Nur wenige Tage noch, dann zieht Donald Trump als neuer Präsident Amerikas in das Weiße Haus. Doch was der neue starke Mann an der Pennsylvania Avenue wirtschaftspolitisch plant, weiß niemand so genau. Daher kann es nicht verwundern, dass unter Amerikas Ökonomen, die sich am vergangenen Wochenende zur Jahrestagung der American Economic Association, dem größten Ökonomentreffen der Welt, in Chicago versammelten, kein Thema so heftig diskutiert wurde wie die Frage nach dem wirtschaftspolitischen Kurs des künftigen Präsidenten.
Die Organisatoren der Tagung hatten deshalb extra eine Podiumsdiskussion zum Thema “ Die ökonomischen Herausforderungen für den neuen Präsidenten“ angesetzt - in der Hoffnung, ein Mitglied des Trump-Teams würde nach Chicago kommen und die konkreten Pläne des künftigen Präsidenten vorstellen. Doch Pustekuchen. Man habe das Trump-Team um eine Teilnahme gebeten, sagte der Harvard-Professor Gregory Mankiw: “Doch es wollte niemand kommen”.
Deutlicher hätte Trumps Mannschaft nicht zeigen können, was sie von der akademischen Ökonomen-Elite hält: Nichts. So blieben die Wissenschaftler in Chicago unter sich - und durften munter spekulieren, was wirtschaftspolitisch auf die USA und die Weltwirtschaft unter dem neuen Präsidenten zukommt.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Einig war man sich in Chicago, dass Trump trotz der guten Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren vor großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen steht. Jason Furman, wirtschaftspolitischer Chefberater von Noch-Präsident Barack Obama, wies auf das seit mehr als zehn Jahren rückläufige Produktivitätswachstum, die schwachen Investitionen und die nach wie vor wachsende Einkommensungleichheit in den USA hin. Alan Krueger von der Princeton-Universität sagte, dass von den jungen erwerbstätigen Amerikanern derzeit weniger als die Hälfte über ein höheres Einkommen verfügt als die Generation ihrer Eltern. Dagegen hätten frühere Generation es immer geschafft, ihre Eltern beim Einkommen zu überflügeln.
Ebenso wie die meisten Industrieländer stehen auch die USA vor einer demografischen Zeitenwende. Das unterscheidet die aktuelle Situation fundamental von derjenigen unter Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren, mit dessen Wirtschaftspolitik manche Beobachter die Ankündigungen Donald Trumps, die Steuern zu senken, vergleichen.
Damals sorgte eine wachsende Erwerbsbevölkerung für einen zusätzlichen Schub beim Wirtschaftswachstum. Derzeit hingegen sinkt die Zahl der Erwerbspersonen, was den langfristigen Wachstumstrend zusätzlich zur schwachen Produktivitätsentwicklung nach unten drückt.
In der nächsten Dekade sei daher nur mit einer jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von 1,8 Prozent zu rechnen, sagte Furman. Zum Vergleich: Von Anfang der 1950er Jahre bis 2010 hatte die Rate noch bei mehr als drei Prozent gelegen. Trump dürfe die USA daher für Einwanderer nicht komplett abschotten, sondern müsse auf die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften setzen.