US-Reise von Justin Trudeau Kanada ist bei Nafta-Verhandlungen „auf alles vorbereitet“

Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat bei seinem Besuch in Washington sein Interesse an Nafta betont. Angesichts der unberechenbaren Haltung des US-Präsidenten stellt er sich aber offenbar auch auf Scheitern ein.

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US-Präsident Donald Trump (r) reicht im Weißen Haus in Washington dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau (l) die Hand. Quelle: dpa

Washington/Ottawa US-Präsident Donald Trump scheint weiter entschlossen, das Freihandelsabkommen Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko zu beenden, falls er nicht die von ihm gewünschten Änderungen durchsetzen kann. Bei einem Treffen mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau sprach er erneut von der Möglichkeit, Nafta zu verlassen. Der Kanadier dagegen betonte, er sei weiter an ernsthaften Gesprächen zur Neugestaltung von Nafta interessiert, weil dieses Abkommen allen drei Ländern nutze. Angesichts der Unsicherheit über die Zukunft von Nafta werde Kanada aber „auf alles vorbereitet“ sein, sagte Trudeau ohne dies näher zu erläutern.

Der Besuch Trudeaus in Washington – sein zweiter nach einer Visite im Februar – wird begleitet vom Beginn der vierten Runde der Verhandlungen über die Neugestaltung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Die Gespräche finden in einem angespannten Klima statt. Von Washington aus wird Trudeau am Donnerstag zu seinem ersten Besuch nach Mexiko reisen, wo bei dem Treffen mit Mexikos Präsidenten Enriquie Pena Nieto ebenfalls Nafta ein wichtiges Thema sein wird. Die kanadische Tageszeitung „Globe and Mail“ bezeichnete daher die Trudeau-Reise nach Washington und Mexiko als „Nafta-Rettungstour“.

Trump hatte im Wahlkampf Nafta als „das schlechteste Abkommen“ bezeichnet, das die USA abgeschlossen hätten und versprochen, Nafta zu beenden. Nun geht es um tief greifende Änderungen des Vertrags, die Trumps protektionistische „Buy America“-Politik stärken sollen. Trump hebt dabei immer wieder die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns der Gespräche hervor und weckt Zweifel am Willen der Amerikaner, die Verhandlungen zu einem Erfolg zu führen.

Bei der Begrüßung Trudeaus im Oval Office ließ Trump völlig offen, was er von den Verhandlungen erwartet. Es sei möglich, dass die drei Länder „keinen Deal“ machen werden, es sei aber auch möglich, dass man sich einigen werde, sagte Trump. Er machte erneut klar, dass er gegen Nafta sei, da es nach seiner Ansicht „unfair“ für die USA sei. Wenn eine Einigung nicht erreicht werde, „dann werden wir Nafta beenden“. Erstmals sprach er an, dass er dann getrennte, zweiseitige Abkommen mit Kanada und Mexiko anstreben werde, was bisher bei beiden Ländern auf Ablehnung stößt.

Nach dem Treffen mit Trump zog Trudeau bei einer Pressekonferenz auf der Dachterrasse der kanadischen Botschaft – mit dem Capitol im Hintergrund – seine Bilanz. Der kanadische Politiker, der auch mit Mitgliedern des eher handelsfreundlichen Kongresses zusammengetroffen war, betonte, dass Kanada der wichtigste Kunde der USA sei. Die USA exportierten mehr Güter nach Kanada als nach Cina, Japan und Großbritannien zusammen, sagte er.

Nafta habe allen drei Partnern genützt. „Wir glauben an Nafta“. Er unterstrich seine guten Beziehungen zu Trump. Aber er sprach auch von der Unberechenbarkeit der US-Politik. Die Kanadier seien sich bewusst, dass die US-Administration und der Präsident Entscheidungen treffen, die die Menschen „von Zeit zu Zeit überraschen“ und dass die Nafta-Verhandlungen „bisweilen unberechenbar“ seien. Es sei möglich, einen für alle drei Staaten positiven Abschluss zu finden, aber „wir müssen auf alles vorbereitet sein, und wir sind es“.


Enge Wirtschaftsbeziehungen sind keine Garantie für Erfolg

Ein erfolgreicher Abschluss der Gespräche über das Freihandelsabkommen ist mehr als fraglich. In die ursprüngliche Zuversicht, dass die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den drei Staaten und die Risiken, die ein Auseinanderbrechen der Freihandelszone für alle Beteiligten bedeuten würden, zwangsläufig zu erfolgreichen Verhandlungen führen würden, mischt sich zunehmend Skepsis.

Deutlich wurde dies jetzt durch die Warnung der US-Handelskammer. John Murphy, Vizepräsident der Kammer, hatte bereits am vergangenen Freitag von „hochgefährlichen“ Vorschlägen der Regierung von Präsident Donald Trump gesprochen. Er forderte die Administration auf, ihre Forderungen zurückzuschrauben. Sie könnten zu einem Scheitern der Verhandlungen führen und Hunderttausende Arbeitsplätze in den USA gefährden.

Am Dienstag legte der Präsident der US-Handelskammer, Thomas Donhue, nach. In einem Brief an Trump, der von Handelskammern in allen US-Bundesstaaten unterzeichnet wurde, warnte er die Trump-Regierung erneut, „Schaden zu verursachen“. Einige Vorschläge Trumps seien „unnötig und inakzeptabel“. Sie enthielten „mehrere Giftpillen“, die den ganzen Vertrag gefährdeten. „Die US-Wirtschaft wird sich für ein wichtiges Abkommen, das Nordamerika stärker und wohlhabender macht, einsetzen“, schrieb Donohue.

In Kanada fragt man sich zunehmend, welche Verhandlungsstrategie und Absichten die USA verfolgen. Trump hatte nach der ersten Verhandlungsrunde im August getönt, dass „wir am Ende wahrscheinlich Nafta beenden“. Dass die US-Regierung bei den wichtigsten Themen noch keine konkreten Forderungen auf den Tisch gelegt haben, irritiert.

Dazu gehören die Ursprungsregeln, also der Prozentsatz von US-Anteilen an Autos, die im Nafta-Raum verkauft werden, und die Streitschlichtungsmechanismen. „Bei den wichtigsten Themen wurden noch keine Vorschläge präsentiert“, sagte Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland nach der dritten Verhandlungsrunde in Ottawa. Sie widersprach dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, als dieser erneut das Handelsdefizit zwischen Kanada und den USA beklagte, und präsentierte Zahlen, die genau das Gegenteil beinhalten. Auf die Frage von Journalisten, ob sie glaube, dass die USA ernsthaft über einen neuen Vertrag verhandeln, sagte sie, sie habe nicht „die Supermacht, die es mir erlaubt, in die Herzen einer Gegenpartei zu blicken und ihre wahren Absichten zu erkennen“.


Mexiko wird keinem Vertrag zustimmen, das dem Land schadet

Mexikos Botschafter in den USA, Geronimo Gutierrez, sagte der kanadischen Zeitung „Globe and Mail“, sein Land stelle sich auf die Möglichkeit ein, dass sich die USA aus dem Nafta-Abkommen zurückziehen. Mexiko werde weiter ernsthaft und konstruktiv verhandeln, aber es sei auch klar, dass Mexiko eher die Verhandlungen verlassen werde, als einem Vertrag zuzustimmen, der ihm schade.

Die US-Administration hatte in den Tagen vor der neuen Nafta-Runde mit Entscheidungen, Strafzölle gegen das kanadische Unternehmen Bombardier zu erheben, die Verhandlungen zusätzlich belastet. Die USA zeigten damit, dass sie mit harten Bandagen kämpfen. Nachdem das US-Handelsministerium Ende September bereits eine 220-prozentige Zollgebühr auf Flugzeuge der C-Serie des kanadischen Flugzeugbauers Bombardier erhoben hatte, wurde am Freitag zusätzlich ein 80-prozentiger Antidumpingzoll bekannt gegeben. Damit würde der Preis für Bombardier-Flugzeuge auf dem US-Markt verdreifacht.

Der US-Konkurrent Boeing wirft Bombardier vor, es könne wegen Beihilfen Kanadas und der Provinz Quebec seine Flugzeuge deutlich billiger anbieten, eine Sichtweise, die die US-Regierung übernahm, der Kanada aber heftig widerspricht. Trudeau machte nach eigenen Aussagen in dem Gespräch mit Trump deutlich, dass Kanada diese Entscheidungen „sehr negativ“ bewerte und für ungerechtfertigt und inakzeptabel halte.

Damit sei auch klar, dass Kanada bei Entscheidungen über Flugzeugkäufe für sein Militär nicht mit Boeing verhandeln werde. Neben dem Streit um Bauholzexporte Kanadas und die Hürden, die Kanada für die Einfuhr von Milchprodukten aus den USA aufgebaut hat, ist der Streit um Bombardier eine weitere Belastung der ohnehin angespannten Handelsgespräche.

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