Die große Koalition hat sich fünf Monate nach dem Krisen-Gipfel zum Preisverfall bei Milch auf Hilfen für Bauern geeinigt. So sollten unter finanziellen Engpässen leidende Milchviehbetriebe künftig Darlehen von bis zu 300.000 Euro beantragen können, teilte der landwirtschaftliche Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, am Montag in Berlin mit. "Die Unterstützung der Koalitionsfraktionen für das Hilfspaket ist eine gute Nachricht für die deutschen Milchbauern", erklärte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Jetzt müssten Bundestag und Bundesrat rasch die Hilfen verabschieden.
Bei den geplanten Darlehen soll der Bund nach den Plänen mit einer Ausfallbürgschaft einspringen. Dies soll Höfen zugutekommen, die nicht selbst ausreichende Sicherheiten für die Kredite anbieten können. Zudem soll das EU-Hilfsprogramm für Milchbauern um 58 Millionen Euro auf dann 116 Millionen aufgestockt werden. Die Mittel sind zur Begrenzung der Milchmenge vorgesehen. Teil des Hilfspaket sind auch steuerliche Entlastungen.
Schmidt hatte das Hilfspaket beim Milchgipfel bereits vor fünf Monaten skizziert. Auslöser des Krisentreffens war ein Tief der Erzeugerpreise von rund 20 Cent je Liter, vielen der 77.000 Milchbauern fiel es immer schwerer, rentabel zu produzieren. Mittlerweile haben sich die Abnahme-Preise auf eine Spanne zwischen 24 und 25 Cent erholt. Der Milchindustrieverband begrüßte die Einigung von Union und SPD. Ein Sprecher bedauerte jedoch, steuerliche Vergünstigungen seien kleiner als ursprünglich geplant ausgefallen.
Der komplizierte Milchmarkt
Die Produktion in den führenden Milcherzeugerländern ist weltweit überproportional gewachsen. Der Hauptgrund dafür sind die hohen Preise der Vergangenheit.
Bei mehr als 40 Cent pro Liter, die die Bauern zwischenzeitlich einheimsten, war die Milchproduktion ein durchaus profitables Geschäft. Also haben sie Kühe gekauft, um mehr zu produzieren und mehr Geld zu verdienen. Aus Sicht jedes einzelnen Bauern ein logisches Verhalten. Wenn aber sehr viel Bauern so handeln, gibt es irgendwann insgesamt zu viel Milch auf dem Markt - und wenn sich die Nachfrage nicht im gleichen Maß erhöht, sinkt der Preis wieder. Für die sinkende Nachfrage gibt es ebenfalls benennbare Gründe.
Zum einen sorgen das Russland-Embargo für einen Rückgang im Milchexport. Zum anderen sorgt die dauerhaft geringe Milchpulver-Nachfrage Chinas, als größtem Abnehmer der deutschen Milch, für Überkapazitäten am Markt. Zusätzlich sinkt die Kaufkraft der Erdöl exportierenden Staaten, die ein Drittel der weltweit gehandelten Milchprodukte importieren, aufgrund des gefallenen Ölpreises.
Die Milchquote wurde 1984 von der damaligen Europäischen Gemeinschaft eingeführt, um die Milchproduktion in den Mitgliedsstaaten zu beschränken. Sie war eine Reaktion auf die steigende Agrarproduktion, die bereits Ende der 1970er-Jahre zu den sprichwörtlichen Milchseen und Butterbergen geführt hatte. Die Überschüsse wurden teuer vom Markt gekauft. Ursprünglich nur für fünf Jahre geplant, wurde die Quote immer und immer wieder verlängert. Wer mehr Milch als vereinbart produzierte, musste eine sogenannte Superabgabe zahlen. Bis zum April 2015. Ab jetzt durften die Erzeuger soviel Milch produzieren wie sie wollen und können. Die Quote wird vor allem wegen anhaltender Erfolgslosigkeit abgeschafft. Butterberge und Milchseen wurden zwar kleiner. Die Preise schwankten allerdings trotzdem.
In den 50er Jahren war schon ein großer Milchbauer, wer zehn Kühe besaß. Um zu existieren, müsste ein Betrieb in dieser Größe heute Milchpreise von mehreren Euro pro Liter verlangen. Das geht nicht. In Deutschland gab es 1996 noch 186.000 Milchbauern, heute liegt ihre Zahl etwa bei 101.000. Sie sinkt jährlich um etwa fünf Prozent. Im bundesweiten Durchschnitt hält ein deutscher Milchbauer bis zu 60 Tiere. Aber fast die Hälfte aller Betriebe besteht aus 100 und mehr Kühen.
Ungeklärt sind weiterhin strukturelle Maßnahmen, um künftige Überproduktionen und den damit einhergehenden Preisverfall zu vermeiden. Schmidt hat die Branche zu einer internen Lösung aufgefordert, durch die eine marktorientierte Milchmengenregulierung ermöglicht werden soll. Dauerhafte Subventionen hat der CSU-Politiker ausgeschlossen.