Wirtschaftsaufschwung Mexiko trotzt Trump

Die Wirtschaft wächst, Exporte steigen und die Börse verbucht ein Plus: Gelassenheit verdrängt die Panik nach Trumps erstem Amtsjahr.

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„Unsere Staaten sind eng miteinander verbunden“, versicherte der US-Außenminister bei seinem Besuch. Quelle: Reuters

Mexiko-Stadt Wie es um die Verfasstheit eines Landes bestellt ist, kann man an den Wirtschaftsindikatoren ablesen. Als vor gut einem Jahr in den USA Donald Trump an die Macht kam, rutschten beim südlichen Nachbarn die Börse, der Peso und die Stimmung in den Keller. Die Drohungen aus Washington, die Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) zu kippen und die Migranten in Massen zu deportieren, führten zu einer kollektiven Depression in Mexiko.

In der Bevölkerung machten sich Angst und bei internationalen Unternehmen eine abwartende Haltung breit. Deutsche Firmen zum Beispiel setzten Investitionspläne eine Nummer kleiner an, mieteten ein Gelände lieber, anstatt es zu kaufen. Im Laufe des Jahres stiegen und fielen Peso und Börse immer wieder im Rhythmus von Trump und seinen Ankündigungen und Ausbrüchen.

Ein Jahr später herrscht ein gewisser Gleichmut im Land, er hat die Anflüge von Panik ersetzt. Weder ist die Mauer gebaut, noch NAFTA am Ende. Im Gegenteil: Das mexikanische Bruttoinlandsprodukt wuchs um 2,1 Prozent, die Börse legte dieses Jahr rund fünf Prozent zu, und der Peso hat sich im Januar als die stärkste Währung aller Schwellenländer bewiesen. „Die mexikanische Wirtschaft hat eine große Widerstandsfähigkeit gezeigt“, sagt Carlos Serrano, Chefökonom bei BBVA Bancomer. Schließlich kamen zum Effekt Trump noch die zurückgehende Ölproduktion und das große Erdbeben vom 19. September hinzu, welches Teile der Hauptstadt Mexico-Stadt in Mitleidenshaft gezogen hat.

Treibende Kräfte für das Plus waren der Aufschwung in den USA, der zu einem Anstieg der mexikanischen Exporte geführt hat. Exemplarisch dafür steht der von Trump hart kritisierte Automobilsektor: „2017 haben wir erstmals fast 3,8 Millionen Fahrzeuge gebaut, neun Prozent mehr als 2016“, sagt Eduardo Solís, Präsident des Herstellerverbands AMIA. Und die Ausfuhren stiegen sogar um zwölf Prozent auf 3,1 Millionen Fahrzeuge. Davon gingen 75,3 Prozent in die USA - Trump hin oder her. 65 Prozent der deutschen Firmen konnten in Mexiko ihren Umsatz steigern, bei 15 Prozent blieb er in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Deutsche Unternehmen sind vor allem in der Auto- und Autozulieferindustrie sowie in den Bereichen Pharma, Chemie und Logistik tätig.

Eine weitere Kraft, die das Wirtschaftswachstum angekurbelt hat, waren die Auslandsüberweisungen der Mexikaner in den USA. Diese stiegen 2017 im Vergleich zu 2016 um 6,6 Prozent auf 28,77 Milliarden Dollar (23,05 Milliarden Euro). Die Auslandsüberweisungen sind die zweitgrößte Devisenquelle Mexikos.

Auch bei den deutschen Unternehmen herrscht inzwischen „relative Gelassenheit“ vor, wie aus Wirtschaftskreisen verlautet. Das zeigt sich auch an der Konjunkturumfrage der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer (CAMEXA). 68 Prozent der Mitglieder wollen demnach dieses Jahr in Mexiko investieren. 55 Prozent der Firmen planen zudem, mehr Mitarbeiter einzustellen. Ohnehin würde das Ende von NAFTA keine dramatischen Folgen haben, sagt CAMEXA- Geschäftsführer Johannes Hauser. Denn die ersatzweise greifenden Zollregeln der Welthandelsorganisation würden Mexikos Industrieexporte in die USA mit durchschnittlich 2,5 Prozent nur gering belasten.

Deutschland ist Mexikos wichtigster Handelspartner in der EU. In der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas sind über 1900 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung registriert. Gemeinsam erwirtschaften sie etwa acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Am Freitag weilte US-Außenminister Rex Tillerson im Rahmen seiner Lateinamerika-Reise in Mexiko. Er sprach mit seinem Amtskollegen Luis Videgaray und mit Präsident Enrique Peña Nieto über den Stand der bilateralen Beziehungen. Und es kam einem so vor, als sei Tillerson von seinem Chef vorgeschickt worden, um die verletzte Seele des Nachbarn zu pflegen. „Unsere Staaten sind miteinander eng verbunden. Und wenn wir mit einer Stimme sprechen, dann haben wir großes Gewicht“, versicherte er. Tillerson, Ex-Chef des Ölmulti ExxonMobil, ist anders als der US-Präsident ein bekennender Freund des Freihandels.

Auch der US-Außenamtschef weiß, dass für beide Seiten die enge Verbindung von Vorteil ist. Mit 80 Prozent seiner Exporte sind die USA der wichtigste Abnehmer mexikanischer Erzeugnisse. Umgekehrt ist der südliche Nachbar der drittwichtigste Handelspartner Washingtons. Zudem kooperieren beide Länder in Sicherheitsfragen, dem Kampf gegen das Organisierte Verbrechen und der Einwanderung vor allem von Migranten aus Zentralamerika.

Der Internationale Währungsfonds sieht zwar die Gefahren, die in der Neuverhandlung von NAFTA für Mexiko stecken, hat aber dennoch die Wachstumsprognose für Mexiko deutlich angehoben. Demnach wächst das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr 2,3 statt 1,9 Prozent, wie noch im Oktober prognostiziert. Und für 2019 prognostiziert der IWF dann sogar ein Plus von drei Prozent.

Allerdings wählen die Mexikaner am 1. Juli einen neuen Präsidenten. Und im Moment führt in den Umfragen der Linkskandidat Andrés Manuel López Obrador, der kein Freund des Freihandels und auch kein Freund der Privatisierungsreformen der amtierenden Regierung ist. Beides wolle er auf den Prüfstand stellen, sollte er die Wahl gewinnen, sagte López Obrador. Vor ihm haben die Wirtschaftsbosse daher fast mehr Angst als vor Trump.

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