Zwischenbilanz der Trump-Präsidentschaft 100 Tage Ernüchterung

„Ich dachte, es wäre einfacher“: Donald Trump ist mit seinem Amt überfordert und hat keine nennenswerten innenpolitischen Reformen vorzuweisen. Mit einer Extraportion Militarismus will er das vergessen machen.

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Ankunft auf der Andrews Air Force Base, am Freitag dem 28. April 2017. Nach 99 Tagen im Amt lastet der Druck des Amtes schwer auf den Schultern des 70-jährigen Präsidenten. Quelle: AP

Washington Vor ein paar Tagen hat Barack Obama sein Schweigen gebrochen. An der Universität von Chicago sprach der Ex-Präsident, von monatelangen Urlaubsreisen gut erholt, über bürgerliches Engagement und seiner Erfahrungen als Sozialarbeiter. Nicht etwas werden, sondern etwas erreichen wollen – das sollte der Leitgedanke für junge Leute sein, sagte Obama. Das war als Rat an die anwesenden Studenten gemeint. Doch es ist auch als implizite Kritik an seinem Nachfolger Donald Trump zu verstehen.

Trump hat nie einen Gedanken daran verschwendet, was er als Präsident erreichen will. Er strebte die Präsidentschaft an, weil sie unbezahlbares Prestige verleiht und die ultimative Form der Selbstbestätigung ist. Nun hat er was er wollte, er ist die Nummer eins. Doch er weiß mit seinem Amt nichts anzufangen. Zum Ende seiner ersten 100 Präsidententage steht Trump mit leeren Händen da.

„Ich dachte, es wäre einfacher“, gestand er jetzt in einem Reuters-Interview und trauerte seinem alten Leben nach, als er nur ein Immobilienreich zu managen hatte, statt sich für die Sicherheit und das wirtschaftliche Wohlergehen von Millionen Amerikanern verantwortlich fühlen zu müssen. „Ich mag Arbeit, aber das ist wirklich mehr Arbeit“, klagte Trump. Das Interview ist deshalb so bemerkenswert, weil Trump offen zugibt: Er war auf seinen Job nicht vorbereitet. Zumindest in diesem Punkt, weiß er die Mehrheit der Amerikaner hinter sich.

Trump hat keine nennenswerte Gesetzesreform vorzuweisen. Wenn er nicht Golf spielt, Staatsgäste hofiert oder sich auf Nostalgie-Tour durch das republikanische Hinterland die Glückmomente des Wahlkampfs wiederaufleben lässt, unterzeichnet er Dekrete. Eine Form der Regierungsführung, die er als Kandidat noch als Verzweiflungstat kritisiert hatte: „Obama unterstreicht Verordnungen, weil er sonst nichts durchsetzen kann“, schimpfte er. Die meisten Trump-Dekrete sind Showeinlagen für die Reality-TV-Sendung, zu der die amerikanische Politik verkommen ist. Doch manches hat ernste Folgen: Trump dreht Obamas umweltpolitischen Errungenschaften zurück, die Polizeibehörden gehen mit ungekannter Härte gegen Immigranten vor. Seinem Land dient er damit nicht.

Der einzige innenpolitische Erfolg des Präsidenten ist die Ernennung eines konservativen Richters für das Oberste Gericht – eine Personalentscheidung, die er de facto dem republikanischen Establishment überließ. Schon nach 100 Tagen ermitteln gegen das Weiße Haus: das Abgeordnetenhaus, der Senat, das FBI und die Geheimdienste. Russlandkontakte, Vetternwirtschaft, Selbstbereicherung: Es hat in der Geschichte der USA viele politische Skandale gegeben, die Trump Ära könnte sie alle in den Schatten stellen.

Innenpolitisch von der eigenen Inkompetenz paralysiert, verlegt sich der Präsident auf die Außenpolitik. Dem Isolationismus, mit dem er als Wahlkämpfer flirtete, hat Trump abgeschworen, seinem Militarismus hingegen lässt er freien Lauf. Nach der Machtdemonstration in Syrien eskaliert er den Atomkonflikt mit Nordkorea. Es bestehe die Gefahr seines „schweren, schweren Konflikts“, warnt er. Trump wäre nicht der erste Staatschef, der sich in außenpolitische Abenteuer stürzt, um von innenpolitischen Pleiten abzulenken.

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