Neue Ära des Freihandels Die Briten träumen wieder vom Empire

Theresa May verspricht den Briten nach dem Brexit eine neue Ära des Freihandels. Man hofft auf das Commonwealth, das Großbritannien mit seinem früheren Kolonialreich verbindet. Doch das ist nur eine Illusion.

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Die britische Premierministerin Theresa May bei einem Besuch in Indien Quelle: Getty Images

Vielleicht war es einem Mann mit dem Namen Oli Khan schlicht vorbestimmt, dass er seine großen Ziele stets knapp verfehlen würde. Khan betreibt zwei indische Restaurants im Londoner Vorort Luton, seit Jahren hatte er Schwierigkeiten damit, gute Köche für seine Häuser zu finden. „Den Briten ist die Arbeit zu hart, die Osteuropäer sehen die Küche nur als Zwischenstation“, sagt Khan, der selbst einst aus Bangladesch nach London ausgewandert ist und am liebsten auf Mitarbeiter aus seiner alten Heimat setzt. Die akzeptieren günstige Löhne, und wie ein gutes Curry geht, haben sie bei Muttern gelernt. Doch um die einzustellen, muss Khan ihnen dank eines neuen Gesetzes seit Anfang 2016 mindestens 35 000 Pfund im Jahr zahlen, sonst gibt es keine Arbeitserlaubnis. Seitdem dieses Gesetz gilt, findet Khan kaum noch Curry-Köche.

Und so sah Khan, Generalsekretär des Curryhouse-Verbandes, seine Chance gekommen, als im Juni 2016 die Brexit-Abstimmung anstand. Wenn Großbritannien die EU verlassen würde, könnte man dann nicht die Zuwanderung für die Länder des alten britischen Empire wieder erleichtern? Bangladeschi, Inder, Pakistani, Khans Kochproblem wäre gelöst. Also traf sich Khan mit Boris Johnson, heute Außenminister und damals prominentester Befürworter des Austritts. „Er versprach uns, dass die Regierung diese Regeln lockern würde nach dem Brexit.“ Sie schlugen ein, und wenig später hingen Plakate im ganzen Land: „Save the british curry – vote leave.“

Schon ein paar Wochen nachdem 52 Prozent der britischen Wähler für einen Austritt aus der EU stimmten, warb die neue Premierministerin Theresa May bei ihren Landsleuten für eine optimistische Sicht auf die Zeit nach dem Brexit. Großbritannien schickt 45 Prozent seiner Exporte in die Europäische Union? Der Brexit gefährdet damit die Beziehungen zu sieben der neun wichtigsten Handelspartner? Geschenkt! Aus Great Britain werde „Global Britain“, das Königreich als Herz des Commonwealth, so wie es früher, als das Vereinigte Königreich noch zahlreiche Kolonien an sich band, einmal war. Der Austritt aus der EU werde den Briten wieder die Möglichkeit geben, mit jedem Land der Welt zu handeln und dabei allein den Vorteil Großbritannien zu bedenken. Im Mittelpunkt ständen dabei die alten Kolonien. Bis zum nächsten British Empire, in dem eine kleine Insel in der Nordsee den gesamten Welthandel dominiert, wäre es nur noch eine Frage der Zeit.

Handelsvolumen-Großbritanniens-in-Milliarden-Dollar

Am Donnerstag nun wird in Großbritannien ein neues Parlament gewählt. Fast alles deutet auf einen Sieg Mays hin. Sollte es so kommen, wäre ihr Mandat, den Brexit in ihrem Sinne zu organisieren und wie versprochen Great Britain zu Global Britain zu machen. Sie hätte fünf Jahre, um das Land und die Welt drumherum in ihrem Sinne zu gestalten. Nicht weniger allerdings würde dann auch von ihr erwartet. Alle Briten wollen, dass Großbritannien nicht als offensichtlicher Verlierer der Brexit-Verhandlungen zurückbleibt. Erst in der ablaufenden Woche teilte May den Noch-Partnern in der EU deshalb mit: Mit ihr werde es „keine Einigung um jeden Preis geben“. Soll heißen: Die Pflichten sollen verschwinden, die meisten Privilegien aber bitte erhalten bleiben.

Den Brexit-Fans der ersten Stunde muss sie dabei vor allem eine Lösung präsentieren, in der die Einwanderung merklich zurückgeht. Zugleich hat sie den Marktliberalen in ihrer Partei versprochen, dass Großbritannien nach dem Brexit ein offeneres Land sein werde als zuvor. All das soll „Global Britain“ garantieren. Die Frage ist nur: Wollen die alten Kolonien da überhaupt mitmachen?

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