Unmittelbare Handlungsempfehlungen zu liefern, ist nicht die Aufgabe des Bildungsberichts. Aber eine deutliche Botschaft ist aus ihm sehr wohl zu vernehmen. Die Eingliederung der Hunderttausenden Einwanderer, die als Asyl- und Schutzsuchende nach Deutschland kamen und weiter kommen, eine "Herausforderung" zu nennen, ist bereits praktizierter Optimismus.
Auch wenn noch niemand einen belastbaren Überblick über das tatsächliche Bildung- und Qualifikationsniveau der meist jungen Männer aus Vorderasien und Afrika hat, so gibt es doch immer weniger Zweifel daran, dass eine gewaltige Anstrengung des deutschen Bildungssystems notwendig ist. Über dessen Ausmaß dürften sich viele, die im vergangenen Herbst euphorisch von einem bevorstehenden neuen Wirtschaftswunder schwärmten, erst allmählich klar werden.
Zwar ist auch im Bildungsbericht von Chancen die Rede, doch angesichts der anhaltenden "Disparitäten" des Bildungs- und Berufserfolgs der hier geborenen Kinder nichtdeutscher Vorfahren dominiert bei den Autoren des Berichts - zumindest im direkten Gespräch - eher die Befürchtung, dass sich diese Tendenzen durch die starke Zuwanderung verschärfen.
Die zusätzlichen Bildungsinvestitionen von jährlich mehreren Milliarden Euro sollen nach dem Wunsch der Bildungsforscher nicht zuletzt in zusätzliche Sozialarbeiter investiert werden - also in Staatsdiener, die sich darum zu kümmern versuchen, dass die Neuankömmlinge ausbildungswillig bleiben und -fähig werden, statt auf die schiefe Bahn zu geraten.
Natürlich werden viele Unternehmen, vor allem solche, die trotz Digitalisierung weiter auf bezahlbare gering qualifizierte Mitarbeiter angewiesen sind, von der aktuellen Einwanderung profitieren. Auch wird das Bruttoinlandsprodukt allein schon durch die Bereitstellung der zusätzlichen Versorgung steigen. Doch das nutzt eben nur den unmittelbaren Anbietern und nicht der Volkswirtschaft im Ganzen, solange diese zusätzlichen Leistungen von der Allgemeinheit und nicht von den Empfängern erwirtschaftet werden.
Der Bildungsbericht wird in der Politik und Wirtschaft hoffentlich als Mahnung vor einer Wiederholung der jüngsten Euphorie ankommen.
Flüchtlinge: Das ist der Integrationskatalog der CDU
Für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sollen Praktika mit Abweichungen vom Mindestlohn auf mindestens sechs Monate verlängert werden, um einen Berufseinstieg zu erleichtern. Schon heute sind Abstriche von den 8,50 Euro Mindestlohn pro Stunde bei betrieblichen Einstiegsqualifizierungen von bis zu zwölf Monaten möglich. Die CDU-Spitze verzichtete nach Protest der SPD und des Arbeitnehmerflügels der Union darauf, anerkannte Flüchtlinge mit Langzeitarbeitslosen gleichzustellen. Auch dann wäre eine Abweichung vom Mindestlohn von bis zu sechs Monaten möglich gewesen.
Quelle: CDU-Bundesvorstand / Reuters, Stand: 15.02.2016
Eine Anstellung in der Leiharbeitsbranche soll nach drei statt derzeit erst 15 Monaten möglich sein. Bei gemeinnützigen Organisationen soll stärker dafür geworben werden, Flüchtlinge in den von den Jobcentern geförderten Ein-Euro-Jobs zu beschäftigen.
Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge und sogenannte subsidiär Schutzberechtigte sollen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht nur erhalten, wenn sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung nachweisen, keine Straftaten begangen haben und ihren Lebensunterhalt sichern können. Auch der Familiennachzug soll von der erfolgreichen Teilnahme an Integrationskursen abhängig gemacht werden.
Die Hürde für eine frühe Teilnahme an Integrationskursen oder Förderprogrammen der Arbeitsagenturen noch vor Abschluss des Asylverfahrens soll höhergelegt werden. Laut dem im Oktober beschlossenen Asylpaket I reicht dafür bisher eine "gute Bleibeperspektive" aus. Diese wird bei Asylsuchenden aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von über 50 Prozent angenommen. Laut CDU-Papier soll "künftig eine 'sehr gute Bleibeperspektive' entscheidend sein, weil wir insbesondere Syrern und Irakern helfen wollen".
Die CDU strebt Gesetze von Bund und Ländern an, in denen verbindliche Integrationsvereinbarungen festgelegt werden sollen. In den Aufnahmeeinrichtungen sollen ein Basissprachkurs und ein Kurs zu Grundregeln des Zusammenlebens Pflicht sein und mit einem Abschlusstest versehen werden.
Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten soll ihr Wohnsitz zugewiesen werden, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft sichern können. Ausnahmen sollen möglich sein, wenn die Betroffenen am Wohnort ihrer Wahl einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung nachweisen können.
Die CDU will prüfen lassen, ob die Schulpflicht für Flüchtlinge ohne Schulabschluss über das bisher geltende Alter von 18 Jahren hinausgehen soll. Im Entwurf stand noch eine angestrebte Altersgrenze von 25 Jahren.
Was jetzt ansteht, wird unseren Staat und die gesamte Gesellschaft, das Bildungssystem in erster Linie, extrem beanspruchen. Auf viele Jahre hinaus wird das sehr viel Geld und große Mühen kosten, die letztlich vom Steuerzahler getragen werden müssen. Naiv oder bewusst verzerrend argumentiert, wer glaubt, dass das ohne Einschnitte anderswo zu schaffen ist.
Aus der mikroökonomischen Perspektive eines arbeitskrafthungrigen Unternehmens bedeutet eine solche Lage durchaus eine Chance. Und die könnte natürlich auch irgendwann einmal gesamtgesellschaftliche Bedeutung gewinnen. Doch auf absehbare Zeit geht es für die Gesellschaft als ganze - und zu der gehören auch Arbeitgeber - um nichts anderes als die Abwendung einer möglicherweise bevorstehenden sozialen Erschütterung unbekannten Ausmaßes.