Bund-Länder-Einigung Aus Murks wird noch größerer Murks

Finanzminister Schäuble will im Gegenzug für Milliardenhilfen die Länder schärfer kontrollieren. Doch die Ministerpräsidenten haben die Regeln verwässert – und damit die misslungene Reform weiter vermurkst. Eine Analyse.

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Der Finanzminister hatte eigentlich gehofft, mit der Reform den Länderfinanzausgleich einfacher und transparenter zu gestalten. Daraus wurde nichts. Quelle: REUTERS

Rund neun Stunden haben die Ministerpräsidenten mit Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt über die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verhandelt. Für die Ländervertreter hat sich die Nachtschicht durchaus gelohnt. Die Einigung, die kurz nach Mitternacht verkündet wurde, ist für die Ministerpräsidenten ein Erfolg – und zwar schon der zweite.

Mitte Oktober hatte die Runde schon einmal eine Nachtsitzung im Kanzleramt. Damals verständigten sich Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und die Ministerpräsidenten auf die Grundsätze der Reform. Der Bund sagte zu, die Länder zusätzlich mit 9,5 Milliarden Euro jährlich ab 2020 zu unterstützen. Verteilt wird das Geld ganz nach dem Willen der Ministerpräsidenten. Künftig sollen die Länder weniger untereinander helfen, der Bund alimentiert sie dafür stärker.

Dieses Modell war das glatte Gegenteil dessen, was Schäuble wollte. Der Finanzminister hatte eigentlich gehofft, mit der Reform den Länderfinanzausgleich einfacher und transparenter zu gestalten. Daraus wurde nichts. Immerhin: Schäuble konnte sich damit trösten, dass er im Gegenzug für die Milliarden mehr Kompetenzen und stärkere Kontrollrechte bekommen sollte.

Doch auch davon ist nun nach dem Kompromiss von Donnerstagnacht nicht mehr viel übrig. Merkel und die Ministerpräsidenten haben die Vereinbarungen über die Gesetzesänderungen in einer Übersicht aufgelistet. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor. Den Ministerpräsidenten ist es gelungen, Schäubles Anliegen in weiten Teilen wieder aus den Gesetzesänderungen herauszustreichen oder sie zumindest abzuschwächen.

So wollte der Finanzminister unbedingt, dass die Autobahnen künftig von einer Infrastrukturgesellschaft geplant, gebaut und betrieben werden, womit die Aufgabe von den Ländern auf den Bund übergeht.

Die Infrastrukturgesellschaft soll zwar kommen. Schäubles Ziel, an ihr auch private Investoren beteiligen zu können, wurde aber weitgehend verbaut. So wird bei der notwendigen Grundgesetzänderung noch ein Satz aufgenommen, den Schäuble nicht wollte: „Diese Gesellschaft steht im unveräußerlichen Eigentum des Bundes.“ Damit ist eine Privatisierung kaum mehr möglich.

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Geldgeschenk auf Kosten des Bundes

Die Ministerpräsidenten konnten Donnerstagnacht aber noch weitere Wünsche Schäubles abwehren. So wollte der Finanzminister künftig stärker kontrollieren, ob die Länder Finanzhilfen wie vereinbart nutzen und verhindern, dass sie sie zweckentfremden. Der Bund sollte bei der „Ausgestaltung der Länderprogramme“ mitreden.

Die Ministerpräsidenten setzten nun durch, dass es nur für „die Grundzüge der Ausgestaltung“ gilt. Einen anderen Satz, mit dem sich Schäuble Kontrollrechte sichern wollte, strichen sie ganz: „Zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung kann die Bundesregierung Bericht und Vorlage der Akten verlangen, Erhebungen bei allen Behörden durchführen und im Einzelfall zur Sicherstellung der zweckentsprechenden Mittelverwendung Weisungen gegenüber obersten Landesbehörden erteilen.“ Davon ist nun keine Rede mehr.

Ebenfalls verwässert wurden die Auflagen für Bremen und das Saarland. Beide Länder sollen ab 2020 Sanierungshilfen von jeweils 400 Millionen Euro jährlich erhalten. Schäuble wollte festschreiben, dass das Geld für den „Abbau des Schuldenstandes“ genutzt wird. Das wurde nun um die Möglichkeit von Maßnahmen „zur Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkraft“ ergänzt. Damit eröffnen sich den beiden Ländern deutlich mehr Möglichkeiten, das Geld auszugeben – statt wie von Schäuble gewünscht Schulden zu tilgen.

Mit den nächtlichen Änderungen ist die ohnehin schon misslungene Bund-Länder-Finanzreform weiter verschlechtert worden. Nun ist das Vorhaben noch stärker als zuvor schon vor allem ein großes Geldgeschenk für die Länder auf Kosten des Bundes.

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