Drei Monate nach seinem Tod Fragezeichen um Kohl-Nachlass

Der Kanzler der deutschen Einheit ist seit einem Vierteljahr tot. Welche Akten in Helmut Kohls Bungalow schlummern, bleibt aber ein Geheimnis. Historiker müssen sich gedulden.

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Experten vermuten bei Kohl weniger Interesse am Aufbau eines systematischen Hausarchivs als etwa beim ebenfalls verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt Quelle: dpa

Koblenz Drei Monate nach dem Tod von Altkanzler Helmut Kohl (CDU) hat das Bundesarchiv noch keine Dokumente aus dessen Bungalow in Ludwigshafen-Oggersheim bekommen. Dort war Kohl am 16. Juni gestorben. „Der private Nachlass ist Sache der Familie, amtliche Akten dagegen müssen zu uns kommen“, sagte der Sprecher des Bundesarchivs in Koblenz, Tobias Herrmann, der Deutschen Presse-Agentur. „Wir gehen aber davon aus, dass es nicht sehr viele amtliche Unterlagen in Oggersheim gibt.“ Experten vermuteten bei Kohl weniger Interesse am Aufbau eines systematischen Hausarchivs als etwa beim ebenfalls verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt (SPD).

Kohls Witwe Maike Kohl-Richter hat laut Herrmann auf ein Schreiben des Bundesarchivs vom 21. Juni noch nicht reagiert. Darin hatte Behördenpräsident Michael Hollmann Unterstützung bei der Regelung des schriftlichen Nachlasses angeboten. „Wir sehen aber auch keinen Anlass, alle zwei Wochen bei der Witwe nachzufragen“, sagte der promovierte Historiker. „Das ist nur einer von vielen Fällen, in denen amtliche Unterlagen aus Politiker-Nachlässen noch nicht bei uns eingetroffen sind.“

Interessant ist nach Angaben von Bundesarchiv-Sprecher Herrmann auch, was mit Kohls privatem Nachlass passiere. „Hier haben wir ebenfalls unsere Hilfe angeboten“, sagte er. „Das Bundesarchiv ist generell auch ein guter Ort für private Unterlagen hochrangiger Politiker. Diese können dann von der Forschung im Kontext der staatlichen Überlieferung genutzt werden.“

Bundesarchiv-Präsident Hollmann verwies auf die Zusammenarbeit mit der privaten Helmut und Loki Schmidt Stiftung: „Wir haben auch in Schmidts Hamburger Privathaus bei der Durchsicht von Dokumenten geholfen.“ Nach der Bearbeitung im Kanzleramt würden die amtlichen Akten aus dem Haus des SPD-Altkanzlers ins Bundesarchiv gelangen. „Das könnte auch ein Modell für den Fall Kohl sein“, ergänzte Hollmann. „Wie bei Schmidt würden bei uns die Originale verbleiben und die (künftige) Stiftung Kopien bekommen.“

Kohls Sohn Walter hatte die Gründung einer Kohl-Stiftung an einem neutralen staatlichen Ort wie etwa dem Bundesarchiv vorgeschlagen. So solle sie unabhängig von jeglichem Einfluss der zerrissenen Familie sein.

Zwischen dem Bundesarchiv und den Altkanzler- beziehungsweise parteinahen Stiftungen schwelt ein Grundkonflikt: Das Archiv pocht auf seine alleinige Zuständigkeit für amtliche Dokumente ehemaliger Regierungschefs, die Stiftungen dagegen betonen teils, ihre Quellensammlungen dürften nicht auseinandergerissen werden.

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