Kevin-Prince Boateng über die AfD „Die wachsen und wachsen und keiner haut dazwischen“

Der Profifußballer Kevin-Prince Boateng hat viele bittere Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Dementsprechend besorgt ist er über das Erstarken der rechtspopulistischen Partei AfD. Was er von den Verbänden fordert.

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„Wie ist es möglich, dass so eine Partei so viele Stimmen bekommt?“ Quelle: dpa

Berlin Die teilweise ausländerfeindlichen Parolen der AfD haben beim Profifußballer Kevin-Prince Boateng ihre Spuren hinterlassen. „Wenn dich so viele Menschen aus dem Land wünschen, bist du besorgt“, sagte Boateng im Interview mit „jetzt“, dem Magazin der „Süddeutschen Zeitung“.

„Und wenn sich einer ans Mikrofon stellt und sagt, dass er Merkel jagen wird, denke ich: Jagen tut man Tiere, keine Menschen. Wie ist es möglich, dass so eine Partei so viele Stimmen bekommt? Die wachsen und wachsen und keiner haut dazwischen.“

Die AfD, die bei der Bundestagswahl 2013 noch knapp scheiterte, war mit 12,6 Prozent ins Parlament eingezogen. Der Spitzenkandidat und jetzige Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland machte am Wahlabend schon die erste Kampfansage an die künftige Bundesregierung: „Sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen“, sagte er. „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mahnte daraufhin die neuen AfD-Abgeordneten, ihr Mandat ernst zu nehmen. „Das erfordert eine sprachliche Disziplin in der Debatte, die die Bedeutung eines Parlamentes erkennen lässt und nicht Provokationen anstelle von Kooperationen setzt“, sagte Lammert Anfang Oktober der „Welt“. Mit Blick auf die Äußerung Gaulands, die AfD werde Kanzlerin Angela Merkel (CDU) jagen, fügte Lammert hinzu: „Ein Parlament ist kein Jagdrevier.“

Die Sorgen des Profifußballers Boateng kommen nicht von ungefähr. Vor gut einem Jahr hatte nicht nur Gauland mit einer Äußerung über Boatengs Bruder provoziert. Der AfD-Vize hatte mit Blick auf den Nationalspieler Jérôme Boateng gesagt: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut, aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“

Auch Parteikollegin Beatrice von Storch sorgte nach dem Aus des DFB-Teams bei der EM 2016 mit einem Tweet für Empörung. „Vielleicht sollte nächstes Mal dann wieder die deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen?“, twitterte sie in Anspielung auf Fußballer mit Migrationshintergrund.


„Ich habe viel geweint in der Zeit.“

Zur Zielscheibe rechtspopulistischer Provokationen werden zu können ist das eine, Kevin-Prince Boateng spricht in dem Interview auch ungewöhnlich offen über seine Erfahrungen mit Rassismus im deutschen Fußball. Der Spieler des Erstligisten Eintracht Frankfurt sagte, er habe bereits als Kind regelmäßig Beschimpfungen von Eltern gegnerischer Spieler hinnehmen müssen.

„Du weißt ganz genau, dass sie in diesem Moment einen sieben- oder achtjährigen Jungen aufs Tiefste verletzen wollen. Als ich jung war, habe ich immer versucht, das wegzudenken, zu unterdrücken“, sagte Boateng. „Ich habe viel geweint in der Zeit.“ Seit er denken könne, habe er bis zu dem Tag, als er 2013 bei einem Freundschaftsspiel vom Platz ging, alles in sich hineingefressen. „Das ist die Hölle“, so Boateng.

Rassistische Beleidigungen bekämen Profi-Fußballer nicht nur von der Tribüne zu hören, sondern genauso auf dem Spielfeld, so der 30-jährige Bundesligaspieler: „Wenn mich jemand als ´scheiß Schwarzer´ betitelt, ist das nicht erlaubt. Das ist Rassismus, Punkt. Trotzdem ist es mir schon passiert, dass Gegenspieler mich so genannt haben.“

Boateng kritisierte im Gespräch die Fußballverbände und Vereine und fordert sie auf, deutlich mehr Engagement gegen Rassismus zu zeigen. „Es reicht nicht, vor Champions-League-Spielen ein ‘No to racism’-Video zu zeigen. (...) Es reicht auch nicht, ab und an ein T-Shirt anzuziehen, auf dem `Kein Rassismus` steht, oder `Wir zeigen Rassismus die rote Karte`“.

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