Knauß kontert

Die Bildungsökonomie bringt der Bildungsnation Deutschland den Ruin

Ferdinand Knauß Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Ferdinand Knauß Reporter, Redakteur Politik WirtschaftsWoche Online Zur Kolumnen-Übersicht: Anders gesagt

Josef Kraus kann es nicht lassen. Der frühere Präsident des Lehrerverbands rechnet in seinem neuen Buch wütend mit den Bildungsreformern ab. Recht hat er.

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Die Zeit eifriger Debatten in Lehrerzimmern ist vorbei. Die seit rund 20 Jahren andauernde Phase fiebriger Reformeritis im deutschen Bildungswesen hat mittlerweile bei vielen Lehrern zu erschöpfter Resignation geführt: Sie wollen einfach nur endlich in Ruhe ihren Job machen dürfen, ohne ihre Schulen und den Unterricht alle Jahre wieder umorganisieren zu müssen.

Von den seit Wilhelm von Humboldt bewährten Strukturen und pädagogischen Paradigmen der einst führenden Bildungsnation Deutschland ist ohnehin nicht viel geblieben. Auch CDU-Bildungspolitiker (mittlerweile gibt es die fast gar nicht mehr) haben schon lange auf organisierten Widerstand gegen den pädagogischen Reformeifer einer unheiligen Allianz linker Gleichheitsideologen und ökonomistischer Effizienzapostel weitgehend verzichtet. Auf kaum einem Politikfeld hat diese Allianz mit ihren vollmundigen Heilsversprechen größeres Unheil angerichtet als im deutschen Bildungssystem.

Josef Kraus hat diese traurige Geschichte in seinem höchst lesenswerten neuen Buch „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ nacherzählt. Der Präsident des Lehrerverbands nennt es treffend „eine – bisweilen grimmige – Untersuchung der Trümmer und Ruinen, die deutsche Bildungspolitik und deutsche Bildungswissenschaften hinterlassen haben“.

Können Sie diese PISA-Aufgaben lösen?

Zu den interessantesten Kapiteln zählt das über die Ganztagsschule, die „wie ein ultimatives Wundermittel und Füllhorn“ daherkomme. In den frühen Nullerjahren unter Bildungsministerin Edelgard Bulmahn konnte, wie Kraus schreibt, „sich das entfalten, was alle möglichen gesellschaftlichen »Kräfte« seit Jahr und Tag gefordert hatten, zum Beispiel bereits im Jahr 1991 in seltener Einmütigkeit ein Aktionsbündnis aus Deutschem Gewerkschaftsbund und Arbeitgeberverbänden. Oder eine bayerische SPD, die im März 2001 mit Blick auf Ganztagsschule dichtete: »Auf Dauer schlauer«. Oder Olaf Scholz (SPD), der im März 2002 »eine kulturelle Revolution« ausgerufen hatte, um »die Lufthoheit über den Kinderbetten zu erobern«, und der eine Ganztagsbetreuung »von der Geburt bis zum Ende der Schulzeit« wollte.“

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