Merkel und Macron Richtige Worte für beide Seiten

Kanzlerin Merkel macht Präsident Macron keine offenen Zugeständnisse, aber verkneift sich auch deutsche Besserwisserei. Ein doppelt wichtiges Signal.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beim Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Quelle: REUTERS

Kanzlerin Angela Merkel erhält in ihrer täglichen Pressemappe nicht nur einen Überblick über die deutsche Presse, sondern auch über die wichtigsten internationalen Medien, etwa die französischen. Liest Merkel an diesem Dienstagmorgen durch ihre Mappe, nach ihrem ersten Treffen mit Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron, kann sie nur zu einem Schluss kommen: Alles richtig gemacht.

Dabei fallen die Schlagzeilen durchaus unterschiedlich aus, je nach Land. In Berlin heißt es, Merkel sei gegenüber dem Franzosen höflich, aber zurückhaltend gewesen – etwa mit Blick auf dessen Reformvorschläge zur EU und der Euro-Zone, wie einen gemeinsamen Finanzminister, den viele Deutsche eher kritisch sehen. In Frankreichs Gazetten ist hingegen zu lesen, die Kanzlerin habe sich im Ansatz offen zu solchen Plänen gezeigt, sogar für eine denkbare Änderung der EU-Verträge.

Und genau diese doppelten Signale – dem heimischen Publikum bloß nicht zu viel Reformfreude zumuten, gleichzeitig aber den Franzosen mehr Offenheit signalisieren – wollte Merkel ja senden. Nur so weht für sie dem deutsch-französischen Neuanfang mit Macron ein "Zauber inne", wie die sonst nüchterne Physikerin Merkel dem bekennenden Goethe-Verehrer Macron ungewöhnlich poetisch zurief.

Merkel setzte so zugleich einen markanten Gegenton zur Rhetorik einiger Parteifreunde. Gerade Christdemokraten waren unmittelbar nach Macrons Wahlsieg über dessen wahren und vermeintlichen Reformpläne hergefallen und hatten ihn als "teuren Freund" gebrandmarkt - dabei geflissentlich ignorierend, was jener im Wahlkampf stets betont hatte: dass Frankreich erst einmal daheim für Stabilität und Wachstum sorgen müsse, ehe es den Rest des Kontinents reformieren könne.

Macron spricht auch in Berlin offen darüber, sein Land habe nach wie vor ein gewaltiges Problem mit der Arbeitslosigkeit, mit den Strukturen des Arbeitsmarktes. Und er beruhigt jene Deutsche, die auf das Wort Eurobonds besonders kritisch reagieren. "Ich bin nicht für die Vergemeinschaft vergangener Schulden", sagt er, denn darunter sei nichts anderes als der Einstieg in die Verantwortungslosigkeit zu verstehen. „Neue Investitionen“ seien notwendig, aber „keine Vergemeinschaftung der Vergangenheit."

Und weil er das sagt, fällt es auch Merkel leicht, grundsätzliche Offenheit zu signalisieren - etwa dass sie keineswegs grundsätzlich gegen Reformen in der EU und der Euro-Zone sei. Den Lissaboner Vertrag der EU etwa nennt sie nicht in Stein gemeißelt", wenn sich die ganze Welt ändere. "Wenn wir sagen können, warum, wozu, was die Sinnhaftigkeit ist, wird Deutschland jedenfalls dazu bereit sein", so Merkel. Konkreter aber wird sie nicht. Aber es ist für Macron konkret genug, um ein Argument seiner Rivalin Marine Le Pen aus dem Wahlkampf zu kontern - dass er gegen die übermächtige Deutsche Merkel in Europa ohnehin nichts werde erreichen können.

Merkel signalisiert damit auch: Es soll in der deutsch-französischen Beziehung wieder um Augenhöhe gehen - der Ton macht die Musik, wie in jeder Beziehung. Dass die Kanzlerin all dies nur einen Tag nach der wichtigen NRW-Wahl so souverän balancieren kann, hängt auch mit dem Ergebnis dieser Wahl zusammen. Gerade ihre parteiinternen Wahlkampfkritiker wie Finanzstaatssekretär Jens Spahn - der umgehend einen strengen Reformkurs von Macron eingefordert hatte - müssen nach dem NRW-Triumph der Kanzlerin erst einmal Zurückhaltung üben. Insofern hat Politik-Wunderkind Emmanuel Macron mal wieder Glück: Er trifft eine sehr entspannte Kanzlerin.

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