Hacker-Angriffe „Bundeswehr 4.0“ sucht IT-Soldaten

Wer im Netz zuhause ist, sich mit Apps, Sicherheitssoftware und digitalen Footprints auskennt, der hat gute Job-Chancen. IT-Spezialisten sind gefragt wie nie, nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch beim Militär.

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Interessenten an der IT-Ausbildung der Bundeswehr stehen an Deck der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“. Quelle: dpa

Wilhelmshaven Es ist ziemlich zugig auf dem Vordeck der Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“. Das Schiff liegt am Kai des Marinestützpunktes Wilhelmshaven. Rund 30 Zivilisten kommen aus dem Inneren des Schiffs, das eigentlich wegen Bauarbeiten aus Sicherheitsgründen gesperrt ist. Zumindest für Journalisten. Auf dem Deck stehen junge Leute, Männer und Frauen – so um die 20 Jahre, einige jünger, einige älter. Sie sind Teilnehmer des ersten „IT-Cyber-Camps“, mit dem die Bundeswehr den dringend benötigten IT-Nachwuchs anwerben will.

Mit der am 5. April von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Dienst gestellten neuen Bundeswehr Cyber-Truppe CIR haben die jungen Leute nicht so viel zu tun. Sie sind natürlich alle „IT-affin“, wollen sich aber zuallererst mal auf einer Fregatte umsehen und sich über die Marine informieren. Sie besichtigen die Kommandobrücke, das Operationszentrum und den Leitstand. „Kann ich mir schon vorstellen“, sagt Nils Groß (19), der bei der Bundeswehr in der Eifel eine zivile Ausbildung als Elektroniker für Geräte und Systeme absolviert. In rund einem Jahr muss er sich entscheiden, ob er bei der Bundeswehr bleibt oder in die Privatwirtschaft wechselt.

„Das sind ja keine Nerds, die Cola-trinkend und Chips-essend nächtelang vor dem Rechner sitzen“, korrigiert Kapitänleutnant Dominink Hagenah (34) vom Bundeswehr-Karrierecenter das Klischee über Hacker und Computer-Freaks. Vielleicht sucht die Bundeswehr auch solche Nerds, denn sie will sich besser und effizienter gegen die tausenden täglichen Hacker-Angriffe schützen. Dazu wurde die neue Einheit CIR in Dienst gestellt. Schon im Juli soll sie 13.500 Soldatinnen und Soldaten zählen, die aus den verschiedensten Bereichen der Bundeswehr unter das Cyber-Kommando gestellt werden. „Ja, wir müssen richtig Gas geben, um die klügsten Köpfe zu bekommen und zu halten“, hatte von der Leyen gesagt.

„Die Bundeswehr ist schon ein besonderer Arbeitgeber“, weiß auch Hagenah. Er spricht vom Familiengefühl bei der Marine, lobt die Chance, früh Verantwortung übernehmen zu können und die Vielfältigkeit der Aufgaben, die sich nicht nur auf IT beschränkten. Die Bundeswehr bemüht sich sichtlich um die IT-Community. „Das machen wir gerade auch durch Aktionen wie das IT-Cyber Camp.“ Aktuell sucht die Bundeswehr rund 1800 Fachkräfte. Im Angebot: 1000 Stellen als IT-Soldaten und 800 militärische und zivile Stellen als IT-Administrator.

Damit steht die Bundeswehr nicht alleine da. Laut der jährlich durchgeführten Umfrage des Digitalverbandes Bitcom gab es im November 2016 rund 51.000 offene Stellen für IT-Spezialisten. Das waren 20 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Hintergrund ist die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft. „Finanziell können wir natürlich nicht unbedingt mithalten“, räumt Hagenah mit Blick auf einige Gehaltsstufen bei Unternehmen ein.

In der Job-Beschreibung für die neue Cyber-Truppe der Bundeswehr steht im Grundsatz: Hacker-Angriffe abwehren und im Bedarfsfall Netzattacken ausführen. Aus Sicht des Chaos Computer Clubs ist das alles andere als ein positiver Trend. „Ich bin enttäuscht, dass das schöne Internet zum Kriegsschauplatz entwickelt wird. Da hätte ich mir von der Menschheit mehr erwartet“, sagte CCC-Sprecher Linus Neumann. Auch wenn die politische Einflussnahme durch das Netz zugenommen habe, seien regelrechte Sabotage-Akte durch Länder im Netz doch eher selten. „Jeder weiß, damit würde man die Büchse der Pandora öffnen“, so Neumann. Sabotage im Netz werde als kriegerischer Akt wahrgenommen.

Von Cyber-Attacken auf die Bundeswehr – immerhin über 280.000 in den ersten zwei Monaten 2017 – hat der Kommandant auf der Fregatte „Meckenburg-Vorpommern“ bislang nichts gemerkt. „Das Schiff ist sicher“, sagt Fregattenkapitän Christian Schultze. Auch er sucht für seine Mannschaft noch IT-Experten, die sich in der virtuell-digitalen Welt auskennen. Die Realität lernen sie dann beim Einsatz auf hoher See kennen. Die „Mecklenburg-Vorpommern“ läuft im August wieder ins Mittelmeer aus, um an der Operation „Sophia“ gegen Schleuserkriminalität teilzunehmen.

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