichts einer Debatte, in der inzwischen sogar ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone ein Thema ist. Die Gemeinsamkeiten müssten vielmehr vorangetrieben werden. Europa habe die Folgen der Finanzkrise nur deshalb so ausgedehnt zu spüren bekommen, weil es im Finanzbereich unzureichend integriert sei und übergreifende Mechanismen zur Krisenlösung fehlten. Europa habe zwar seine Vertiefung mit der gemeinsamen Währung vorangetrieben, aber keine effektiven Instrumente entwickelt, um grenzüberschreitende Risiken bekämpfen zu können.

Besser aufpassen

Um sich zu wappnen gegen die Gefahr neuer Krisen, bedarf es dem IWF zufolge einer höheren Wachsamkeit - sowohl auf nationaler wie auch auf grenzüberschreitender Ebene. Zudem müssten bessere pan-europäischer Institutionen aufgebaut werden, die Probleme im Finanzsektor angehen.

Griechenland hat nach IWF-Angaben noch keine zusätzlichen Finanzhilfen beantragt. „Die Initiative dafür müsste natürlich von den Griechen ausgehen, wenn sie der Meinung sind, dass weitere Maßnahmen nötig sind“, sagte IWF-Europachef Antonio Borges. Der IWF sei bereit, dem hoch verschuldeten Euro-Staat weiter unter die Arme zu greifen.

Das griechische Spar- und Reformprogramm läuft nach Einschätzung des IWF nicht immer nach Plan. „Das Programm ist sehr nachhaltig und ehrgeizig gestaltet und da ist es normal, dass es die eine oder andere kleinere Abweichung vom Plan gibt“, sagte Borges. Es habe auch unerwartete Fortschritte in Bereichen des Konsolidierungsprogramms gegeben, wo sie zu Beginn nicht zu erwarten gewesen seien. „Bei der letzten Überprüfung der Fortschritte des Programms in Griechenland haben wir festgestellt, dass das Programm ordentlich läuft.“ Zu Ergebnissen der derzeit laufenden Prüfung äußerte sich Borges nicht. Er sei nicht sicher, welche Schlüsse die Experten bei ihrer Überprüfung zögen, die im Juni abgeschlossen werde.

Deutschland beharrt bei Finanzhilfen an Portugal und Griechenland auf konkreten Gegenleistungen der betroffenen Schuldenländer. Er sei sich im Falle Griechenlands der erheblichen Beunruhigung bewusst, die die vielen "Meldungen zur Entwicklung der Zinssätze an den Finanzmärkten und all diese Fragen" ausgelöst haben, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble im Bundestag. Klar sei aber auch: Mit Griechenland sei eine Kreditvereinbarung getroffen worden. Wenn sich zeige, dass Griechenland die Auflagen nicht wie vereinbart erfüllt habe, sei zunächst einmal vor allem das Land selbst gefordert.

Der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise, fordert im Zuge der Griechenland-Krise eine sanfte Umschuldung. Möglich wäre, dass der Europäische Stabilisierungsfonds griechische Anleihen aufkaufe, der Nominalwert halbiert werde und es für diese halbierten Anleihen dann Garantien gebe, sagte Heise der "Leipziger Volkszeitung". "Eine erzwungene Umschuldung wäre zum einen für die Banken in Griechenland desaströs, für viele andere Banken im Euro-Raum ziemlich gefährlich und vor allem würden sofort Länder wie Portugal und Irland mit in die Krise hineingezogen."

Bei Austritt droht Insolvenz

Einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone hält Heise ebenfalls für problematisch. "Das Kapital würde aus Griechenland fliehen, der Staat wäre insolvent und die Drachme würde stark abwerten, was temporär einen Wettbewerbsvorteil bringe könnte, aber eine Inflation erzeugen würde, die diesen Effekt wieder wegnimmt", sagte der Chefvolkswirt.

Schäuble warb indes für die verabredeten internationalen Hilfen für Portugal im Umfang von 78 Milliarden Euro. Portugal habe sich inzwischen zu einem einschneidenden Spar- und Reformpaket bereiterklärt.

Finnland will sich wohl nun auch an dem Rettungspaket für das hoch verschuldete Portugal beteiligen. Der designierte Ministerpräsident Jyrki Katainen sicherte sich am Mittwoch die Zustimmung der bis zuletzt skeptischen Sozialdemokraten, die die zweitstärkste Kraft im Parlament bilden. "Die Krise ist nicht vorbei, und Finnland darf nicht das Land sein, dass diese schwierige Situation noch verschärft, indem die Dinge ungeklärt bleiben", sagte Katainen, der derzeit noch das Amt des Finanzministers innehat. Finnland sei sich seiner Verantwortung gegenüber seinen Euro-Partnern bewusst. "Wir sind bereit, das Portugal-Paket zu unterstützen."

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