Bertelsmann Wie eine Stiftung Politik macht

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Eigentum bedeutet Verantwortung

Andreas Knaut orchestriert von hier aus die Pressearbeit der Stiftung. Der einzige Schmuck im Büro des Kommunikationschefs: eine Karte, unterschrieben von Liz Mohn, Aufsichtsratsmitglied des Bertelsmann-Konzerns und Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung. Seit 40 Jahren setze sich die Stiftung für die Gesellschaft ein, sagt Knaut. „Eigentum bedeutet auch Verantwortung, etwas für die Gesellschaft zu tun.“ Dann erzählt er von den sechs Themenfeldern, die seine Stiftung beackert, von den 16 Programmen, die dafür aufgelegt werden. Knaut spricht vom „Impact“, den man erzielen wolle, von Kongressen, die Mitarbeiter dafür ausrichten, von den Studien, die sie schrieben. Lobbyismus sei das alles nicht. Intern werde „fachlich hart darum gerungen“, welche Themen, Projekte und Studien vorangetrieben werden. „Unser Auftraggeber ist die Gesellschaft“, sagt Knaut.

Thomas Schuler vermutet einen anderen Auftraggeber. Der Autor hat eine Biografie über die Eigentümerfamilie Mohn geschrieben und 2010 ein Buch vorgelegt mit dem Titel: „Bertelsmann Republik Deutschland – Eine Stiftung macht Politik“. Schuler glaubt, die Bertelsmann-Stiftung sei nichts anderes als ein verlängerter Arm des Bertelsmann-Konzerns. Liz Mohn und ihre Kinder könnten mithilfe ihrer Posten bei der Stiftung und im Konzern die Ziele beider Organisationen koordinieren. Außerdem übe Liz Mohn als Mitglied der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) – dem wirklichen Machtzentrum des Konzerns – Einfluss auf Stiftung und Konzern aus.

„Manchmal wirkt die Bertelsmann-Stiftung noch immer wie eine heimliche Nebenregierung“, sagt Schuler. In den vergangenen Jahren sei sie aber vorsichtiger und zurückhaltender geworden. Eine Reaktion auf die Kritik, die der Stiftung entgegenschlug, als sie bei den Hartz-Gesetzen und der Hochschulreform heimlich und aggressiv die wesentlichen Weichen gestellt habe, glaubt Schuler. Die Studien passten zu diesem Ansatz. „Die sind scheinbar neutral“, sagt Schuler. „Aber niemand weiß, warum die Stiftung welches Thema wann und wie behandelt.“

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Wer Dirk Zorn, den Autor der Schülerboom-Studie, nach den Auswahlkriterien für Projekte und Studien fragt, erhält komplizierte Antworten. Die Entstehungsgeschichte der Schülerboom-Studie erzählt Zorn – etwas vereinfacht – so: Zorn verantwortet ein übergeordnetes Projekt, dessen Ziel es ist, gute, inklusive und ganztägige Schulen zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt Zorn unter anderem die Rahmenbedingungen an den Schulen in den Blick, also zum Beispiel genügend Lehrer.

Im Herbst vergangenen Jahres sprach der Co-Autor der Studie, Klaus Klemm, Zorn an und erzählte ihm von möglicherweise wieder steigenden Schülerzahlen für die kommenden Jahre. Zorn berichtete das seinem Vorgesetzten – und bekam den Auftrag nachzuforschen. Andreas Knaut, der Stiftungssprecher, sagt, dass so fast alle Entscheidungen getroffen werden. „Es ist ein Wettstreit der Ideen“, sagt er.

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Exmitarbeiter der Stiftung berichten dagegen von einem eher feudalistischen System. Am Ende entscheide fast immer Liz Mohn. Nur wer sich mit ihr gut stelle, könne in der Stiftung Karriere machen. Sie berichten allerdings auch davon, wie die Öffentlichkeit die Strategiefähigkeit der Stiftung kontinuierlich überschätze. Die meisten Mitarbeiter der Stiftung seien eher Weltverbesserer als Machtmenschen.

Für Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, resultiert die Macht der Stiftung ohnehin aus einem anderen Grund: der Untätigkeit der Politik. „Die Studien können nur derart erfolgreich sein, weil ein Mangel an Studien in den Kultusministerien herrscht“, sagt er. Die Politik überlasse die Arbeit einfach den privaten Stiftungen, anstatt finanzielle Mittel für eigene Studien bereitzustellen. „Bertelsmann kann die Bildungsdebatte nur derart beeinflussen, weil die Kultusministerien schlafen.“

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