Bundestagswahl Koalitionspoker vor der Wahl

Am Sonntag beschließt die FDP auf ihrem Bundesparteitag ihre Bedingungen für eine mögliche Regierungsbeteiligung. Welche Punkte es sein werden, und wie rot die Linien sind, sagt viel über mögliche Koalitionen aus.

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Schon vor der Wahl deutet sich an, auf welche Koalitionen die Parteien setzen - und auf welche nicht. Quelle: Reuters

Berlin Wer hätte um diese Zeit vor einem Jahr gedacht, dass die FDP heute in Umfragen so gut dasteht, dass sie ernsthaft für eine Regierungskoalition in Frage kommt? Die Partei befindet sich laut Umfragen im Endspurt um den dritten Platz bei der Bundestagswahl am 24. September.

Doch wer kann dann mit wem nach der Bundestagswahl? Rein rechnerisch waren in den letzten Wochen eine Große Koalition, Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün, die Ampel oder Jamaika möglich. Die Parteien lassen sich fast alles offen, nur der AfD haben alle schon im Vorfeld eine Absage erteilt. Auch die FDP hat sich bisher nicht festgelegt. Umso spannender wird es am Sonntag – dann will die Partei zehn Koalitionsbedingungen aufstellen. Oder, wie sie selbst es vorsichtiger nennt: Koalitionsprüfsteine.

Daran, wie hart oder wie weich diese Bedingungen ausfallen werden, kann man erkennen, wie wahrscheinlich die verschiedenen Regierungskonstellationen sein werden.

Wie in Kreisen der Parteiführung zu hören ist, will FDP-Chef Christian Lindner am Sonntag harte Bedingungen formulieren, die eine Regierungsbeteiligung unwahrscheinlich machen. Andere wollen lieber weichere Bedingungen: Zum einen um eine Regierungsbeteiligung überhaupt zu ermöglichen, zum Anderem, um die Wähler während der Regierungszeit nicht zu enttäuschen, weil man die Versprechen nicht halten kann.

Wie keine andere Partei in dieser Bundestagswahl ist die FDP vorbelastet. Zwar halten Wahlforscher derzeit eine schwarz-gelbe Mehrheit für wahrscheinlich. Doch als die FDP das letzte Mal eine Regierungsbeteiligung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingegangen ist, endete es darin, dass die Partei bei der nächsten Wahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Wie viele in der Partei heute offen zugeben, war das zwar auch, aber nicht nur die Schuld des Koalitionspartners. Die FDP war zerstritten, konnte sich gegen den großen Koalitionspartner nicht durchsetzen.

Angesichts der schlechten Erfahrungen löst eine mögliche Regierungsbeteiligung aber dennoch heute bei so manchem in der Partei wenig Euphorie aus – zumal die FDP bei weitem nicht die Erfahrung aufbringen kann, die die Union zu den Koalitionsverhandlungen mitbringen würde.


Der Ton wird rauer

Dem Vernehmen nach ist das Kalkül hinter der Strategie der Lindner-Fraktion nun, dass die FDP am Sonntag sich auf so harte Bedingungen einigen kann, dass mögliche Koalitionspartner nach der Wahl abwinken. Dann müsste sich die Partei nicht an einer Regierung beteiligen, sondern könnte erst einmal den Sprung aus der vierjährigen Verdammung in die Opposition verarbeiten. Dann soll die Partei weiter aufgebaut werden, die breitere thematische Aufstellung geschärft und das Personal gestärkt werden.

Bisher konzentriert sich der öffentliche Wahlkampf allein auf Lindner. Mit der Folge, dass andere Parteivertreter weitgehend unbekannt sind. Die meisten, die Teil einer künftigen FDP-Bundestagsfraktion sein könnten, haben zudem kaum Erfahrung auf bundespolitischer Bühne. Bei manchem in der Partei ist die Angst groß, von einer mächtigen Union unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel erdrückt zu werden – wenn nicht bei den Koalitionsverhandlungen, dann während der gemeinsamen Regierungszeit.

Zu folgenden Themenfeldern will die FDP wahrscheinlich Bedingungen am Sonntag aufstellen: Energiepolitik, Einwanderung, Bildung, Digitalisierung, Sozialabgaben- und Steuerentlastung. Komplett Neues ist wohl nicht zu erwarten, die Punkte sollen eher ein Zuspitzung des Wahlprogramms sein.

Am Ende will die FDP ihre Mitglieder in letzter Instanz über eine Regierungsbildung abstimmen lassen, wie bereits bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein.

Die Grünen hatten bereits im Juni zehn Bedingungen aufgestellt, unter denen sie in eine Regierungskoalition eintreten würden. „Wer mit uns koalieren will, der muss bereit sein, bei diesen Vorhaben entschieden mit voranzugehen“, heißt es in dem Papier. Darin enthalten ist etwa die Forderung, die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abzuschalten und ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zuzulassen.

Äußerungen über den möglichen Partner in einer Jamaika-Koalition mit der Union wurden in den vergangenen Wochen von beiden Seiten immer harscher. Am Donnerstag sagte Spitzenkandidat Cem Özdemir der Deutschen Presse-Agentur: „Die FDP ist eine Dagegen-Partei: gegen Klimaschutz, gegen mehr Mieterrechte und sozialen Wohnungsbau, gegen Solidarität in Europa. Ich sehe nicht, wie wir mit der FDP zusammenkommen sollen.“ Lindner hatte zuvor gesagt, ihm fehle für eine Jamaika-Koalition die Fantasie.

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