Zerbrochene Nationen Diese Staaten stehen vor dem Untergang

Der "Fund for Peace" hat zum zehnten Mal seine "Liste der fragilen Staaten" veröffentlicht: 178 souveräne Staaten, klassifiziert nach zwölf Merkmalen. Auf den vorderen Plätzen finden sich Bilder des Grauens.

Fragile LänderIn armen Teilen der Welt häuft sich die Zahl der extrem instabilen Staaten. Manche sind schon gescheitert, in ihnen ist die politische und soziale Ordnung zusammengebrochen. Noch mehr Länder sind durch Kriege, Bürgerkriege und Elend extrem gefährdet: Manche Schwellenländer stehen mitnichten an der Schwelle zum wirtschaftlichen Erfolg - sondern an der Schwelle zum chaotischen Untergang. Quelle: Creative Commons/GunnMap2 - http://gunn.co.nz/map
Platz 9: HaitiAuf den vorderen acht Plätzen der fragilsten Staaten finden sich samt und sonders asiatische und afrikanische Länder. Europa ist der Kontinent der Unbetroffenen – und auf Platz neun steht das mit Abstand ärmste Land der amerikanischen Hemisphäre: Haiti. Hier leben zehn Millionen Menschen mit einer durchschnittlichen jährlichen Wirtschaftsleistung von 1300 Dollar. Das Land, schon seit 1804 unabhängig, ist in seiner Geschichte zumeist von einer korrupten Diktatur in die nächste getaumelt, oft unter Vormundschaft der USA. Nach der Erdbebenkatastrophe von 2010 war die schwache Infrastruktur erst einmal völlig zusammengebrochen. Inzwischen rühmt sich die Regierung, dass die ausländischen Investitionen höher sind als karitative Hilfsleistungen. Beide Summen sind allerdings sehr niedrig. Quelle: AP
Platz 8: JemenDie 26 Millionen Bürger des Jemen leiden unter der Machtlosigkeit ihres ähnlich wie Deutschland im Wendejahr 1990 vereinigten Staates. In weiten Teilen des Landes haben Stammesmilizen das Sagen, die sich weitgehend über Entführungen und Raubzüge finanzieren; manche von ihnen sind mit islamistischen Terroristen im Bunde. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2500 Dollar ist der Jemen das ärmste aller arabischen Länder. Mit einem Bevölkerungswachstum von mehr als 2,7 Prozent im Jahr könnte es gegen Ende des 21. Jahrhunderts auch das bevölkerungsreichste sein. Quelle: dpa
Platz 7: AfghanistanNicht alles ist ganz schlecht in Afghanistan: Auf der Skala der wirtschaftlichen Ungleichheit liegt das seit 1747 unabhängige, aber von endlosen Kriegen zerrissene Land hinter Schwellenländern wie Südafrika. Mit dem Unterschied, dass die 32 Millionen Afghanen mit einem jährlichen BIP pro Kopf von 1100 Dollar bitterarm sind. Die Sicherheitslage ist die schlechteste der Welt. Nach der gescheiterten Präsidentschaftswahl droht der noch nicht von den Taliban kontrollierte Teil des Landes zu zerbrechen: Platz sieben auf der FFP-Skala – es gibt tatsächlich Länder, wo es noch schlimmer zugeht. Quelle: AP
Platz 6 und 5: Tschad, SudanWirtschaftlich ist die Lage im riesigen afrikanischen Wüstenstaat Tschad auf niedrigem Niveau mit einem jährlichen BIP pro Kopf von 2500 Dollar stabil. Mit Ölförderung, Viehwirtschaft und Entwicklungshilfe könnten die 11 Millionen Tschader der endemischen Dürre halbwegs trotzen – wenn ihr Staat nur halbwegs funktionieren würde. Das riesige Territorium, bis 1960 Teil des französischen Kolonialreichs, ist praktisch in eine ganze Anzahl von Stammesgebieten zerfallen. Aus dem Nachbarland Sudan sind mehr als 400.000 bitterarme Flüchtlinge ins Land gekommen. In ihrer Heimat droht diesen Halbnomaden der Massenmord. Die islamistische Diktatur im Sudan, der bis 1956 eine Art gemeinsame Kolonie Ägyptens und Großbritanniens war, führt einen permanenten Bürgerkrieg gegen einen Großteil der 35 Millionen Einwohner; auch darum stagniert die Wirtschaftsleistung trotz des Ölreichtums bei etwa 2600 Dollar im Jahr. Quelle: dpa
Platz 4: KongoDer Name der Demokratischen Republik Kongo ist ungefähr so passend wie weiland die Staatsbezeichnung der Deutschen Demokratischen Republik. Das riesige afrikanische Land mit seinen 77 Millionen Einwohnern hat nach Erkenntnissen von FFP die schlechteste Menschenrechtsbilanz aller Staaten der Welt. Der Kongo war bis 1960 als belgische Kolonie und zuvor als Privateigentum des Königs der Belgier Inbegriff imperialistischer Ausbeutung. Seitdem erlebte das Land eine wüste Abfolge von Bürgerkrieg, korrupter Diktatur und erneuten Kriegen. Seit über einem Jahrzehnt wächst die Wirtschaft dank des entwickelten Bergbaus stetig. Das ist ein zweifelhafter Segen, wenn die Bodenschätze Milizen anlocken, die ungestraft morden, brennen und vergewaltigen – und mit allem Wachstum liegt das BIP pro Kopf inzwischen bei 400 Dollar im Jahr. Quelle: dpa
Platz 3: Zentralafrikanische RepublikFünf Millionen Einwohner mitten im Dschungel und ein jährliches BIP pro Kopf von 700 Dollar – die Zentralafrikanische Republik, seit 1960 von Frankreich unabhängig, galt auch den wenigen Afrika-Kennern hierzulande jahrzehntelang als völlig unbedeutend. Selbst wenn einer der schnell wechselnden Militärdiktatoren irgendwann mal überschnappte, sich selbst zum Kaiser krönte und europäische Politiker mit Diamanten aus eigener Produktion beschenkte. Inzwischen hat sich der Staat weitgehend aufgelöst. Warlords vertreiben sich gegenseitig aus der Hauptstadt Bangui, Christen metzeln Muslime nieder, Flüchtlingsströme alarmieren die Armeen der Nachbarländer, Frankreich will intervenieren, und nur der IWF hat einen Lichtblick erspäht: Die Steuererhebung in der Republik sei besser geworden, nur mit der Steuerverwendung hapere es. Im Klartext: Beamte fleddern den Leichnam eines Staates, der nicht mehr wirklich existiert. Quelle: REUTERS
Platz 2: SomaliaDie Republik am Ostzipfel Afrikas, bis 1960 teils britisch und teils italienisch regiert, ist seit zwei Jahrzehnten Inbegriff eines gescheiterten Staates. Nach dem Sturz einer Diktatur 1991 versank Somalia in Hungersnot und einen Bürgerkrieg zwischen Islamisten, Linken und Stammesmilizen. 1993 scheiterte eine Militärintervention der USA schmählich, der Staat löste sich auf. Mit mäßigem Erfolg hat das Nachbarland Äthiopien in der Hauptstadt Mogadischu die bewaffneten Islamisten zurückgedrängt, ansonsten regieren regionale Machthaber über die zehn Millionen Somalier. Eine neue Staatsgründung, seit Jahren versucht, scheitert an ihren Rivalitäten und der Gewalt marodierender Krieger. Das durchschnittliche jährliche BIP liegt bei 600 Dollar – erwirtschaftet in den halbwegs friedlichen Landesteilen mit Landwirtschaft und Fischfang. Geldüberweisungen von somalischen Gastarbeitern in arabischen Staaten helfen ihren Verwandten im Überlebenskampf. Quelle: dpa
Platz 1: SüdsudanDas immer noch jüngste Mitglied der Staatengemeinschaft ist schlimmer dran als alle anderen. Mindestens 20 Prozent der 11,5 Millionen Einwohner sind unterernährt, mehr als 70 Prozent der Erwachsenen sind Analphabeten. Da erscheint ein jährliches BIP von 1400 Dollar pro Kopf nicht überraschend niedrig – doch der Südsudan ist ein ölreiches Land; das allein könnte ihn wirtschaftlich stabilisieren. Doch alle Pipelines führen in den Sudan, von dem sich die Südsudanesen in einem langen Unabhängigkeitskrieg loslösten. Abkommen über den Öltransport hält der Sudan seit der Trennung 2011 nicht ein, und im Südsudan bekriegen sich die aus verschiedenen Volksgruppen stammenden Spitzenpolitiker jetzt ohne Gnade. Kampfmittel der Wahl ist der Massenmord an Männern, Frauen und Kindern der jeweils anderen Ethnie. Ein Staat, der noch nie funktioniert hat, ist zur Totgeburt geworden. Quelle: dpa
Syrien und IrakRanglisten wie von FFP zeigen die Welt, wie sie ist – zur Prognose taugen sie wenig. Ganz kurz nach Veröffentlichung des Berichts 2014 überrannten terroristische Islamisten die zweitgrößte irakische Stadt Mossul und begannen den Vormarsch auf die irakische Zentralregion um Bagdad. In Syrien (Platz 15 auf der FFP-Liste) scheinen sie sich mit dem Diktator Assad auf eine provisorische Teilung des Landes und ein Zweckbündnis gegen die weltlichen Aufständischen der Freien Syrischen Armee geeinigt zu haben, dort wie in der Gegend um Mossul kontrollieren sie Ölquellen. Syrien wie der Irak (FFP-Liste: Platz 13) haben damit die Kontrolle über die meisten ihrer Gebiete mit sunnitischer Bevölkerungsmehrheit verloren – beide Länder stehen offenbar vor der Spaltung, und der so genannte Islamische Staat des Räuberhauptmanns und selbsternannten Kalifen Abubakr al-Bagdadi will nach der syrisch-irakischen Grenze auch alle anderen Grenzen in der islamischen Welt beseitigen. Es droht der große Krieg im Orient zwischen radikalisierten sunnitischen Arabern und allen anderen. Da hat es nur noch historischen Wert, festzuhalten, dass es mit der Wirtschaft in Syrien und im Irak bis vor kurzem ein wenig bergauf ging. Quelle: AP
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