Fall für Kartellbehörde Ticketpreise der Lufthansa beschäftigen Jamaika-Politiker

Nach der Übernahme Air Berlins durch Lufthansa mangelt es an Konkurrenz. Die Folge: Teils drastisch gestiegene Ticketpreise. Das Thema beschäftigt nun auch die Partner einer möglichen Jamaika-Koalition.

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Lufthansa-Ticketpreise beschäftigen Jamaika-Politiker Quelle: dpa

Berlin Vor allem auf innerdeutschen Flügen sind nach der Insolvenz von Air Berlin die Ticketpreise gestiegen. Mehr Konkurrenz und damit auch wieder sinkende Tarife sind aber wohl so schnell nicht wieder zu erwarten. Lufthansa kann wahrscheinlich erst 2018 das Angebot aufstocken, denn noch ist die Übernahme von Air-Berlin-Flugzeugen nicht genehmigt.

Die Lage beunruhigt die Politik. Zumal die Preisexplosion den Weg in die Weihnachtsferien für viele Reisende erheblich verteuern dürfte. Politiker von CDU und Grünen fordern daher vom Bundeskartellamt, für mehr Wettbewerb im Flugverkehr zu sorgen. „Ich denke schon, dass sich die Kartellbehörden dies genau anschauen werden. Allerdings glaube ich nicht, dass sie etwas finden werden“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), dem Handelsblatt. Es liege schlicht am fehlenden Wettbewerb. „Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, ist, mehr Wettbewerb zu schaffen, zum Beispiel durch die Öffnung innerdeutscher Flugstrecken auch für ausländische Carrier.“ Das erhöhe den Wettbewerb und lasse die Preise wieder fallen.

Dass es nach Übernahme eines großen Teils der Air-Berlin-Flotte durch Lufthansa zu einem Anstieg der Ticketpreise kommen würde, sei vorauszusehen gewesen, sagte Pfeiffer weiter. „Die Insolvenz von Air Berlin führt zu einem geringerem Wettbewerbsdruck und ermöglicht Preissetzungsspielräume für die etablieren Carrier.“

Die Grünen-Politikerin Renate Künast äußerte sich besorgt über die Folgen für Flugreisende. „Wo Wettbewerb fehlt, zahlen die Verbraucher die Zeche“, sagte die Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. „Das Bundeskartellamt muss sich umgehend mit den drastischen Preisanstiegen seit der Air-Berlin Pleite beschäftigen und die Lufthansa im Falle eines Marktmissbrauchs klar in ihre Schranken verweisen“, fügte sie hinzu. „Denn Unternehmen dürfen ihre Marktmacht nicht rücksichtlos zu Lasten der Verbraucher ausnutzen.“

So argumentiert auch der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller. Ihn ärgert, dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr erst kürzlich vollmundig versprochen hatte, dass die Preise für Flugtickets auch nach Übernahme eines großen Teils der Air-Berlin-Flotte stabil blieben. Und von dem Versprechen nun nicht mehr viel übrig geblieben ist. Für Müller erweist sich somit die Lufthansa/Air-Berlin-Verschmelzung als „ein schlechter Deal für die Fluggäste“.

Auch der VZBV-Chef sieht daher das Bundeskartellamt am Zug, den Markt und die Preisentwicklung auf den einzelnen Strecken zu prüfen. Es müsse verhindert werden, dass Lufthansa Ticketpreise unverhältnismäßig in die Höhe treibe, sagte Müller dem Handelsblatt. „Ich halte es deshalb für geboten, dass die Behörde jetzt prüft, ob sie ein Verfahren wegen Marktmachtmissbrauchs einleitet.“


Integration ist Mammutaufgabe

Gleichwohl gibt es nachvollziehbare Gründe für die aktuelle Preissituation. Und die haben mit er Eingliederung von Air Berlin in den Lufthansa-Konzern zu tun. Eine, wie Konzernchef Spohr es nennt, „Mammutaufgabe einer so noch nie da gewesenen Integration“. 81 von 140 Flugzeugen will Lufthansa übernehmen, dazu 3000 Mitarbeiter, die bei der Lufthansa-Tochter Eurowings fliegen sollen. „Es müssen Flugzeuge übertragen werden, Verhandlungen mit den Leasinggesellschaften stehen an, für das Umlackieren der Flugzeuge müssen Kapazitäten gebucht werden, und wir brauchen viele Tausend Schulungs- und Trainingseinheiten für die neuen Mitarbeiter“, erläuterte Spohr kürzlich in der „Bild am Sonntag“.

Die Kapazitätsengpässe im innerdeutschen Luftverkehr will Lufthansa mit zahlreichen weiteren Flügen begegnen. Aber nicht von heute auf morgen. „Sobald wir grünes Licht aus Brüssel haben, wollen wir pro Monat allein bei Eurowings 1000 innerdeutsche Flüge dazu nehmen“, sagte Spohr der „Bild“-Zeitung vom Montag. Das seien etwa 30 zusätzliche Flüge pro Tag. „Ich kann versprechen, dass mit neuen innerdeutschen Flügen wieder stabile Preise kommen. Wir als Lufthansa wollen ja nicht die deutschen Verbraucher gegen uns aufbringen“, sagte der Lufthansa-Chef.

Der Wegfall der Air-Berlin-Flüge hatte zu hohen Ticketpreisen auf gefragten Strecken geführt. Betroffen sind vor allem Verbindungen an den beiden Air-Berlin-Drehkreuzen in Berlin und Düsseldorf. Dort fehlt auf Strecken etwa nach Hamburg, München oder Stuttgart nun ein Wettbewerber zur großen Lufthansa-Gruppe mitsamt dem Billigableger Eurowings. Damit ist nicht nur das Angebot knapp, es steigen auch die Preise. Eine Analyse des Internet-Portals Mydealz hatte ergeben, dass nach der Einstellung des Linienverkehrs von Air Berlin auf Kurzstrecken die Preise zwischen 26 und 39 Prozent gestiegen sind, auf manchen Strecken sogar um 300 Prozent. Auf vielen Strecken ist die Lufthansa inzwischen Monopolist.

Lufthansa will aber für Entlastung sorgen. Mit den nicht insolventen Teilgesellschaften LG Walter und Niki für 210 Millionen Euro soll ein beträchtlicher Teil des Air-Berlin-Flugbetriebs mit 81 Jets und den dazugehörigen Verkehrsrechten übernommen werden. Allerdings müssen die EU-Wettbewerbshüter dafür grünes Licht geben. Die Kommission hat nach der Anmeldung des Deals vor knapp zwei Wochen 25 Arbeitstage Zeit, das Geschäft abzuklopfen. Haben die Wettbewerbshüter Bedenken, können sie vertieft prüfen. Dann wären es noch einmal 90 Arbeitstage. Bis zum Abschluss liegt das Geschäft auf Eis.

Der Geschäftsreiseverband VDR fordert denn auch, Brüssel solle den Antrag der Lufthansa auf Teilübernahme der Air Berlin „im Sinne des Wettbewerbs Strecke für Strecke sehr genau prüfen – ohne jedoch das Verfahren unnötig in die Länge zu ziehen“. Der Flugbetrieb müsse „im Interesse der Unternehmen auch auf dezentralen und weniger lukrativen Strecken aufrechterhalten und die frei werdenden Slots regelkonform vergeben werden“, sagte VDR-Hauptgeschäftsführer Hans-Ingo Biehl dem Handelsblatt.

Die Forderung kommt nicht von ungefähr, denn die gestiegenen Ticketpreise belasten auch Unternehmen. „Wir haben die durchschnittlichen Preise mal miteinander verglichen, die mein Unternehmen für bestimmte Lufthansa-Strecken im zweiten und dritten Quartal dieses Jahres gezahlt hat“, sagte der Landesvorsitzende des Familienunternehmerverbands in Hessen, Dirk Martin, dem Handelsblatt. Generell lasse sich für fast jede der untersuchten Strecken eine Preissteigerung feststellen, vereinzelt sogar ein bis zu 57-prozentiger Anstieg.


Täglich fehlen 60.000 Sitze

„Es ist mir unbegreiflich, dass das Thema Monopolbildung in den laufenden Sondierungsgesprächen für eine künftige Regierungskoalition offenkundig keine erwähnenswerte Rolle gespielt hat“, kritisierte Martin. „Monopolbildung ist Gift für die Marktwirtschaft.“ Martin ist Geschäftsführer der Firma PMCS GmbH & Co. KG, die ihren Kunden Unterstützung bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen anbietet.

Dass Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Spohr selbst wies darauf hin, dass derzeit jeden Tag 60.000 Sitze fehlten: „Das kann keine Airline der Welt ausgleichen.“ Lufthansa tue, was sie könne, um gegenzusteuern. So werde zum Beispiel auf der Strecke Berlin-Frankfurt ein Jumbo eingesetzt. „Das rechnet sich betriebswirtschaftlich überhaupt nicht, weil es ein großes, teures Flugzeug ist. Aber es zeigt, dass wir helfen wollen“, sagte er. Als Jumbojets werden Flugzeuge vom Typ Boeing 747 bezeichnet. Die Maschinen haben zwei Passagierdecks. Sie werden überwiegend im Transatlantik- und internationalen Fernflugverkehr eingesetzt.

Den großen Preisanstieg haben die Wettbewerbshüter bereits im Blick. Deutschlands oberste Kartellbehörde will dann eingreifen, wenn die hohen Preise auch nach der Fusion von Air Berlin und Lufthansa bestehen bleiben sollten. „Natürlich schadet der Wegfall von Air Berlin dem Wettbewerb“, sagte Bundeskartellamtschef Andreas Mundt dem Handelsblatt. Ein Preiseffekt zum Nachteil des Kunden sei aber auch nicht wirklich überraschend. Er geht davon aus, dass die EU-Kommission die Air-Berlin-Übernahme sehr genau prüfen werde. „Der Ausgang dieses Verfahrens ist abzuwarten, bevor man darüber nachdenken kann, ob hier ein marktbeherrschendes Unternehmen eventuell missbräuchlich überhöhte Preise nimmt.“

Eine kurzfristige Besserung können die Reisenden jedenfalls nicht erwarten. „Es ist damit zu rechnen, dass die Preise mindestens so lange hoch bleiben, bis die laufenden Fusionskontrollverfahren abgeschlossen sind und das Angebot von Flügen wieder auf dem vorherigen Niveau angelangt ist“, sagte Monopolkommissionschef Achim Wambach dem Handelsblatt.

Offen ist auch, ob auf andere Weise die Preise gedrückt werden können. Etwa dadurch, dass die Fluggesellschaft Eurowings, wie sie selbst angekündigt hat, ihrer Mutter Lufthansa auf einigen Strecken direkte Konkurrenz machen will. Im kommenden Jahr sollen unter anderem die Strecken Berlin-Frankfurt, Berlin-München und Düsseldorf-München neu angeboten werden. Auf diesen Verbindungen ist nach dem Ende der Air Berlin derzeit die Lufthansa allein unterwegs.

Ob es dabei zu einem Preiskampf kommt, ist Kartellrechtlern zufolge aber fraglich, weil beide Gesellschaften demselben Konzern angehören. Derzeit herrscht aber gerade auf innerdeutschen Strecken eine sehr hohe Nachfrage, die wegen der Air-Berlin-Pleite auf ein ausgedünntes Angebot trifft. Das führt in den meist voll besetzten Flugzeugen zu hohen Ticketpreisen. Zusätzlich wird erwartet, dass die britische Easyjet mit ihren von Air Berlin übernommenen Flugzeugen ab 2018 ebenfalls innerdeutsche Verbindungen fliegen wird.

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