Kanzlerkandidatur Osteuropa schweigt zur Merkel-Kandidatur

Osteuropa schweigt zur neuen Kanzlerkandidatur von Angela Merkel. Die Medien von Griechenland, Rumänien, Ungarn, Tschechien bis Polen lassen lediglich Notizen verlauten. Nur Slowenien lobt die Kandidatur.

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Nur „Delo“, die wichtigste Zeitung des NATO- und Europartners Slowenien schreibt: „Viele sehen sie als die letzte Verteidigerin des freiheitsliebenden Westens“, lobt das Blatt. Quelle: dpa

Belgrad Keine Zustimmung oder Lob, aber auch keine Kritik oder Ablehnung. Die Reaktionen in Ost- und Südosteuropa auf die neue Kandidatur Angela Merkels als Kanzlerkandidatin und CDU-Vorsitzende sind fast vollständig ausgeblieben. Von Griechenland und Rumänien, über Ungarn und Tschechien bis nach Polen: In den Medien – wenn überhaupt – nur kurze nachrichtliche Notizen. Kommentare und Analysen fehlen praktisch durchgehend. Selbst Spitzenpolitiker in der Region, die ihr eigentlich nahestehen, kommen nicht aus der Deckung.

Eine Ausnahme von diesem Schweigekartell ist „Delo“, die wichtigste Zeitung des NATO- und Europartners Slowenien. „Viele sehen sie als die letzte Verteidigerin des freiheitsliebenden Westens“, lobt das Blatt. Die „ewige Kanzlerin“ habe entschieden, diese Rolle weiter zu spielen, heißt es unter dem Titel „Die Unentbehrliche“. Doch die Regierung, sonst verlässlich im Merkellager, äußert sich nicht.

Auch die konservative Zeitung „Lidove noviny“ in Prag unterstreicht Merkels „Rolle der unentbehrlichen Mutter der Nation“. Bei den Tschechen ist Angela Merkel jedoch wegen ihrer Flüchtlingspolitik höchst unbeliebt. In einer Umfrage rangierte sie auf dem letzten Platz noch hinter Kremlchef Wladimir Putin. Möglicherweise ist die Sprachlosigkeit der tschechischen Spitzenpolitiker damit zu erklären, dass sie es sich mit dem Thema Merkel nicht mit ihren Wählern verscherzen wollen.

Genau so werden die ausgebliebenen politischen Reaktionen in den EU-Ländern Bulgarien und Rumänien gedeutet, wo die Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik heftig kritisiert wird. Selbst der gerade zurückgetretene bulgarische Regierungschef Boiko Borissow, sonst glühender Merkelfan, hüllt sich in Schweigen. Beim jüngsten EU-Mitglied Kroatien heißt es ebenso Fehlanzeige bei politischen Reaktionen. Obwohl hier die CDU-Schwesterpartei HDZ gerade eine neue Regierung gebildet hat.

Auch die CDU-Schwesterpartei Nea Demokratia in Griechenland hält sich zurück. Regierungschef Alexis Tsipras, wegen der verordneten Sparpolitik früher mit Merkel über Kreuz, heute aber auf einer gemeinsamen Linie, verkneift sich ebenfalls eine Reaktion. Wie auch in Tschechien reden sich die Politiker damit heraus, es handele sich schließlich um deutsche Innenpolitik, in die man sich nicht einmischen wolle. Möglicherweise will auch niemand vorpreschen, weil nicht sicher ist, wie die Bundestagswahl am Ende ausgeht?

Selbst beim Nachbarn Polen sieht es nicht anders aus. Lange vor der Kandidatur hatte Außenminister Witold Waszczykowski der Nachrichtenagentur PAP gesagt, sein Land begrüße einen solchen Schritt. Doch jetzt herrscht Stillschweigen. Nach Meinung heimischer Experten haben Merkel und die nationalkonservative Warschauer Regierung mehr gemeinsame als gegensätzliche Interessen. Zwar verfolgten sie in der Flüchtlingspolitik und bei den EU-Reformen ganz unterschiedliche Ziele, sagt zum Beispiel Deutschland-Expertin Agnieszka Lada. Doch Berlin sei beim Thema Russland doch ein verlässlicher Partner.

Auffallend ruhig gibt sich auch einer der vehementesten Merkel-Kritiker. Ungarns Regierungschef Viktor Orban wetterte beim Besuch des Nachbarn Serbien nur gegen den scheidenden US-Präsidenten Barack Obama. Sein Land sei es leid, von großen Ländern Vorschriften gemacht zu bekommen, wie es sich in der Flüchtlingskrise oder in Sachen Rechtsstaat oder Moral verhalten müsse. Vielen Zuhörern kamen die Vorwürfe bekannt vor. Der Adressat war im letzten Jahr Berlin.

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