UN und Donald Trump Kürzungen in Zeiten der größten humanitären Katastrophe

Die US-Regierung will weniger Geld für Hilfe im Ausland ausgeben. Damit spart sie am falschen Ende, wie Experten und auch republikanische Politiker kritisieren. Denn das könnte letztendlich den Extremisten Zulauf geben.

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Geflüchtete somalische Mädchen warten in einem Flüchtlingscamp in Mogadischu auf die Ausgabe von Nahrungsmitteln. In Somalia und im Südsudan wurde bereits der Notstand ausgerufen. Quelle: dpa

Nairobi Bis zu 16 Millionen Menschen sind in drei afrikanischen Ländern in den kommenden Monaten vom Hungertod bedroht. Davon gehen die Vereinten Nationen aus und haben zu Geldspenden für Nigeria, Somalia und den Südsudan aufgerufen. Ausgerechnet jetzt, da dort die größte humanitäre Krise der vergangenen 70 Jahre ausgerufen wurde, will die Regierung unter US-Präsident Donald Trump die Hilfszahlungen drastisch einschränken.

Wenn der Kongress den Plänen des Präsidenten zustimmt und die USA tatsächlich in der derzeitigen Krise nicht helfen, dann könnte das weitreichende Folgen haben, warnen Experten. Sie rechnen mit einer um sich greifenden Hungersnot, einer Flüchtlingswelle Richtung Europa und möglicherweise zunehmender Unterstützung für islamistische Gruppen.

„Wir stehen vor der größten humanitären Krise seit der Gründung der Vereinten Nationen“, sagte der UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brian nach einem Besuch in Somalia und im Südsudan dem Sicherheitsrat. In zwei Bezirken im Südsudan wurde bereits der Notstand ausgerufen. Eine Million Menschen dort drohen zu verhungern, wie UN-Vertreter erklärten. Somalia rief wegen der Dürre den Notstand aus. 2,9 Millionen Menschen stehen vor einer Nahrungsmittelkrise, die sich zu einer Hungersnot auswachsen könnte. Im Nordosten von Nigeria sind besonders in den Gegenden Menschen unterernährt, in denen die Extremisten der Boko Haram wüten.

Mindestens 4,4 Milliarden Dollar würden benötigt, um eine Katastrophe in den drei Ländern sowie im Jemen noch zu verhindern, sagte UN-Generalsekretär António Guterres. Aus Daten der UN geht hervor, dass bislang erst zehn Prozent dieser Summe eingegangen sind.

Die USA sind traditionell der größte Geldgeber der Vereinten Nationen. Aus Washington fließt mehr Finanzhilfe nach Afrika als an jeden anderen Kontinent. Im vergangenen Jahr erhielt das Welternährungsprogramm der UN (WFP) mehr als zwei Milliarden Dollar von den USA, die damit fast ein Viertel des WFP-Budgets stellten. Trump will diese Zahlungen reduzieren. Das werde sich sicher auch auf Programme auswirken, die die ärmsten Menschen der Welt unterstützten, räumte der Haushaltsdirektor des US-Präsidenten ein. Es werde dann mehr Geld für die Menschen im eigenen Land ausgegeben.

Ein früherer Staatssekretär in der Regierung von Trumps Vorgänger Barack Obama, Steven Feldstein, erklärte, bisher sei es Konsens gewesen, dass Nahrungsmittelhilfen und Hilfsprogramme moralisch von großer Bedeutung seien und auch zur Sicherheit der USA beitrügen. Diese Einigkeit sei nun bedroht. Kritik kam aber auch aus den Reihen von Trumps Republikanern.

So sagte der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, Amerika als Weltmacht müsse es um mehr gehen als den weiteren Ausbau des Verteidigungsministeriums. „Diplomatie ist extrem wichtig und ich glaube nicht, dass diese Kürzung im Außenministerium angemessen sind, weil oftmals die Diplomatie viel effektiver und auf jeden Fall billiger ist als eine militärische Lösung.“

Die Krisen in Nigeria, Somalia und im Südsudan haben nach Einschätzung von Experten hauptsächlich politische Ursachen, auch wenn der Klimawandel eine Rolle spiele. Der Südsudan befindet sich seit Ende 2013 im Bürgerkrieg. Zehntausende Menschen wurden getötet, Acker werden nicht bestellt. In Nigeria und Somalia kämpfen Boko Haram und die Al-Shabaab-Miliz gegen die jeweilige Regierung und beide Organisationen halten noch Territorium, was die Hilfsbemühungen erschwert.

Wenn Trump nun tatsächlich Kürzungen der Hilfszahlungen durchsetzt, kommt anderen großen Geldgebern wie Großbritannien umso mehr Verantwortung zu. Aber dennoch fehlt die einflussreiche Rolle der Vereinigten Staaten bei der Mobilisierung der weltweiten Unterstützung. „Ohne signifikante Beiträge der US-Regierung ist sie weniger in der Lage, Beiträge anderer Geldgeber zu kanalisieren und zumindest die lebensrettende Minimalversorgung sicherzustellen“, sagte Nancy Lindborg, Präsidentin des United States Institute of Peace (USIP), vor dem Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen.

Zunächst einmal bekommen aber die afrikanischen Nachbarländer die Folgen der Krise zu spüren. Das UN-Flüchtlingskommissar erklärte, in Uganda seien seit Juli mehr als 570.000 Menschen aus dem Südsudan eingetroffen. Das Ziel anderer Flüchtlinge könnte Europa sein, wie Joseph Siegle sagt, Forschungsdirektor am Afrikazentrum für Strategische Studien. Wahrscheinlich würden vermehrt Menschen aus Somalia und der Sahel-Region versuchen, nach Libyen zu gelangen. Dort verdient zum Beispiel die Terrormiliz Islamischer Staat Geld mit dem Schmuggel von Menschen nach Europa.

Die Ressourcen der Nachbarländer des Südsudans und Somalias seien genauso begrenzt wie der politische Wille zur Hilfe, warnt Mohammed Abdiker von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Die regionalen Auswirkungen seien aber abhängig von der Reaktion der internationalen Gemeinschaft. Alex De Waal, Exekutivdirektor der Weltfriedensstiftung (WPF) fasst zusammen: „Wir können die Hungersnot verhindern, wenn wir wollen.“

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