"Konservativer Aufbruch" in der CSU Besuch bei den Unionsrebellen wider Willen

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Der Konservative Aufbruch ist ein seltenes Phänomen

Der Konservative Aufbruch ist ein seltenes Phänomen in der professionalisierten Szene der etablierten Parteien: Eine Bewegung von engagierten, zum Großteil erstaunlich jungen Parteimitgliedern ohne berufspolitische Ambitionen. Bendels ist 31, seine Sprecherkollegen Linda Mergner, Thomas Jahn und Lars Bergen sind 34, 42 und 40 Jahre alt. Willsch, Geburtsjahrgang 1961, gehört an diesem Abend zu den Ältesten im Raum.

Was sind das für Leute? In seiner Trachtenjacke sieht Bendels bayrischer als alle anderen aus, doch er ist in Duisburg in einer Familie von Bergleuten und Gewerkschaftern aufgewachsen. Seine Lehrer seien alle „Alt-68er“ gewesen, die er als Ideologen empfand. Unter solchen Umständen konservativ zu werden, das sei schon „Rebellentum“, erzählt Bendels. Jahn berichtet ähnliches: Seine Lehrer seien entsetzt gewesen, als er sie 1988 bat, an der Beerdigung von Franz-Josef Strauß teilnehmen zu dürfen.

Für die Erneuerung der CSU

Ein rebellischer Akt unrebellischer Bürger, so könnte man den Konservativen Aufbruch vielleicht charakterisieren. Vor knapp zwei Jahren, im Juni 2014, haben Bendels und andere CSU-Mitglieder – unter bewusstem Verzicht auf die Teilnahme von Mandatsträgern – die „CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit“ gegründet. Das auslösende Moment für ihr Engagement war damals, so erzählt Jahn, vor allem der enttäuschende Koalitionsvertrag.

„Die Führungsgremien der CDU und CSU … setzen den Kurs der Ausgrenzung konservativer und wirtschaftsliberaler Positionen … leider unbeirrt fort“, heißt es im Gründungsmanifest. Man trete „für eine Erneuerung der CSU auf christlich-konservativer und marktwirtschaftlicher Basis ein“. Man kämpfe „für eine umfassende Steuerreform mit einer echten Entlastung der arbeitenden Bevölkerung und für grundlegende Reformen der sozialen Sicherungssysteme“. Leitbild sei „die soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards“, die in konservativen Tugenden wurzele: „Fleiß, Leistung, Sparsamkeit, Verantwortungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Einsatzfreude und Hilfsbereitschaft“.

Was man ablehnt: „die überstürzte Energiewende“, „Vergemeinschaftung der Staats- und Bankenschulden in der Europäischen Union“, („wer die Euro-Stabilitätskriterien dauerhaft nicht erfüllt, soll die Eurozone verlassen können“), die „Ausweitung der sogenannten doppelten Staatsbürgerschaft“, die „sinnlose, ideologische und unwissenschaftliche Gender-Mainstreaming-Forschung“ und vor allem eine „Parteiführung, die die Grundwerte der Union opfert, um sich den jeweils wechselnden medialen Stimmungslagen anzupassen“.

"Der Vorwurf, wir seien Spalter, ist absoluter Unsinn"

In der Unterstützerliste der Bewegung stehen mittlerweile über 10.000 der insgesamt rund 145.000 CSU-Mitglieder. „Es gibt Mandatsträger, die uns bekämpfen. Aber der Vorwurf, wir seien Spalter, ist absoluter Unsinn“, sagt Bendels. „Wir erhalten täglich E-Mails von Leuten, die schreiben: Nur weil es euch gibt, bin ich noch in der CSU. Mittlerweile hält auch Horst Seehofer zumindest neutral die Hand über uns, weil er merkt, dass wir der Partei nutzen. Wir halten konservative Leute in der CSU“, sagt Bendels. Er glaubt nicht, dass die Stärkung konservativer Positionen in der Union von oben, von den Berufspolitikern des „Berliner Kreises“ kommen könne. Das müsse über die Basis passieren, durch mühsame Arbeit in den einzelnen Kreisverbänden.

„Entweder man tritt aus der Partei aus, weil man sich mit ihr nicht mehr identifizieren kann“, sagt Linda Mergner, Ärztin und KA-Sprecherin für Oberfranken, „oder man versucht, sich die Partei zurück zu holen, in die man irgendwann mal eingetreten ist.“ Das wollen nun auch CDU-Mitglieder tun. In mehreren CDU-Landesverbänden, unter anderem in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, gründen sich gerade ähnliche Basisbewegungen nach bayrischem Vorbild.

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