Umstrittenes Kükentöten Bio oder Bruderhahn? Das Dilemma beim Eierkauf

Millionen von Eintagsküken werden jährlich in Deutschland getötet – das Bundesverwaltungsgericht lässt dies auch weiterhin zu. Quelle: Getty Images

Das umstrittene Kükentöten bleibt legal. Täglich werden Tausende männliche Küken getötet. Supermärkte und Discounter wollen das längst ändern – und bringen Kunden in eine Zwickmühle.

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Das Huhn heißt Dual und soll eine der Antworten auf das Problem in der Eierproduktion sein, das immer mehr Menschen entrüstet: das massenhafte Töten männlicher Legehennen-Küken nach dem Schlüpfen. Dual ist ein sogenanntes Zweinutzungshuhn, das sowohl viele Eier legt als auch Fleisch ansetzt. Die Hennen können also für die Eierproduktion und die Hähne für die Mast genutzt werden. Doch ob die Rasse flächendeckend das Todesurteil für die unwirtschaftlichen „Bruderküken“ der hochgezüchteten Legehennen aufheben kann, ist fraglich.

Täglich werden in Brütereien die männlichen Küken von den künftigen Legehennen separiert und getötet. Laut Bundesagrarministerium 45 Millionen Küken im Jahr. Die seit langem umstrittene Praxis bleibt vorerst legal, urteilte das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag (BVerwG 3 C 28.16 und 3 C 29.16). Das Land Nordrhein-Westfalen hatte das Kükentöten 2013 per Erlass stoppen wollen, zwei Brütereien aus NRW klagten dagegen – und bekamen nun Recht, zumindest so lange, bis Alternativen zur Verfügung stünden, so die Richter.

Seit Jahren suchen Tierschützer, Eierproduzenten und Brütereien nach Wegen, beide Anforderungen der industrialisierten Nahrungsmittelproduktion zu erfüllen: Hohe Eierlegeleistung und gleichzeitig eine gute Fleischproduktion. Die männlichen Küken der Legehennen-Rassen müssen kurz nach dem Schlüpfen sterben, weil sie kaum Fleisch ansetzen – das kaufmännische Todesurteil. Das Dilemma für die Verbraucher: Wer direkt von seinem Bauern Eier kauft oder im Bioladen diejenige Packung in den Einkaufskorb legt, auf der ein Siegel eines der großen Bio-Verbände wie Bioland, Naturland oder Demeter gedruckt ist, kauft zwar vielleicht Eier von Hennen, die unter strengeren Maßstäben für das Tierwohl gehalten wurden. Aber auch hier wurden in aller Regel die männlichen Eintagsküken getötet.

Der Eier-Markt in Deutschland

Die Bruderhahn Initiative Deutschland (BID) ist eines der Projekte, das schon länger versucht, das Kükentöten zu beenden. In ihr haben sich Demeter- und Biolandbetriebe zusammengeschlossen. Die Hähnchen werden nach strengen Bio-Richtlinien aufgezogen, vermarktet werden Eier und Fleisch. Auch in Biomärkten wie Denn's, Alnatura oder den SuperBioMärkten finden sich Angebote für Eier, bei denen die Geschwisterküken aufgezogen werden. Die großen Vermarkter ziehen nach. Im Sommer 2017 kündigte Rewe an, nach einem Pilotprojekt künftig deutschlandweit Eier ins Programm aufzunehmen, die aus einer Produktion stammen, in der männliche Küken bis zur Schlachtreife aufgezogen werden. Das Projekt heißt „Spitz & Bube“, wobei sowohl auf ein Kürzen der Schnäbel der Legehennen verzichtet wird, als auch die männlichen Küken aufgezogen werden. Die Discounter-Kette Penny hat seit Februar 2017 entsprechende Eier aus Bodenhaltung der Marke „Herzbube“ im deutschlandweiten Sortiment und war damit den Branchenführern voraus. Aldi Süd bietet bisher lediglich in einzelnen Filialen mit der Marke „Henne & Hahn“ Eier aus Bodenhaltung an, bei denen die Hähnchen aufgezogen werden.

Doch die Mengen, die der klassische Naturkostladen an Bio-Bruderhahn-Eiern anbietet, sind noch verschwindend gering. Die Händler-Übersicht auf der Webseite der Bruderhahn-Initiative führt für den Postleitzahlen-Bereich 40 kein einziges Geschäft auf. Düsseldorfer müssten nach Köln, Aachen, Bonn oder Siegburg reisen, um dort Bruderhahn-Eier einzukaufen.

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