Weltklimakonferenz Kein Grund zur Selbstzufriedenheit

Die Wunschliste der Weltklimakonferenz ist lang: Höhere Ziele für Europa, eine Wende bei Landwirtschaft und Verkehr. Während die globalen CO2-Emissionen 2017 wieder steigen, beginnt die heikle Phase.

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Der weltweite CO2-Ausstoß steigt 2017 wieder. Auch für 2018 rechnen die Experten insgesamt mit einem Anstieg der Emissionen. Quelle: dpa

Berlin Auch in diesem Jahr wird der weltweite Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wieder steigen. Das ist die ernüchternde Nachricht, mit der die Weltklimakonferenz in die zweite und entscheidende Woche startet. Neue Berechnungen des globalen Forschungsverbundes „Global Carbon Project“ (GCP) zeigen ein Plus von zwei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes. Dieser Anstieg macht deutlich, dass der Höchststand an Emissionen noch immer nicht erreicht ist. In den vergangenen drei Jahren hatten die Forscher eine Stagnation der Emissionen verzeichnet und als mögliches Zeichen einer Trendwende gedeutet.

Bis Ende des Jahres werden die weltweiten CO2-Emissionen etwa 41 Gigatonnen betragen. Bei diesem Rekordwert, heißt es mahnend bei GCP, sei das globale Kohlenstoffbudget innerhalb von 20 bis 30 Jahren aufgebraucht. Danach werde eine Temperaturbegrenzung auf unter zwei Grad nicht mehr zu erreichen sein. Vor zwei Jahren war auf der Weltklimakonferenz in Paris vereinbart worden, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit begrenzen zu wollen, besser auf 1,5 Grad. Im Moment befindet sich die Weltgemeinschaft aber eher auf einem Drei-Grad-Kurs.

Die Emissionen erhöhten sich wieder, obwohl der Einsatz erneuerbarer Energien in den vergangenen fünf Jahren weltweit um jährlich 14 Prozent gestiegen ist. Zwar sanken die Emissionen im Kohlebereich, die aus der Verbrennung von Öl und Gas stiegen aber dafür. Der Ländervergleich zeigt für 2017 steigende Emissionen in China (+ 3,5 Prozent) und Indien (+ 2 Prozent) sowie sinkende Werte für die USA (- 0,4 Prozent) und Europa (- 0,2 Prozent). Das ist indes zu langsam, um eine Trendwende zu erreichen.

1990 verursachten Industrieländer rund 60 Prozent der globalen Emissionen, heute ist es nur noch etwa ein Drittel. Schwellen- und Entwicklungsländer werden die neuen Klimasünder. Bereits 2030 werden sie für rund drei Viertel der globalen Emissionen verantwortlich sein. China allein steht beispielsweise heute schon für 28 Prozent der globalen Emissionen.

Im Zeitraum von 2014 bis 2016 waren die Emissionen weitgehend stabil geblieben – und das trotz eines weltweiten Wirtschaftswachstums. Vor allem die verringerte Kohlenutzung, eine verbesserte Energieeffizienz sowie ein Boom bei den erneuerbaren Energien wie Windkraft und Solarenergie hätten maßgeblich dazu beigetragen. Als besonders erfreulich galt Experten vor allem die Entkopplung vom Wachstum des Bruttoinlandprodukts und den Emissionen. Das zeige, dass Wirtschaftswachstum nicht zwangsläufig zu einer Zunahme des Kohlendioxidausstoßes führen muss. Einige Experten hatten gehofft, dass der Höchststand der Emissionen vielleicht schon erreicht sei.

Auch für 2018 rechnen die Experten insgesamt mit einem Anstieg der Emissionen. „Verschiedene Faktoren deuten auf einen fortschreitenden Anstieg 2018“, sagte Robert Jackson von der Stanford University. „Das ist ein echter Anlass zur Sorge.“ Dabei nennen die Fachleute vor allem die Vorhersagen der Weltbank zum Wirtschaftswachstum: Die Finanzexperten sagen global einen Anstieg von 2,9 Prozent für 2018 vorher – den höchsten Wert seit 2011. Die Schätzungen des Internationalen Währungsfonds liegen sogar noch höher.

In der jetzt beginnenden zweiten Woche der Klimakonferenz in Bonn, steigen die Erwartungen an die Bundeskanzlerin, Stellung zur klimapolitischen Situation in Deutschland zu beziehen – vor allem zum umstrittenen Kohleausstieg. Angela Merkel (CDU), bislang noch mit schwierigen Sondierungsgesprächen mit FDP und Grünen beschäftigt, wird am Mittwochnachmittag in Bonn erwartet. Merkel müsse den Kohleausstieg vor 2030 ankündigen, forderte der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Die Bundesregierung stehe als Ausrichter der Konferenz mehr denn je in der Pflicht, beim Klimaschutz endlich zu handeln. Eine glaubwürdige Klimaschutzpolitik beginne im eigenen Land.


Wo sich Angela Merkel selbstkritisch gibt

„Das Ziel, den Anstieg der Temperatur auf unter zwei Grad – am besten in Richtung 1,5 Grad – zu beschränken, dieses Ziel wird mit dem jetzigen Zustand nicht erreicht“, gibt sich die Kanzlerin in ihrem aktuellen Video-Podcast selbstkritisch. Seit den 1990er Jahren, in denen sie selbst Umweltministerin gewesen sei, habe sich die Dringlichkeit verändert, so Merkel. „Die Dringlichkeit – ich glaube, wir merken das alle an den Naturkatastrophen – ist groß.“

Merkel sieht vor allem die Industrieländer – und damit auch Deutschland – in der Verantwortung dafür, „dass sich die Dinge ändern“. Die hochentwickelten Industrieländer hätten die Aufgabe, technische Innovationen zu finden und Umwelttechnologien nach vorne zu bringen. Es gelte, den industriellen Kern in die Zukunft hinein zu entwickeln, ohne Arbeitsplätze zu verlieren.

Deutschland habe seine Treibhausgasemissionen von 1990 bis 2010 um 20 Prozent reduziert und sich dasselbe Ziel für die zehn Jahre bis 2020 gesetzt, sagte Merkel. In den Sondierungsgesprächen werde darum gerungen, wie noch mehr Maßnahmen ergriffen werden könnten, um dieses 2020er Ziel zu versuchen zu erreichen. Konkret sprach sie davon, Elektromobilität und alternative Antriebe „mit Macht“ voranbringen zu wollen. Mit Blick auf die Gebäudedämmung sprach sie von einem “schlafenden Riesen“. „Hier werden wir wieder dafür werben, dass wir endlich auch steuerliche Anreize haben.“

Zur Kohle äußerte sich Merkel nicht weiter. Eine am Samstag veröffentlichte Kurzanalyse der Berliner Denkfabrik „Agora Energiewende“ ergab, dass Deutschland kurzfristig die 20 ältesten Braunkohlekraftwerke stilllegen könnte, ohne dass die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. Über diese Frage hatten sich die Sondierungsparteien in den vergangenen Tagen heftig gestritten. Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm angekündigt, die 20 schmutzigsten Braunkohlekraftwerke zügig stillzulegen, Union und FDP waren bislang dagegen. Braunkohle ist einer der größten CO2-Verursacher.

Der Report „Globales Kohlenstoff Budget“ wurde von 76 Wissenschaftlern von 57 Forschungsinstituten in 15 Ländern zusammengestellt. In diesem Jahr erscheint der Bericht zum zwölften Mal und wird vom Global Carbon Project herausgegeben.

Erst vor knapp zwei Wochen hatten Forscher berichtet, dass die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre noch nie so schnell gestiegen ist wie im vergangenen Jahr. Das habe neben den Aktivitäten der Menschen vor allem auch am Wetterphänomen El Niño mit seinen erhöhten Ozeantemperaturen und Dürren in den Tropen gelegen, hatte die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf mitgeteilt.

Dadurch konnten Ozeane und zum Beispiel Wälder nicht so viel klimaschädliches Kohlendioxid aufnehmen wie in anderen Jahren. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre betrug nach Angaben der WMO 403,3 Teilchen pro Million Teilchen (ppm), verglichen mit 400 ppm im Jahr davor. Und vor einer Woche teilte die Organisation mit, dass 2017 „sehr wahrscheinlich“ zu den drei heißesten bisher gemessenen Jahren gehören wird.

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