Viel Zeit bleibt den Staat- und Regierungschefs der G7-Staaten nicht, um in Taormina auf Sizilien die vielen Konflikte auszuräumen. Gastgeber Italien musste seine Agenda für das zweitägige Treffen am Mittelmeer schon zusammenstreichen. Aber auch bei den verbliebenen Themen Handel, Klimaschutz, Kampf gegen Hungersnöte oder die Flüchtlingskrise wird es schwer, wenigstens einen Mini-Konsens zu erzielen. Ein Erfolg wäre schon, wenn die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien Italien und Kanada nicht allzu weit hinter ihre früheren Gipfel-Erklärungen zurückfallen. Was vor allem am „America-First“-Kurs von US-Präsident Donald Trump liegt. Die Differenzen wurden auch bei Trumps erstem Treffen mit EU-Spitzen in Brüssel deutlich. Immerhin den Nato-Partnern presste Trump Zugeständnisse ab.
Was ist von dem G7-Gipfel in Taormina zu erwarten?
Schon vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs wurden die Erwartungen deutlich gedämpft. Es sei gut, dass man überhaupt miteinander rede, heißt es inzwischen. Von der oft zitierten Wertegemeinschaft G7 ist derzeit nur wenig zu spüren. Bei den Vorgesprächen der Unterhändler - der „Sherpas“ - soll es „ganz arg geknirscht“ haben. Vieles blieb offen.
Wird sich das auch in der Gipfel-Erklärung niederschlagen?
Das ist zu befürchten. Das G7-Abschlusspapier dürfte überschaubar ausfallen - obwohl es reichlich Gesprächsstoff gibt und wohl die Nacht auf Samstag durchverhandelt wird. Für „Gipfel-Profi“ Angela Merkel - die Kanzlerin gehört der Spitzenrunde am längsten an - sicher eine neue Erfahrung. Für die vier „Neuen“ ohnehin: Neben Trump sitzen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die britische Premierministerin Theresa May sowie Gastgeber Paolo Gentiloni erstmals mit am Gipfeltisch. May aber will den Gipfel wegen der Terrorgefahr in Großbritannien früher verlassen - was die Erwartungshaltung noch weiter drückt.
Worin liegen denn die größten Probleme?
Es ist einmal mehr der Kurs des seit Januar amtierenden US-Präsidenten Trump und der Bruch mit der Politik seines Vorgängers Barack Obama. Trump stellt bisherige Vereinbarungen etwa zum Klimaschutz und Freihandel in Frage. Den Verbleib der Amerikaner in globalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation WTO steht auf dem Prüfstand. „Die G7-Staaten müssen mit einem neuen, unerfahrenen und unberechenbaren US-Präsidenten umgehen“, sagt John Kirton, Chef der G7/G20-Forschungsgruppe an der Universität Toronto. „Das Forum ist aber wie gemacht für Trump, weil die Staatsführer spontan, frisch von der Leber reden.“
Was ist in Sachen Klimaschutz zu erwarten?
Trump will bald entscheiden, ob die USA aus dem 2015 beschlossenen Klimaabkommen von Paris aussteigen. Die restlichen G7-Länder könnten in Taormina am Ende erklären, dass die USA noch ihre Position finden müssten. Und sie könnten klarstellen, vorangehen zu wollen. Das Pariser Abkommen regelt erstmals international einen verbindlichen Rahmen für eine globale Energiewende. Die Weltgemeinschaft will die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen. Die reichen Industrieländer müssen bis 2020 einen Finanzierungsfahrplan aufstellen, wie sie die vom Klimawandel besonders betroffenen Regionen unterstützen.
Sieben Dinge, die man über die G7 wissen muss
Die Weltwirtschaftskrise brachte 1975 Bundeskanzler Helmut Schmidt und den französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing auf die Idee eines Gipfeltreffens der größten Industrienationen. Das Ziel: Die Erörterung der weltwirtschaftlichen Lage und die Suche nach Lösungsansätzen für globale Probleme.
Beim ersten Gipfeltreffen auf Schloss Rambouillet bei Paris trafen sich die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, der USA, Großbritannien, Japan und Italien. Ein Jahr später kam Kanada hinzu. Aus der „Gruppe der Sechs“ wurde die G7.
Russland erhielt 2002 die Vollmitgliedschaft, die G8 existierte aber nur bis 2013. Wegen der russischen Annexion der Krim platzte 2014 der Gipfel im russischen Sotschi am Schwarzen Meer. Die G7 tagte stattdessen ohne Russland in Brüssel. Eine Rückkehr zur G8 ist derzeit kein Thema.
Der G7 gehörten in der Anfangszeit die sieben führenden Industrienationen der Welt an. Heute ist das nicht mehr so: Aus den Top 7 fehlen mit China die Nummer 2 und mit Indien die Nummer 7.
In der Anfangszeit ging es bei den jährlichen Gipfeln vor allem um Wirtschaftsthemen. Die Treffen wurden deswegen auch Weltwirtschaftsgipfel genannt. Heute geht es neben den Wirtschaftsfragen um alle internationalen Krisen.
Die G7 trifft keine verbindlichen Beschlüsse. Das Abschlussdokument hat keinen verbindlichen Charakter. Es geht bei den Treffen vor allem um einen Gedankenaustausch über die wichtigsten Themen dieser Welt.
Der Vorsitz der Gruppe rotiert. Jedes Jahr finden die Gipfel in einem anderen Mitgliedsland statt. Dieses Jahr ist Italien an der Reihe. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich in Taormina auf Sizilien.
Wird in dem Zusammenhang auch über Hungersnöte gesprochen?
Am Samstag nehmen mit Tunesein, Niger, Nigeria, Kenia und Äthiopien auch fünf afrikanische Staaten an dem Gipfel teil. Immer mehr arme Menschen leiden unter Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel häufiger und schlimmer zuschlagen. Aber nie zuvor war die Kluft zwischen verfügbaren Finanzmitteln und humanitärer Not so groß. 20 Millionen Menschen in vier Ländern - Südsudan, Somalia, Jemen und Nigeria - stehen vor einer Hungersnot, warnt World Vision. Die Italiener, die 2009 auf ihrem Gipfel in L'Aquila etwa 22 Milliarden US-Dollar für Ernährungssicherheit zusammengetrommelt hatten, wollten daran anknüpfen und in Sizilien eine „Taormina Initiative“ starten. Außer ihnen hat aber bisher niemand Zusagen gemacht, deswegen spricht auch der Gastgeber nicht mehr davon.
Kommt die Flüchtlingskrise zur Sprache?
Ja. Schließlich wurde der Gipfelort Taormina nicht nur wegen seiner malerischen Bucht gewählt. Denn ein paar Seemeilen weiter draußen dauert die humanitäre Katastrophe an. Rund 50 000 Flüchtlinge haben dieses Jahr die gefährliche Reise von Nordafrika in oft untauglichen Booten nach Italien gemacht, wie das Innenministerium in Rom berichtete. Der größte Teil landete in Sizilien. Mehr als 1300 sind dabei ums Leben gekommen, schätzt die Internationale Organisation für Migration. Beide Zahlen sind gestiegen, seit die Türkei auf Bitten der EU weniger Flüchtlinge durchlässt.
Könnte zumindest der Handelskonflikt ausgeräumt werden?
Danach sah es zuletzt nicht aus. Beim Treffen der G7-Finanzminister vor ein paar Wochen in Bari drückten die Amerikaner erneut nur eine nichtssagende Formulierung durch. Ein klares Bekenntnis aller G7-Länder gegen Protektionismus und für Freihandel gilt als fraglich. Zumindest ist es Ziel, dass die Chefs mehr zu Papier bringen als zuvor ihre Finanzminister.
Ist der G7-Gipfel ganz umsonst?
Nein. Anfang Juli treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G20-Gruppe der größten Industrie- und Schwellenländer zu ihrem Gipfel in Hamburg. Die strittigen Themen kommen wieder auf den Tisch - und G20-Gastgeber Deutschland hofft, dass es nicht bei Minimal-Kompromissen bleibt.