Musterfeststellungsklage Breite Front gegen Unions-Blockade

Justizminister Maas will Verbraucher-Musterklagen ermöglichen. Doch einige Unions-geführte Ministerien ziehen nicht mit. Nun fordern die Verbraucherschutzminister der Bundesländer ein Ende der Blockade.

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„Ich habe bisher keine fachlichen Einwände gehört, die mich überzeugt hätten.“ Quelle: dpa

Berlin Die Idee, die hinter dem Plan von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), steckt, klingt nicht schlecht: Durch die Einführung einer Musterfeststellungsklage sollen Verbände und Organisationen in einem einzigen Gerichtsprozess etwa Schadensersatzansprüche mehrerer Verbraucher gegen Unternehmen klären lassen können. Dafür hat Maas schon vor Monaten ein entsprechendes Gesetz entworfen. Doch das Gesetzgebungsverfahren stockt, weil innerhalb der Bundesregierung Uneinigkeit über die Ausgestaltung der geplanten Musterklage herrscht.

Dem Vernehmen nach haben die Ressorts von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Agrarminister Christian Schmidt (CSU) verhindert, dass Maas auf dem Weg der Gesetzgebung voranschreitet und seinen Entwurf an die Bundesländer und Verbände verschicken kann. Das Finanzministerium sieht demnach mit dem Vorhaben „erhebliche Unsicherheit“ für Versicherer und Banken verbunden und verlangt, solche Musterklagen erst ab 100 statt 10 Betroffenen zuzulassen. Das Agrarministerium kritisiert, dass Maas' Entwurf über das Vorhaben des Koalitionsvertrags hinausgehe, lediglich das Vertragsrecht zu verbessern.

In den Ländern stößt die Blockadehaltung auf wenig Verständnis. Im Gegenteil, beim Treffen der Verbraucherschutzminister am Freitag in Dresden mahnten die Länderressortchefs parteiübergreifend die Bundesregierung, nun endlich konkret zu werden. „Um den wirtschaftlichen Verbraucherschutz weiter zu stärken, setzt die Konferenz auf die baldige Einführung der Musterfeststellungsklage“, erklärte die sächsische Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz Barbara Klepsch (CDU). Der Freistaat Sachsen hat in diesem Jahr den Vorsitz der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) inne. Die Bundesregierung werde daher gebeten, „zügig einen Gesetzesentwurf für die Einführung einer Musterfeststellungsklage vorzulegen“.

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) begrüßte die die breite Zustimmung. Staatssekretär Gerd Billen, der ebenfalls an der Verbraucherschutzministerkonferenz teilnahm, sprach im Anschluss von einem wichtigen Signal. „Dieser Rückenwind über die Parteigrenzen hinaus stärkt uns in dem Vorhaben, allen Verbraucherinnen und Verbrauchern ein gutes und leicht zugängliches Rechtsdurchsetzungsinstrument an die Hand zu geben“, sagte er. Gerade in Zeiten standardisierter Massengeschäfte bräuchten die Verbraucher das Instrument der Musterfeststellungsklage, um ihr Recht einklagen zu können, ohne dass die Prozesskosten höher als der Streitwert sind.

Zugleich forderte Billen die Unions-Ministerien auf, die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf nicht weiter zu bremsen. „Es ist wichtig, dass die politische Blockade jetzt aufgegeben wird und der Referentenentwurf des BMJV in die Länder- und Verbändebeteiligung gehen kann“, sagte er. „Die Rückmeldungen der Länder und Verbände respektive Zivilgesellschaft sind wichtig für diesen Meinungsbildungsprozess.“ Im Interesse der Verbraucher sei es daher „wichtig, dass wir endlich einen Schritt weiterkommen.“


„Das hat auch für die Unternehmen große Vorteile“

Zuletzt hatte Maas selbst mit Unverständnis auf die Blockadehaltung seiner Kabinettskollegen reagiert. „Ich habe bisher keine fachlichen Einwände gehört, die mich überzeugt hätten. Im Gegenteil: Mit einer Musterfeststellungsklage könnten zentrale Streitfragen zügig und einheitlich entschieden werden“, sagte der SPD-Politiker Ende Februar in einem Interview mit dem Branchenmagazin „ADAC Motorwelt“. Zahlreiche Parallelprozesse würden vermieden. „Das hat ja nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für die Unternehmen große Vorteile“, so Maas damals.

Besonders nach dem Beginn des VW-Diesel-Skandals waren Rufe nach einem besseren Schutz für Verbraucher laut geworden. Das Maas-Ministerium nennt in seinem Gesetzentwurf Beispiele wie unzulässige Gebühren für Kredite, unrechtmäßige Preiserhöhungen von Energieanbietern oder annullierte Flüge.

Im Anschluss an das Musterverfahren müsste der Einzelne dem Entwurf zufolge trotzdem noch klagen - aber die sachliche Entscheidung wäre schon gefällt. Dazu soll es ein zentrales Register geben. Wenn sich ein Verbraucher dort einträgt, hätte das Musterurteil auch in seinem Fall bindende Wirkung. Zudem würde die Verjährung aufgehalten.
Zu erwarten sei aber, dass sich nach einem Urteil Verbraucher und Unternehmen häufig außergerichtlich einigen, heißt es in dem Entwurf. Zudem könne auch das Musterverfahren selbst mit einem Vergleich beendet werden, dem der Verbraucher zustimmen könne.

Eingetragene Verbraucherschutz-Organisationen, Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern sollen klagen können. Häufig bestünden Konsumenten nicht auf ihren Ansprüchen, weil ihnen Prozesse zu aufwendig oder unsicher erschienen, heißt es. Vorteile gebe es auch für beklagte Unternehmen: Sie müssten nicht zahlreiche Prozesse parallel durchstreiten.

Solch eine Musterfeststellungsklage unterscheidet sich aber von Sammelklagen, wie sie in den USA mit dort oft sehr hohen Schadenersatz-Summen üblich sind. Maas teilt denn auch nicht die Angst der Industrie vor extremen Schadenersatzforderungen. Die geplante Musterfeststellungsklage „hat nichts zu tun mit amerikanischen Sammelklagen, bei denen exorbitante Summen eingeklagt werden“, sagte der Minister.

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