Bundeskanzlerin zu den Wahlen Merkel fremdelt mit Jamaika und lobt Kurz

Die Bundeskanzlerin deutet das Wahlergebnis in Niedersachsen auf ihre Weise: Rot-Grün sei immerhin abgewählt. Jamaika-Verhandlungen würden sich hinziehen – mit Kurz in Österreich habe sie dagegen keine Probleme.

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„Deshalb ist da manches mehr rhetorischer Qualität“, sagte sie in Bezug auf Sebastian Kurz in Österreich. Quelle: Reuters

Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das schlechte Abschneiden ihrer Partei bei der Landtagswahl in Niedersachsen auf eine dortige Zufriedenheit mit der Landespolitik zurückgeführt. Die CDU habe engagiert gekämpft, aber es sei deshalb nicht einfach gewesen, Wahlkampf zu führen, sagte Merkel am Montag in Berlin.

Die Union habe das Wahlziel nicht erreicht, stärkste Partei zu werden. Die rot-grüne Regierung sei dennoch abgewählt. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stehe nun in der Verantwortung, auf die Partner zuzugehen, um die Regierungsbildung in Niedersachsen voranzubringen.

Merkel bremste Erwartungen an rasche Koalitionsgespräche über eine Jamaika-Koalition im Bund. „Was die Sondierungsgespräche anbelangt, so werden sie deutlich länger dauernd als diese Woche“, sagte Merkel: „Ich rechne da mit mehreren Wochen.“ Am Mittwoch wollen CDU und CSU mit FDP und Grünen erste Gespräche über die Bildung einer Jamaika-Koalition führen.

Merkel begründete die lange Sondierungsphase mit einer „außergewöhnlichen politischen Konstellation“ nach der Bundestagswahl. Dies liege auch daran, dass sich die SPD sofort nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses in die Opposition verabschiedet habe. Es gebe deshalb für Union, Grüne und FDP die klare Verpflichtung aus dem Wählervotum, einen Regierungsbildung zu versuchen. Sie werde „sehr konstruktiv“ in die Gespräche gehen. Es sei wichtig, lange Sondierungsgespräche über alle wichtigen Themen zu führen, weil der Erfolgsdruck bei anschließenden Koalitionsgesprächen viel höher sei. Deshalb könne es nicht um „ein persönliches Kennenlernprogramm“ gehen.

„Wir gehen als Union in diese Sondierung mit dem Selbstverständnis, dass wir die stärkste Kraft sind, dass wir fair mit allen verhandeln wollen“, sagte Merkel. Sie sehe weder die Union noch FDP oder Grüne durch den Ausgang der Niedersachsen als geschwächt für diese Sondierungen an. „In diese Sondierungsgespräche gehe ich sehr selbstbewusst mit meinen Freunden von CDU und CSU“, sagte Merkel.

Die CDU werde die ihr wichtigen Positionen einbringen, wisse aber auch um die Verantwortung, dass das Land eine gute Regierung brauche. „Wir fangen jetzt nicht mit irgendwelchen roten Linien an“, sagte Merkel. Als wichtige Themen nannte sie unter anderem nachhaltige soziale Sicherungssysteme, Wirtschaft und Arbeit auch in Zusammenhang mit der Digitalisierung, ländliche Räume und bezahlbare Wohnungen in Großstädten, Familien sowie die Innere Sicherheit. Maßgabe sei, dass die neue Regierung einen „Gestaltungsauftrag“ erfüllen solle.

Über eine gute Zusammenarbeit mit dem designierten neuen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz in der EU-Politik äußerte sich Merkel optimistisch. Sie mache sich „nicht so dramatische Sorgen“ über mögliche Differenzen etwa in der Flüchtlingspolitik, sagte Merkel. Sie hatte dem ÖVP-Politiker bereits am Sonntagabend zu dessen Wahlsieg gratuliert. Differenzen seien „im direkten Gespräch nicht immer so klar“, fügte die CDU-Chefin hinzu.

Viele Fragen wie das EU-Türkei-Migrationsabkommen oder der Kampf gegen Fluchtursachen seien nicht strittig. „Deshalb ist da manches mehr rhetorischer Qualität“, sagte sie zu dem österreichischen Wahlkampf, in dem Kurz auf eine harte Position in der Flüchtlingspolitik gesetzt hatte.

Sie freue sich, dass die konservative ÖVP als Partnerpartei der Union als stärkste Kraft aus der Parlamentswahlen in Österreich hervorgegangen sei, sagte Merkel. Zugleich wollte sie keine Präferenz für eine Koalition der ÖVP mit den Sozialdemokraten (SPÖ) oder der rechtspopulistischen FPÖ abgeben, sondern sagte nur: „Dann werden wir natürlich auch auf der europäischen Bühne hoffentlich gut miteinander zusammenarbeiten.“ Im Vergleich zur Stärke der FPÖ sei die Herausforderung durch die AfD in Deutschland „überschaubar“.

Auf die Frage, ob Kurz und seine Positionen Vorbild für Deutschland sein könnten, sagte Merkel, die politische Lage in Österreich sei „nicht nachahmenswert“. Sie lobte aber die „unkonventionelle“ Listenaufstellung von Kurz und dessen modernen Wahlkampf.

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