Koalition und die Wirtschaft Was sich Unternehmen von Jamaika versprechen

Jamaika sorgt für Aufschwung. Quelle: Marcel Stahn

Im politischen Betrieb gilt Schwarz-Gelb-Grün als Notlösung. In der Wirtschaft dagegen erkennt man einen Sieg des Pragmatismus. Nur ein Thema könnte das ändern.

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Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen Quelle: dpa
Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG Quelle: dpa
Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender von E.On Quelle: REUTERS
Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) Quelle: VCI / René Spalek
Klaus Schäfer, Vorstandsvorsitzender von Uniper Quelle: dpa
Gisbert Rühl, Vorstandsvorsitzender des Stahlhändlers Klöckner & Co SE Quelle: REUTERS
Stefan Sommer, Vorstandschef der ZF Friedrichshafen AG Quelle: dpa

Als die Grünen 1998 erstmals in eine bundesdeutsche Regierungskoalition eintraten, galten sie noch als Unternehmerschreck. Nicht ohne Grund. Der entschiedene Linke, Ex-Kommunist und Ex-Hausbesetzer Jürgen Trittin als Bundesumweltminister legte sich bevorzugt mit Automobilindustrie und der Energieversorgern an.

Von solchen Befürchtungen ist zwanzig Jahre später nicht mehr viel übrig. Den Atomausstieg hat eine CDU-Kanzlerin ganz ohne Mithilfe der Grünen abgeräumt und Trittins Kampf für eine komplette Rücknahmepflicht von Altautos ist längst vergessen. Nicht nur, weil Trittin keine Minister-Ambitionen mehr hat, wird die sich abzeichnende Jamaika-Koalition von Unternehmen und unternehmensnahen Ökonomen ausgesprochen positiv betrachtet.

Für den Hauptgeschäftsführer des Privatbankenverbands BdB, Michael Kemmer, ist eine solche Koalition „keine Notlösung, sondern sollte vielmehr als Chance begriffen werden“. Von der künftigen Regierung erwarte man „dogmenfreie Rahmenbedingungen, die einen positiven Impuls für Deutschland setzen“, sagt Mathias Oberndörfer, Bereichsvorstand bei der Unternehmensberatung KPMG.

Worüber FDP und Grüne streiten werden

Befürchtungen vor wirtschaftsfeindlichen Bremsmanövern der Grünen sind offenbar auf Seiten der Unternehmer durch die Erfahrungen mit einem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg und einer schwarz-grünen Koalition in Hessen endgültig ausgeräumt. „Ich halte eine solche Regierung für machbar und auch nicht schlecht“, sagt zum Beispiel der baden-württembergische Textilunternehmer Wolfgang Grupp im WiWo-Interview und wünscht sich: „Herr Kretschmann, der seinen Job gut macht, muss ein Wort mitreden können und auch auf Bundesebene in der Partei Gehör finden.“

Gerade der Verlust großer ideologischer Gegensätze zwischen den etablierten Parteien, der aus demokratietheoretischer Perspektive ein Problem ist, wird aus der Perspektive unternehmerischer Interessen zu einem Vorteil. Eine Union, die sich von früheren gesellschaftspolitischen Wertvorstellung restlos verabschiedet hat, trifft in der Jamaika-Koalition auf Grüne, die sich mit Kommerz und Kapitalismus längst bestens arrangiert haben. In ihr würden sich Pragmatiker zusammenfinden, sagte Oberndörfer. Im Gegensatz zum politischen Betrieb und den Medien befürchtet man in der Wirtschaft offenbar keine radikalen Konflikte in der künftigen Koalition, zumindest nicht auf den Themenfeldern, die für Unternehmen relevant sind. Berechenbarkeit und Planungssicherheit – das ist das, was sich die Wirtschaft von Jamaika erhofft.

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, prophezeit, dass sich die Koalitionäre jeweils auf die Politikfelder konzentrieren werden, auf denen sie sich nicht ins Gehege kommen. Die Grünen würden sich auf Umweltpolitik konzentrieren und den Druck auf die Automobilindustrie hoch halten, aber,  „sie werden sich verabschieden müssen von einem Festschreiben des Endes für den Verbrennungsmotor im Jahr 2030.“ Die anderen Koalitionäre „könnten das den Grünen versüßen, indem sie eine großzügige Förderung der Elektromobilität in Aussicht stellen“ und ihnen  „bei ihrem Ziel entgegenkommen, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen”, so Krämer.

Jamaika-Sondierung startet: Was die Wirtschaft erwartet

Die FDP dagegen dürfte sich vor allem um die Themen Steuern und Finanzen kümmern. Das machte  FDP-Chef Christian Lindner schon vor den gestrigen Sondierungsgesprächen mit der Union klar, als er den Posten des Finanzministers zwar nicht unbedingt für sich selbst beanspruchte, aber keinesfalls der Union überlassen wollte. Ganz offensichtlich hat man in der der FDP aus dem Fehler von 2009 gelernt, als sie das Finanzministerium preisgab, um den Außenminister zu stellen. In ihrem Wahlprogramm vertreten die Grünen zwar steuerpolitisch sehr konträre Position, aber man darf bezweifeln, dass sie sich angesichts der stark wachsenden Wirtschaft dauerhaft Steuererleichterungen verweigern können. Der Druck wird nicht nur von der FDP, sondern auch von der CSU stark sein.

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