Jamaika Unterhändler wollen Schlusspunkt unter Sondierungen setzen

Eigentlich sollte der Sack schon in der Nacht zum Freitag zugemacht werden. Das misslang bekanntlich. Jetzt haben sich die Jamaika-Sondierer eine Frist bis Sonntagabend gesetzt. Doch ein Erfolg ist noch nicht garantiert.

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Teilnehmer der Sondierungsgespräche tagen im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU Bundeszentrale. Quelle: dpa

Unter hohem Zeit- und Einigungsdruck setzen CDU, CSU, FDP und Grünen an diesem Sonntag ihre Sondierungen zur Bildung einer Jamaika-Koalition fort. Diese sollen bis zum Abend abgeschlossen werden. Allerdings gibt es nach wie vor Streit in zentralen Fragen wie Migration, Klimaschutz und Energie. Nach dem Ende der Beratungen am Samstag hieß es in Teilnehmerkreisen, wenn das Thema Migration gelöst werden könne, käme man auch bei Klimaschutz und Energie zusammen. Der Klimaschutz und der Umgang mit Kohlekraftwerken sind für die Grünen besonders wichtig, die Begrenzung der Zuwanderung für die CSU. Auch beim Streitthema Verkehr sind zentrale Fragen wie die Zukunft von Verbrennungsmotoren weiter strittig.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur und des ARD-Hauptstadtstudios haben die Grünen der CSU beim Thema Zuwanderung ein Kompromissangebot gemacht. Demnach soll die Zahl von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr als flexibler Rahmen gelten. Die Grünen betonen, dass diese Zahl seit der Wiedervereinigung nur in fünf Jahren überschritten worden sei. „Deswegen wollen wir in diesem Rahmen auch in Zukunft handeln, gerade mit Blick auf die Integrationsmöglichkeit in den Kommunen.“

Dieses Angebot gelte aber nur, wenn sich auch die CSU bewege. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus dürfe nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, wie dies bislang vor allem die CSU fordert. Die Grünen machen aber auch klar, dass am Grundrecht auf Asyl nicht gerüttelt werden dürfe. Das Grundgesetz kenne keine Obergrenze. „Wir werden es weder infrage stellen noch aushöhlen“, heißt es in dem Vorschlag. Für die CSU dürfte das kein Problem darstellen, da auch sie am Grundrecht an Asyl festhalten will. Grünen-Unterhändler Jürgen Trittin bekräftigte in der „Bild am Sonntag“, beim Thema Migration sei für seine Partei die Schmerzgrenze erreicht. Nicht verhandelbar sei der Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge.

Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) forderte seine Partei auf, einen uneingeschränkten Familiennachzug für Flüchtlinge zu ermöglichen. Ehe und Familie seien auf Dauer angelegt, Ehemann und -frau gehörten zusammen und Kinder zu ihren Eltern. Das gelte immer und überall, unabhängig von Staatsangehörigkeit, Religion und Zahl der Betroffenen, schrieb er in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Blüm warnte: „Wenn der Familiennachzug für Flüchtlinge, egal wie klein oder groß deren Zahl ist, an der CDU scheitert, wird das eine Wunde in die Seele der Partei reißen, die lange eitert. Das Gesicht der CDU würde verschandelt.“

Die große Koalition hatte den Familiennachzug für Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus für zwei Jahre bis März 2018 ausgesetzt. Die Grünen verlangen, dass er anschließend wieder zugelassen wird. Die CDU und vor allem die CSU lehnen dies ab.

Verständigung gab es am Samstag nach Darstellung der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im Grundsatz bei Agrar und Wirtschaft.

Beim Ringen um das Einhalten der Klimaziele spitzt sich die Debatte auf die Frage zu, ob die Kohleverstromung in einer Größenordnung von höchstens fünf oder sieben Gigawatt reduziert wird. Die Grünen hatten eine Reduzierung um acht bis zehn Gigawatt gefordert. Union und FDP wollten ursprünglich nur drei bis maximal fünf Gigawatt zugestehen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bot dann sieben Gigawatt an. Die FDP schlug nach dpa-Informationen vor, fünf Gigawatt bis 2020 abzuschalten und die Reduzierung weiterer zwei Gigawatt im Regierungshandeln offen zu prüfen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief alle Seiten auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Es bestehe kein Anlass für „panische Neuwahldebatten“. Der „Welt am Sonntag“ sagte Steinmeier: „Wenn jetzt von den Jamaika-Verhandlern hart um große Fragen wie Migration und Klimaschutz gerungen wird, muss das kein Nachteil für die Demokratie sein.“ Über die Debatte zum Umgang mit Flüchtlingen und Zuwanderern sagte er: „Wir werden diese Phase nicht überwinden, solange die Migrationsdebatte moralisches Kampfgebiet bleibt.“ Die Politik müsse jetzt Vorschläge für eine kontrollierte und gesteuerte Zuwanderung entwickeln.

Falls die Jamaika-Sondierungen scheitern sollten, wünschen sich 49 Prozent der Bundesbürger einer Umfrage zufolge die Bildung einer großen Koalition von Union und SPD, 47 Prozent sind dagegen. Das geht aus einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ hervor. 47 Prozent sind angesichts der stockenden Jamaika-Verhandlungen für sofortige Neuwahlen, 50 Prozent sind dagegen.

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